Landtag

Stefan Schuster. (Foto: Susie Knoll)

27.05.2022

Der Feuerwehrmann

Im Porträt: Der SPD-Abgeordnete Stefan Schuster

„Ihr Feuerwehrmann im Landtag“ – bei Stefan Schuster weiß man sofort, mit wem man es zu tun hat. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion war 23 Jahre lang bei der Nürnberger Berufsfeuerwehr, bevor er 2002 in den Landtag einzog. Seit 2018 ist er Mitglied im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport.

Damit schließt sich für ihn ein Kreis, denn im Innenausschuss war er bereits in den ersten sechs Jahren seiner Zeit als Abgeordneter. 15 Jahre lang war er auch im Ausschuss für den Öffentlichen Dienst, 2013 bis 2018 als dessen stellvertretender Vorsitzender. Und dass Stefan Schuster bei der SPD-Fraktion Sprecher für alle Fragen der Feuerwehr ist, versteht sich von selbst.

Wer den 62-Jährigen im Nürnberger Karl-Bröger-Haus besucht, wo alle Nürnberger Landtags- und Bundestagsabgeordneten ihr Büro haben, ist zunächst von diesem Bau beeindruckt: ein Monument der klassischen Moderne, 1929 erbaut, einfache, runde Formen, ganz in Rot, das erste (siebenstöckige) Hochhaus in Nürnberg, abends eindrucksvoll beleuchtet. Über dem denkmalgeschützten Haus schweben leuchtend Rot die drei Buchstaben SPD – ein Monument sozialdemokratischen Selbstbewusstseins.

Stefan Schuster passt so gut zu diesem imposanten Gebäude, als wäre er darin geboren worden. „Ich war schon immer politisch engagiert, schon vom Elternhaus her“, erzählt er. Der Vater war im Stadtrat, die Großmutter im Bezirkstag, Schuster wuchs in einer SPD-Familie auf. Käte Strobel, im ersten Kabinett Willy Brandt Familienministerin, war seine Großtante, Ulrich Maly, 18 Jahre lang Nürnberger Oberbürgermeister, ist sein Cousin. „Bei uns ist in der Familie schon immer politisch diskutiert worden“, sagt Schuster, und natürlich war er in jungen Jahren auch bei der „Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken“.

Dennoch, als er 1998 gefragt wurde, ob er für den Landtag kandidieren wolle, sagte er nur unter der Voraussetzung zu, dass „sichergestellt ist, dass ich nicht gewählt werde“. Denn damals wollte er unbedingt Feuerwehrmann bleiben. Als er 2002 als Nachrücker doch noch in den Landtag einzog, fand er dann aber Gefallen an der Landespolitik und kandidierte 2003 erfolgreich, ebenso wie 2008, 2013 und 2018.

Schuster zog immer über die Liste in den Landtag, den Stimmkreis Nürnberg-West gewann er nie. Natürlich habe Nürnberg eine SPD-Tradition, erklärt er, doch das CSU-geführte Innenministerium und der CSU-dominierte Landtag hätten die Einteilung der Stimmkreise schon vor Jahrzehnten „so CSU-freundlich verändert, dass die SPD seitdem keinen Nürnberger Stimmkreis mehr gewonnen hat“.

Auf den Zustand der CSU angesprochen, entringt sich Schuster zuerst ein langes „Tjaaa“, dann ein diplomatisches „Die haben momentan ja viele Baustellen, allein die Maskenaffäre ...“ Bis er dann doch deutlicher wird: Es seien schon „viele Dinge die sie an der Backe haben“. Besonders seit die CSU nicht mehr in der Bundesregierung vertreten sei, laufe es gar nicht mehr rund. Nicht zuletzt der „Zickzackkurs“ in der Pandemie habe Söder geschadet: „Er macht’s halt immer von Stimmungen abhängig. Ich weiß net, ob die Leut des so gut finden.“

