Letztes Jahr war die Empörung unter Fußballfans groß. Nach einer schriftlichen Anfrage von Max Deisenhofer (Grüne) an die Staatsregierung kam heraus, dass es in Bayern neben der „Datei Gewalttäter Sport“ noch die Fan-Datenbank „EASy Gewalt und Sport“ mit 1644 Einträgen gibt. Warum die Personen dort gespeichert wurden? Unbekannt. Dasselbe gilt für die Löschfristen. Für Deisenhofer, der sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, ein Skandal: „Bürgerrechte enden nicht am Stadioneingang.“
Kurz nach der Berichterstattung verschwand wie von Zauberhand auf einen Schlag ein Viertel der Einträge. Das Innenministerium begründet dies mit turnusmäßigen Qualitätskontrollen. Deisenhofer vermutet eher, dass der öffentliche Druck zu groß wurde, weil ursprünglich nur ein Bruchteil davon gelöscht werden sollte. „Nächste Woche werden wir den Innenminister im Landtag noch mal in die Zange nehmen, wie es dazu kam“, erzählt er.
Für den 35-Jährigen ist dieser Fall ein gelungenes Beispiel dafür, wie auch die Opposition der Staatsregierung einheizen kann. Er ist ein großer Fan von schriftlichen Anfragen, bei denen die Regierung zur Herausgabe von Informationen an die Abgeordneten verpflichtet ist. Tatsächlich wird dieses Kontrollinstrument in der Bevölkerung nur selten wahrgenommen, obwohl es die Politik häufig entscheidend geprägt hat.
Gleichzeitig ist Deisenhofer Realist genug, um zu wissen, dass man in der Opposition nicht von heute auf morgen die Welt verändern kann. Das war ihm trotz seiner damals erst 31 Jahre schon bei seinem Landtagseinzug klar. Es muss aber dennoch viel Idealismus in ihm stecken. Anders lässt sich nicht erklären, warum einer, der auf dem tiefsten konservativ-katholisch geprägten Land aufwächst, den Grünen beitritt und – für manche oft das Schlimmste – auch noch Fan der Löwen von 1860 München ist.
Geboren wurde Deisenhofer in Krumbach. In der Dorfgemeinschaft von Niederraunau war er jedenfalls immer schon integriert, weil er seit frühester Kindheit Handball gespielt hat – zum Schluss sogar in der Bayernliga. „Davon habe ich später auch politisch profitiert, weil die Menschen mich als Handballer kannten“, erklärt er. Es werde insbesondere auf dem Land anerkannt, wenn jemand knapp 25 Jahre lang seine Knochen für den Heimatverein hinhält.
Eigentlich wollte Deisenhofer nicht in die beruflichen Fußstapfen seiner Eltern treten, die beide Lehrkräfte sind. „Aber ich habe als Handballtrainer gemerkt, wie mir die Arbeit mit jungen Menschen taugt.“ Also entschied er sich nach dem Abitur, Englisch, Geschichte und Sozialkunde für Lehramt an Gymnasien an der Universität Augsburg zu studieren. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. „Ich war gern Lehrer“, versichert er. Sollte die politische Karriere einmal vorbei sein, will er auf jeden Fall wieder unterrichten.
Den Grünen ist Deisenhofer mit 18 Jahren beigetreten. Zwar hatte er auch mit der SPD geliebäugelt. Aber bei den Treffen der Umweltpartei hatte er das Gefühl, dass man ihm trotz seiner jungen Jahre auf Augenhöhe begegnete. Die grüne Energiepolitik spielte ebenfalls eine Rolle: In seinem Landkreis stand das damals noch aktive Atomkraftwerk Gundremmingen. 2011 wurde er Kreisvorsitzender des Landkreises Günzburg, 2014 Kreisrat und bis zu seinem Landtagsmandat war er Bezirksvorsitzender für Schwaben. Inzwischen sind auch seine Eltern aus Solidarität zum Sohn Mitglied bei der Partei.
Immer nur Politik? Ihm ist auch Zeit fürs Kind wichtig
Im Maximilianeum ist der Krumbacher Mitglied im Kultusausschuss. In der bayerischen Bildungspolitik laufe nicht alles schlecht, lobt der Oppositionspolitiker. So sei der sogenannte Medienführerschein an Schulen ein wichtiger Baustein für mehr Medienkompetenz. Er fordert aber gerechtere Bildungschancen, eine einheitliche Bezahlung der Lehrkräfte unabhängig von der Schulart und die stärkere Berücksichtigung des Elternwillens beim Übertritt auf die weiterführenden Schulen. Genervt hat ihn das schlechte Corona-Management an Schulen von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).
Als Sprecher für Medienpolitik bei den Grünen setzt sich der 35-Jährige auch für eine vielfältigere Presselandschaft in Bayern ein. „Es ist bedenklich, wenn eine steuerfinanzierte Pressestelle im Landratsamt mehr Personal hat als die Lokalredaktion der jeweiligen Zeitung“, warnt er. Die Qualität der Presselandschaft müsse der Gesellschaft mehr wert sein. Aktuell diskutiere er mit den Kolleg*innen im Bund, wie Zeitungen auch in Zukunft überleben können.
Seit bekannt wurde, dass sich CSU-Abgeordnete während der Corona-Krise auf Staatskosten bereichert haben, ist Deisenhofer auch stellvertretendes Mitglied im Untersuchungsausschuss Maske. Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, involviert in die Maskenaffäre, sei in seiner Heimat ein Lokalheld gewesen. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, welche Ausmaße dieser Skandal annimmt.“ Immerhin komme die Aufarbeitung trotz der üblichen Erinnerungslücken und verdächtig vielen Krankheitsfälle bei den Befragten ganz gut voran. Die Zusammenarbeit mit der CSU verlaufe sehr kollegial. „Von den versprochenen strukturellen Veränderungen der CSU merke ich aber noch nichts“, kritisiert er.
In seiner Freizeit spielt der Schwabe gern Schafkopf, er mag außerdem Fußball, Tennis oder Joggen. Auch Handball steht noch auf dem Programm. Nachdem inzwischen aber beide Schultern kaputt sind, geht das nur noch eingeschränkt. Zusätzlich fordern das Landtagsmandat und der einjährige Sohn seinen Tribut. Da seine Frau, eine Richterin, auch voll berufstätig ist, nimmt sich Deisenhofer regelmäßig Auszeiten. „Ich bin kein Junkie, der 24/7 nur Politik macht“, sagt er. Neben der Kita helfen zwar auch Oma und Opa bei der Betreuung. Weil die Familie gerade Prio habe, könne er manche Termine aber einfach nicht wahrnehmen. „Ich finde es gut, wenn auch junge Eltern im Landtag sitzen“, unterstreicht er.
Tatsächlich wurde deren Perspektive im politischen Diskurs früher oft vernachlässigt. Zur nächsten Landtagswahl tritt er daher wieder an. Aktuell gibt es neun Fraktionsmitglieder, die jünger sind als er. Deisenhofer hofft, dass es im Herbst 2023 noch mehr sind. (David Lohmann)
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