Landtag

Der Abgeordnete Martin Böhm (AfD), seit September Vize-Landesvorsitzender der AfD. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

13.12.2019

Der Flügel-Mann

Im Porträt: der AfD-Abgeordnete Martin Böhm

Aus seiner politischen Heimat macht Martin Böhm keinen Hehl. Er gehöre zum „patriotischen Lager“ in der AfD, betont er, nennt den rechten „Flügel“-Frontmann Björn Höcke einen Freund, und hinter der Erfurter Erklärung, einer Art Manifest des rechtsnationalen „Flügels“ in der AfD, steht der Abgeordnete aus Oberfranken ohne Wenn und Aber. „Ich bin aus tiefem Herzen Flügel-Mann, in der Erfurter Erklärung steht nichts drin, was ich nicht unterschreiben könnte“, betont Böhm. Selbst unterzeichnet hat er sie aber nicht, aus Prinzip, wie er sagt. Er unterschreibe grundsätzlich keine Resolutionen. „Ich habe in der AfD nur eine Unterschrift geleistet, das war auf dem Mitgliedsantrag.“

Böhm ist ein AfD-Mann der ersten Stunde, auch wenn er nicht zu ihren Gründungsmitgliedern gehört. Zur Partei ist er vor sechs Jahren über die „Wahlalternative 2013“ gekommen, die sich aus Protest gegen die Euro-Rettung und die Finanzhilfen für Griechenland gegründet hatte. Genau diese Punkte hätten auch ihn politisiert, erklärt Böhm, der nach eigenen Angaben vorher politisch nicht aktiv gewesen war und entweder CSU oder FDP gewählt hatte. Nach Gründung der AfD auf Bundesebene baute Böhm den Bezirksverband Oberfranken und den Kreisverband Coburg/Kronach mit auf, hat in beiden Gremien aber keine Ämter mehr. Dafür wurde er im September zu einem der drei stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden gewählt.

Beruflich hat der 55-Jährige einen ziemlich abwechslungsreichen Werdegang hinter sich. Nach der mittleren Reife schloss er eine Lehre zum Kfz-Mechaniker ab und arbeitete unter anderem als Gabelstaplermonteur. Dort wurde, so erzählt es Böhm, ein Vorgesetzter auf sein ihm bis dato nicht bewusstes Talent im Umgang mit Kunden aufmerksam und schickte ihn auf Verkaufsschulungen. Es folgten ein Job in der Versicherungsbranche und später der Einstieg in eine Bauträgergesellschaft im sächsischen Zwickau. Berufsbegleitend bildete sich Böhm zum Fachwirt für Gebäudemanagement sowie für Versicherung und Finanzen weiter und machte den Bachelor in Versicherungswirtschaft an der Hochschule Coburg.

Björn Höcke: Den findet Böhm richtig gut

Sein Talent als Verkäufer nutzt Böhm auch heute noch – in eigener Sache und für die AfD. Obwohl die AfD-Fraktion im Landtag erkennbar in zwei Lager gespalten ist, bezeichnet er Stimmung und Lage dort als gut. Grundsätzlich zögen in der Sache alle an einem Strang, dass sich mancher besonders profilieren wolle, gehöre bei einer neuen Gruppierung ohne gewachsene Strukturen dazu. „Es menschelt halt auch bei uns“, sagt Böhm.

Wenn er über Björn Höcke redet, dessen Auftritte andere erschaudern lassen, kommt Böhm regelrecht ins Schwärmen über dessen „unnachahmliche Art“, auf Menschen zuzugehen. Privat und im kleinen Kreis sei Höcke „ein Mann der leisen Töne“, der das ganze „folkloristische Drumherum“ mit Jubelrufen und Fahnenschwenkerei „erträgt“ und nicht genieße. Höcke scheint das in der Öffentlichkeit gut verbergen zu können.

Böhm nennt Höcke ein Vorbild, auch weil der seine Positionen klar vertrete. „Ich habe von ihm bis jetzt noch keine Aussage gehört, von der ich mich distanzieren müsste“, bekennt Böhm, im Wissen darum, dass Höcke per Gerichtsbeschluss als „Faschist“ bezeichnet werden darf und sein „Flügel“ ein Prüffall für den Verfassungsschutz ist. Distanz lässt Böhm nur bei Höckes Thesen zur Sozialpolitik erkennen. „Ich komme eher aus dem libertären Lager“, erklärt Böhm, er setze mehr auf Eigenverantwortung als auf den Staat. Dieser Konflikt aber ziehe sich durch die gesamte AfD.

