Landtag

Benjamin Nolte (42). (Foto: privat)

20.12.2024

Der enttäuschte JUler

Im Porträt: Der oberbayerische AfD-Abgeordnete Benjamin Nolte

Als Heranwachsender sah Benjamin Nolte seine politische Heimat, wie viele heutige AfDler, in der Union. Mit 16 Jahren, erzählt der Landtagsabgeordnete aus Weilheim, sei er in die Junge Union (JU) eingetreten. Damals, Ende der 90er-Jahre, lebte er in einem kleinen Ort im Sauerland. „Ich hatte schon immer eine konservativ-patriotische Einstellung“, erzählt Nolte. Die JU erschien ihm als passende Heimat. Eigentlich. Zunächst habe alles gepasst, sagt Nolte. Er habe sich wohlgefühlt in der Jugendorganisation, war in örtlichen Vereinen verwurzelt.

Als er wegen seines Wirtschaftsingenieurstudiums nach Aachen umzog, änderte sich einiges. In der Großstadt sah er sich mit einer „anderen Klientel“ konfrontiert. Die CDU habe sich als „moderne Großstadtpartei“ definiert, entsinnt er sich – er fühlte sich dort nicht mehr verwurzelt. „Auf dem Land ist man näher am Menschen dran“, findet er. Noltes damaliger CDU-Kreisvorsitzender hieß Armin Laschet; Nolte hat ihn als relativ unauffällig in Erinnerung. „Man hat ihn nicht so wirklich wahrgenommen“, findet er.

In der Union fühlte sich Nolte zunehmend fremd. „Meine Hoffnung auf eine patriotische Politik wurde nicht erfüllt.“ Patriotismus definiert er so, dass man „zu seinem Land steht und zu seinem Volk“. Nolte nennt es befremdlich, dass andere Nationen „stolz auf ihr Land“ sein dürften, während das in Deutschland wegen der NS-Vergangenheit verpönt sei. „Die Linken“, formuliert er, „wollen uns unsere Identität nehmen.“ Wokeness und Genderpolitik nerven ihn, er spricht von „Projekten bestimmter Eliten“ und moniert: Die christlich-abendländische Tradition werde aus falsch verstandener Toleranz zurückgedrängt.

So sehen das auch viele in der CSU, formulieren es aber zurückhaltender. In der Bevölkerung trifft Noltes Sicht ohnehin auf hohe Zustimmung, wie Umfragen belegen. Mit Blick darauf und wegen der wachsenden AfD-Zustimmung vor allem bei jungen Menschen tritt Nolte sehr selbstbewusst auf.

Im Jahr 2007 erfolgte sein Austritt aus JU und CDU. Er blieb mehrere Jahre parteilos. 2009 zog er nach Bayern um, um sein Studium an der TU München fortzusetzen und sein Diplom zu machen.

Schon während seiner Bundeswehrzeit hatte Nolte Kontakte zu Studentenverbindungen geknüpft, die in der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert waren. Das Zusammensein mit Gleichgesinnten sprach ihn an. Man habe sich „hervorragend verstanden“. Nolte verweist auf „interessante Debatten und Veranstaltungen“. Er habe organisieren gelernt, außerdem „Disziplin und Rhetorik“. Für seine spätere politische Arbeit habe ihm das „sehr viel gebracht“. Nolte avancierte zum DB-Obmann für Kultur und Politik.

In dieser Funktion leistete sich Nolte einen Fehltritt, der ihm berechtigten Ärger eintrug und ihm bis heute nachhängt: 2009 fand im thüringischen Eisenach ein Burschentag statt. Nolte erzählt es so: Die jungen Männer waren abends in einer Kneipe feiern. Gegen 3 Uhr morgens und nach etlichen Bieren habe einer der Jungs ihm, Nolte, vorgeschlagen: Er solle dem Mitglied einer Burschenschaft, das ein schwarzes Mitglied aufgenommen hatte, eine Banane überreichen. „Wenn du das tust, geb ich dir ein Bier aus“, habe die Ansage gelautet. Nolte fand das offenbar lustig – er zog die Bananenübergabe durch. Innerhalb der DB war man not amused, Nolte musste als Obmann zurücktreten. Das Ganze sei „eine unreife Aktion“ gewesen, findet Nolte heute.

So richtig hoch kochte der Bananenvorfall, der ihm den Spitznamen „Bananen-Nolte“ eintrug, dann fünf Jahre später. Nolte, zwischenzeitlich als Ingenieur für Infrastrukturprojekte im Bahnbereich beschäftigt, war 2013 in die AfD und deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) eingetreten – in der JA stieg er zum stellvertretenden Vorsitzenden auf. Während der Bananenvorfall zunächst eine burschenschaftsinterne Angelegenheit war, wurde das Ganze im Jahr 2014 öffentlich. Mit dem Ergebnis, dass Nolte als stellvertretender Vorsitzender der Jungen Alternative zurücktreten musste.

Dauerhaft geschadet hat ihm das parteiintern nicht. Jedenfalls kandidierte Nolte im Jahr 2023 im Stimmkreis Weilheim-Schongau für den Landtag – und wurde gewählt. Als Abgeordneter gehört er den Ausschüssen für Wissenschaft und Kunst sowie für Wohnen, Bau und Verkehr an. Er betont, dass ihm die Themen Denkmalschutz, Universitäten oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk am Herzen liegen. Wobei bekannt ist, dass die AfD den Rundfunkstaatsvertrag, der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, kündigen will.

Nolte findet: „Wer Töchter hat, muss die AfD wählen“

Der AfD-Bundesvorstand hat kürzlich erklärt, dass er die als rechtsextremistisch eingestufte Junge Alternative auflösen und eine neue Jugendorganisation gründen will. Nolte sieht das skeptisch. Er habe die JA „seinerzeit mitgegründet“, sagt er. Sie leiste „hervorragende und wertvolle Arbeit als Jugendorganisation“. 

Der höfliche, eloquente und superkorrekt gekleidete Nolte macht kein Geheimnis daraus, dass er als Mitglied des „Altherrenverbands“ noch immer aktiver Burschenschafter ist. Seine Anliegen trägt er im typischen AfD-Sprech vor. „Wer Töchter hat, muss die AfD wählen“, propagiert er auf seinem Instagram-Kanal mit Blick auf die „Massenmigration“. Nur die AfD „wird Euch vor importierter Gewalt schützen“! Er selbst ist kinderlos. Zum umstrittenen AfD-Remigrationsbeschluss steht er hundertprozentig. Er sagt: Wer sich hierzulande nicht integrieren wolle, „dem muss der Aufenthaltstitel entzogen werden“. Zur Integration gehören für ihn: Spracherwerb, Arbeit und „das Anerkennen der deutschen Leitkultur“. 

Nolte weist auch den Vorwurf zurück, die AfD sei eine homophobe Partei. Als Beleg verweist er auf die mit einer Frau in eingetragener Partnerschaft lebende Alice Weidel: „Wir sind die einzige Partei mit einer lesbischen Vorsitzenden.“ Fakt ist indes: Die AfD möchte die Ehe für alle abschaffen, den Christopher Street Day lehnt sie ab.

Nolte ist verlobt. Zu seinen Hobbys zählt neben Sport das gemeinsame Kochen mit seiner Freundin. Sein Familienbild ist konservativ: Kinder, findet er, sollen daheim betreut werden. Er kenne auch keine Frau, „die ihr Kind nach zwei Tagen in die Krippe geben will“. Immerhin: Das Kind, sagt er, müsse nicht von der Mutter betreut werden. „Es kann auch der Vater sein.“ (Waltraud Taschner)
 

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