Landtag

Andreas Winhart. (Foto: AfD)

10.12.2021

Der freundliche Populist

Im Porträt: Andreas Winhart, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion

Es in die ZDF-Satiresendung „Heute-Show“ geschafft zu haben, ist ein mitunter zweifelhaftes Vergnügen. Für manche ist die bundesweite Aufmerksamkeit eine Art Ritterschlag, für andere eine ewige Last. Letzteren fühlt sich der Rosenheimer AfD-Abgeordnete Andreas Winhart (38) zugehörig. Wobei er gewiss nicht ohne eigene Schuld in die missliche Lage gekommen ist, unter anderem als „Krätze-Andi“ verspottet und anschließend zeitweise ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden.

Den ersten Kurzauftritt bei Oliver Welke hatte Winhart 2016, damals war er Landeschef des AfD-Nachwuchses „Junge Alternative“. In einem Videoschnipsel sagt er zur Flüchtlingskrise: „Wir haben uns inzwischen so viele Massen an jungen Männern ins Land geholt, dass uns auch die Frauen ausgehen werden.“ Während man das noch als komisch und von der Meinungsfreiheit gedeckt sehen kann, überschreitet Winhart beim zweiten Mal Grenzen. Es ist Landtagswahlkampf, als er von den vielen HIV-Fällen in „Schwarzafrika“ redet, von Krätze und TBC, die Flüchtlinge angeblich einschleppten. „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann will ich wissen, ist der krank oder nicht krank“, sagt Winhart da.

Was darauf folgte, nennt Winhart „belastend“ und eine „schwierige Zeit“. Denn auf einmal stand er für einige Monate unter Beobachtung des bayerischen Verfassungsschutzes. Eine „bodenlose Unverschämtheit“ sei das gewesen, diese „faktische Gleichstellung mit RAF-Terroristen“, zürnt er noch heute. Denn aus seiner Biografie sei ersichtlich, „dass ich keine radikalen Tendenzen habe“. Er fühle sich in eine falsche Ecke gestellt, auch wenn er einräumt, damals eine „etwas derbe Wortwahl“ getroffen haben. Später habe er sich entschuldigt.

Die Verwendung des „bösen N-Wortes“ erklärt Winhart mit der emotionalen Stimmung auf der Veranstaltung. Zudem habe ihm Übung in freier Rede gefehlt. Man kann das bei Ansicht des Videos so sehen, muss aber nicht. Rückblickend bekennt Winhart, in der Sache „vielleicht nicht tief genug recherchiert“ zu haben. Nun wisse er es besser, auch dank des Besuchs in einem Flüchtlingslager auf dem Balkan. Ja, sagt Winhart, er habe dazugelernt – inhaltlich wie im öffentlichen Auftritt. Ein anderer sei er aber nicht geworden.

Hört man sich im Landtag bei Abgeordneten anderer Fraktionen um, heißt es, Winhart habe zwei Gesichter. Er könne im persönlichen Gespräch sehr freundlich und einnehmend sein und dann den Schalter zum „gnadenlosen Populismus“ umlegen. Erst diese Woche war das wieder zu beobachten in einer Debatte zur Corona-Politik, als Winhart auf einmal sagte, dass auf den Intensivstationen nicht nur ungeimpfte, sondern auch geimpfte Corona-Patienten „rumliegen“. Beate Merk (CSU) musste ihn darauf hinweisen, dass auf „Intensiv“ niemand rumliege, sondern alle um ihr Leben kämpften. Insgesamt wird Winhart aber attestiert, im Landtag noch nichts Verfassungsschutzrelevantes gesagt oder „verschwurbeltes Gedankengut“ verbreitet zu haben.

Nach dem Abitur in Rosenheim studierte Winhart zuerst in Kufstein internationales Management, dann Betriebswirtschaft in Erding, dazu war er in München an der Hochschule für Politik eingeschrieben. Anschließend arbeitete er im Vertrieb einer IT-Firma und eines Kapselherstellers für Pharmaprodukte und Nahrungsergänzungsmittel. Vor dem Einzug in den Landtag verkaufte Winhart im Außendienst Pflegeprodukte für Menschen auf Intensivstationen.

In einer politisch interessierten Familie aufgewachsen, schloss er sich als Jugendlicher der Jungen Union und der CSU an. Einige Zeit fungierte er als Vize der Schüler Union in Bayern. Seine Begeisterung für die CSU kühlte um das Jahr 2010 ab. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht, dem Atomausstieg und der Euro-Rettung habe sich die CSU für ihn „zu sehr verändert“, bekundet er. 2013 trat er aus, besuchte auf der Suche nach einer neuen Heimat Veranstaltungen der FDP und der Bayernpartei. Prägend war aber ein Info-Abend bei der AfD. Dort habe es eine echte Diskussion gegeben, wo jeder seine Meinung äußern durfte, sagt Winhart. „Bei der CSU gab es zwei Weißbier, ein Referat und Fotos mit dem Staatssekretär, und dann ist man nach Hause gegangen.“ Begeistert trat er in die noch von Parteigründer Bernd Lucke geführte AfD ein und wurde rasch zum Kreis-Vize in Rosenheim gewählt. Seit 2018 ist er dort Chef.

Ein Hobbyhühnerzüchter

Im Landtag hat sich Winhart für die Gesundheitspolitik entschieden. Wichtigste Anliegen seien ihm als Abgeordnetem vom Land der Erhalt flächendeckender Geburtshilfestationen und kleiner wohnortnaher Krankenhäuser. Zudem gehört Winhart dem Agrarausschuss an. Als tierschutzbewusster Jäger – „Mei, die Jagerei is scho was scheens!“ – und Hobbyhühnerzüchter fühlt er sich auch dort gut aufgehoben. Seit einigen Wochen ist Winhart zudem Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion. Als Mitglied der „Rebellengruppe“ gegen den alten Vorstand, der Ende September nach monatelangem internen Streit abgelöst wurde, surfte er ins neue Amt. Winhart sagt, er habe sich mit der Führung um die völkisch-national geprägte Katrin Ebner-Steiner nie wohlgefühlt. Zudem habe ihm missfallen, dass der alte Vorstand auf Machtinsignien wie Dienstwagen und „anderem Klimbim“ bestanden habe, was gar nicht zum Image der AfD passe.

Parteiintern will Winhart mit der Landtagsfraktion ein eigenes Machtzentrum als Gegenpol zur mehrheitlich rechtsnational und „Flügel“-nah gestrickten bayerischen Parteiführung unter dem neuen Vorsitzenden Stephan Protschka bilden. „Das Herz der bayerischen AfD muss hier im Landtag schlagen“, so Winhart. Er betont, sich bei der Vorstandswahl der Landespartei eine andere Führung gewünscht zu haben. Die Fraktion im Landtag solle „Leuchtturm für bayerische Themen“ sein und sich künftig weniger an den AfD-Leuchttürmen in Erfurt oder Magdeburg orientieren. Mehr sagt Winhart nicht, doch ist das wohl als Abgrenzung von den dort ansässigen Meinungsführern des formell aufgelösten AfD-„Flügels“ um Björn Höcke zu verstehen – ein „Heute-Show“-Dauergast übrigens. (Jürgen Umlauft)

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