Im Landtag ist Böhm europapolitischer Sprecher der AfD. Er habe damit seinen Wunschposten bekommen. Böhm ist erklärter Gegner der EU in ihrer heutigen Form und plädiert für die Abschaffung des Euro. Den europäischen Integrationsprozess nennt er „Wahnsinn“, weil die Souveränität von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsordnung Stück für Stück verloren gehe. Er würde sich einen „Bund befreundeter Vaterländer“ mit eigenen Währungen wünschen. Folgen wie Währungsdisparitäten, Zollschranken und den Bedeutungsverlust Europas im Konzert der Weltmächte sieht Böhm nicht als unlösbare Probleme.

Und wieder die Klage über verordnete „Denk- und Sprechverbote“

Dabei ist Böhm durchaus Realist. Das Ende von Euro und Binnenmarkt wäre ein „harter Einschnitt“ und hätte wohl einen deutschen Exporteinbruch von 15 bis 20 Prozent zur Folge, meint Böhm. Klar würde es zunächst mehr Arbeitslose geben und in der Wirtschaft zu „Bereinigungen“ kommen, wie Böhm Firmenpleiten umschreibt. Zudem brauche es Infrastrukturprogramme. „Doch die deutsche Wirtschaft würde mit ihrer Innovationskraft an einem Euro-Ausstieg nicht kaputtgehen“, ist sich Böhm sicher – ungeachtet dessen, dass deren Vertreter das komplett anders sehen und die öffentlichen Haushalte sowie das soziale Gefüge in Deutschland wohl vor Zerreißproben stünden. Für Böhm wäre ein geplanter Ausstieg besser, als wenn der Euro irgendwann unvorbereitet platzen würde.

Wie viele in der AfD beklagt auch Böhm von einer „links-grünen Gesinnung“ verordnete „Denk- und Sprechverbote“. Unterstützt von den „Mainstream-Medien“ werde die freie Meinungsäußerung zurückgedrängt. In seinen Landtagsreden, in seinem Blog im Internet oder in seinen meinungsfreudigen Kolumnen in Blättern der deutschen Rechten ist davon nichts zu spüren. Böhm zielt auch eher darauf ab, dass Menschen in Beruf oder Gesellschaft Nachteile zu erleiden hätten, wenn sie sich zur AfD bekennen. Er wisse von „honorigen Personen“, die aus Furcht vor Repressalien nicht auf AfD-Listen kandidierten oder aus Vereinen gedrängt würden. Namen nennt Böhm wegen des Persönlichkeitsschutzes nicht, die Fälle sind deshalb kaum überprüfbar. Auf die Frage, ob Grund für die Vorfälle sein könne, dass die Personen Positionen vertreten, die mit den Werten der Vereine nicht vereinbar sind, oder an manchen Repräsentanten der AfD, deren Treue zum demokratischen Rechtsstaat in Zweifel steht, antwortet Böhm ausweichend. Den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dürfe man nicht verlassen, sagt er ganz allgemein. Manche Anhänger haben das wohl noch nicht ganz verinnerlicht.

Dass die AfD trotz allem auf dem Vormarsch ist, steht für Böhm außer Frage. Er hofft, dass die AfD noch während seiner politisch aktiven Zeit Regierungspartei werde. Vielleicht nicht in Bayern, aber in Thüringen oder Sachsen stünden die Chancen gut. Ein spannendes Experiment werde das, denn Koalition bedeute Kompromiss, und darin sei die AfD noch nicht geübt. „Wir werden uns da mit der reinen Lehre nicht durchsetzen können“, ahnt er und erwartet deshalb Folgen für den innerparteilichen Frieden. Für den Erfolg würde Böhm die gerne in Kauf nehmen.
(Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Gerd Paul am 13.12.2019
    Ich behaupte nicht dass dieser Mann und seine Gesinnungsgenossen Nazis sind und dass man sie mit Adolf Hitler & Co. gleichsetzen kann. Sehr wohl aber mit Leuten wie Franz v Papen, Kurt von Schleicher und Paul von Hindenburg. Es waren die Rechtskonservativen, die der NSDAP den Weg an die Macht ebneten.
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