Dass einem ausgerechnet die Grünen das sicher geglaubte Direktmandat wegschnappen, ist für CSU-Leute der GAU. Bei der Landtagswahl 2018 passierte dem Münchner Andreas Lorenz (50) genau das, er unterlag der Grünen Gülseren Demirel. Davor hatte der Betriebswirt dem Landtag ab 2008 bereits zehn Jahre lang angehört. Da waren die Grünen noch kein ernst zu nehmender Gegner für ihn; bei der Landtagswahl 2013 betrug die Differenz zwischen CSU und Grünen in seinem Stimmkreis laut Lorenz fast 20 Prozent – zu seinen Gunsten.
Tempi passati. Dass er es dann doch noch zurück in den Landtag schaffen würde – diese Hoffnung hatte Lorenz irgendwann aufgegeben. „Zunächst hab ich schon damit gerechnet“, gibt er zu. Denn immer mal wieder scheiden Abgeordnete aus – weil sie in den Bundestag gewählt werden, weil sie kommunale Spitzenposten bekommen oder in die Privatwirtschaft wechseln. Der Münchner Ludwig Spaenle beispielsweise hatte das Glück, im Mai 2020 für den CSU-Abgeordneten Otto Lederer nachzurücken, der zum Rosenheimer Landrat gewählt worden war. Andreas Lorenz rückte nun im Januar auf der Oberbayernliste nach, nachdem der allseits geschätzte Marcel Huber sein Mandat zurückgegeben hatte. Er will sich um seine schwer erkrankte Frau kümmern.
Die Hintergründe von Lorenz’ Wiedereinzug ins Maximilianeum trübten denn auch seine Freude: „Es ist schon anders, wenn jemand aufhört, weil er ein tolles neues Amt kriegt“, sagt Lorenz mit Blick auf Marcel Huber.
Nach seinem Zwangs-Aus als Abgeordneter war Lorenz als Geschäftsführer des Dachverbands Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen tätig. Ein Posten, den er jetzt nur teilweise an den Nagel hängt; zwölf Stunden pro Woche will er in Zukunft noch für den Verband tätig sein.
Wie bereits früher gehört er wieder dem Innenausschuss an, neu ist für ihn der Gesundheitsausschuss – Lorenz übernimmt damit die beiden Ausschusssitze, die sein Vorgänger Huber frei gemacht hat. In Gesundheitsthemen müsse er sich erst einarbeiten, bekennt Lorenz.
Mit Blick auf die Pandemie hat er aber bereits klare Positionen: Den Kurswechsel mit den jetzt beschlossenen Lockerungen findet er überfällig, die Impfpflichtdebatte nur teilweise nachvollziehbar. Im Moment, betont Lorenz, „brauchen wir keine Impfpflicht“. Er befürwortet den Unionsvorschlag, der eine Impfpflicht auf Vorrat beinhaltet – die also erst dann greift, wenn neue gefährliche Virusvarianten auftreten. Die Impfpflicht im Pflegebereich findet Lorenz „noch absurder“ als eine rasche allgemeine Impfpflicht. „Wieso“, fragt er, „soll sich ein 30-jähriger Pfleger impfen lassen, wenn sich der 70-jährige Patient nicht impfen lassen will?“ Zumal inzwischen klar sei, dass auch Gepikste das Virus weitergeben. So offen haben das bislang nur wenige CSUler gesagt. Die Debatten darüber im Gesundheitsausschuss des Landtags dürften spannend werden.
Wenn ihn was ärgert, isst er Schokolade
Egal, worum es geht, mit Schaum vorm Mund trägt Lorenz seinen Standpunkt nicht vor. Schwer vorstellbar, dass sich der tiefenentspannte Münchner in irgendein Thema so richtig reinsteigern kann. Stimmt, sagt Lorenz. Er sei nun mal „nicht so der südamerikanische Typ, der Tassen schmeißt“. Und wenn ihn doch mal was richtig ärgert? Dann, gesteht er, behelfe er sich mit Frustessen – indem er zum Beispiel Schokolade futtert.
In die CSU eingetreten ist Lorenz mit 17 – einfach, weil er die Partei gut fand. Niemand habe ihn dazu überredet, sagt er. Bereits nach einem halben Jahr Parteizugehörigkeit avancierte er zum JU-Ortsvorsitzenden, mit 24 Jahren wurde er in den Münchner Stadtrat gewählt, dem er dann bis zu seiner Wahl in den Landtag 2008 angehörte.
Lorenz hat Betriebswirtschaft an der European Business School im hessischen Oestrich-Winkel studiert, war danach in elterlichen Betrieben tätig: Hotels und einer Kunststoffspritzgussfirma. Das ließ sich gut mit seinem politischen Engagement verbinden. Großartige Hobbys neben der Politik hat Lorenz ohnehin nicht. Er fährt gern Rad, joggt und verbringt Zeit mit der Familie. Die besteht aus seiner Frau, die in der Pharmabranche tätig ist, und der gemeinsamen elfjährigen Tochter.
Mit Blick auf die Pandemie hat es sich ganz gut gefügt, dass der Papa oft zu Hause sein konnte, als die Schulen auf Homeschooling umgestellt hatten. Es sei ja schon eine Herausforderung, stöhnt er im Rückblick, „wenn wochenlang ein unausgelastetes Kind in der Wohnung rumhängt“.
Eine feste Agenda für die kommende Zeit als Landtagsabgeordneter hat er noch nicht. Lorenz verweist aber auf früheres Engagement, das er in der einen oder anderen Form weiterführen will: So habe er während seiner Zeit im Landtag in den Jahren 2008 bis 2018 dafür gesorgt, dass die Sicherheitslage am Münchner Hauptbahnhof verbessert werden konnte. Es gebe inzwischen mehr Videoüberwachung vor dem Bahnhof, eine bessere Beleuchtung, und es sei ein kommunaler Ordnungsdienst vor Ort. Lorenz findet: „Die Lage hat sich deutlich gebessert.“
Ein Dauerthema in München ist daneben der Wohnungsmangel. Es sei wichtig, dass es für Beschäftigte der kritischen Infrastruktur bezahlbaren Wohnraum gebe, betont er. Lorenz plädiert zudem für eine standortabhängige Bezahlung. Beschäftigte von Polizei, Kliniken oder Kitas müssten in Großstädten grundsätzlich besser entlohnt werden als solche auf dem Land, fordert der CSUler. Sinnvoll sei „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“.
Ansonsten hofft er, dass die Corona-Maßnahmen auch für die Abgeordneten bald gelockert werden. Lorenz erlaubt sich hier eine entspannte Gegenposition zur vorherrschenden Sicherheitsmaxime: Dass die Parlamentarier*innen mit Plexiglastrennwänden, einer 3G-Regel sowie Maskenpflicht am Platz geschützt werden, findet Lorenz jedenfalls „zunehmend absurd“. (Waltraud Taschner)
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