Schuster und Söder kennen sich seit vielen Jahren. Dreimal sind sie im Stimmkreis Nürnberg-West gegeneinander angetreten, der Sieger hieß immer Söder. Schuster sagt über sein Verhältnis zu Söder: „Am Anfang war es schwierig, dann ist Söder gelassener geworden.“

Söder und Schuster: „schon fast freundschaftlich“

Im Lauf der Jahre habe sich schließlich sogar „eine gute Art entwickelt, wie wir miteinander umgegangen sind, teilweise schon fast freundschaftlich“. Man finde sich gegenseitig „ganz sympathisch, auch wenn man parteipolitisch eine vollkommen andere Meinung hat, das ist ja völlig klar“.

Es wird nicht so schnell passieren, dass Schuster Söder was schenkt. Mit Blick auf die vielen Kursänderungen des Ministerpräsidenten in der Pandemie – auf „Team Vorsicht“ folgte „Team Freiheit“, dann wieder „Team Augenmaß“ – schrieb Schuster im Februar auf Facebook: „Nach über zwei Stunden Corona-Regierungserklärung mit Diskussion bleibt für mich die Tatsache, dass Söder mal wieder vorprescht und ich nicht mehr blicke, welchem Team er gerade angehört.“

Schuster ist Jahrgang 1959, die CSU regiert in Bayern seit 1957 ununterbrochen. Doch davon lässt sich der Feuerwehrmann im Landtag nicht beeindrucken. Er ist davon überzeugt, „dass man auch in der Opposition was erreichen kann.“ Und fügt hinzu: „Man muss halt lang bohren, irgendwann funktioniert’s doch.“ Seine Strategie lautet: „außerparlamentarische Opposition“, worunter Schuster die Zusammenarbeit etwa mit Gewerkschaften, Umwelt- oder Elternverbänden versteht. Wenn sich verschiedene Organisationen zusammentun, „kann man doch das eine oder andere bewegen“, meint er.

Da spricht aus Stefan Schuster immer noch der Feuerwehrmann, der nicht stillsitzen kann, sondern der 1995 bis 2002 als Wachleiter der Feuerwache Nürnberg-Mitte im Wechsel mit anderen Wachleitern Einsatzleiter für das gesamte Stadtgebiet war und der Kommandos wie „Angriffstrupp rein zur Brandbekämpfung“ oft genug selbst ausgeführt hat. 2003, in seinem ersten Wahlkampf, der in einen legendär heißen Sommer fiel, absolvierte er dann „mindestens 5000 Hausbesuche“ – für einen hitzegestählten Feuerwehrmann genau die richtige Bewährungsprobe.

Bei der Landtagswahl 2023 tritt Stefan Schuster nicht mehr an. Wenn diese Legislaturperiode vorbei ist, sagt er, „dann waren’s über 21 Jahre, dann bin ich 64, und dann reichts auch.“ Dann sollen Jüngere ran. Gibt’s da welche? Oh ja, antwortet Schuster, es werden Kampfkandidaturen erwartet.

Vor dem Karl-Bröger-Haus steht eine unscheinbare Stele mit den Namen dutzender Nürnberger Sozialdemokraten, die von den Nazis verfolgt wurden. Erst auf Nachfrage rückt Stefan Schuster damit heraus, dass auch der Name seines Großvaters draufsteht: Karl Maly. Genauso wie der Name von Hans Strobel, dem Mann seiner Großtante Käte Strobel, der Gefängnis, KZ und Strafbataillon überlebte. „Das gehört zur Geschichte unserer Familie“, sagt Schuster, dass man damals zum Beispiel oppositionelle Zeitschriften versteckt und, oft mit dem Fahrrad, über die Tschechei verteilt hat. Stefan Schuster trägt das nicht vor sich her. Im Gegenteil, er weist darauf hin, dass er nicht der einzige in der SPD-Fraktion ist, der aus einer solchen Familie stammt. (Florian Sendtner)

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