Der Blick auf die biografischen Daten des CSU-Abgeordneten Sascha Schnürer (45) lässt einen schwindlig zurück. Nach der Mittleren Reife Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann bei einem Baustoffhändler, danach Vertriebsmitarbeiter dortselbst, parallel dazu Weiterbildung zum IHK-Fach- und Betriebswirt und Gründung einer Beratungsfirma. Dann Wechsel in die Konzernbuchhaltung der Siemens AG, nebenher Ackern in der eigenen Firma und Management-Studium an der University of East London – in Präsenz als wöchentlicher Fernpendler per Billigflieger. Später wird es nicht weniger mit diversen Ehrenämtern bei Wirtschaftsjunioren und IHK-Gremien sowie beim Bayerischen Jagdverband. Ach ja, Familienvater mit vier Kindern ist er auch noch. Wie, um Himmels willen, ist das alles zu schaffen?
Wer nun erwartet, dass zum Gespräch ein gehetzter Mann erscheint, der ständig sein Handy im Blick hat, wird überrascht. Tatsächlich hat man es zu tun mit einem in sich ruhenden Oberbayern. Schnürer sagt: „Es war mir nie vorbestimmt, Unternehmer oder Politiker zu werden, aber ich habe immer schon gearbeitet und geschaut, dass ich auf eigenen Füßen stehe.“ Und: „Egal, was ich gemacht habe, ich war schnell und konsequent.“ Kann man so sagen. Mit 18 wurde Schnürer das erste Mal Vater, seine Firmengründung erfolgte ein Jahr später. Letztere schildert er so: „Ich habe auf der Gemeinde einen Gewerbeschein ausgefüllt und angefangen.“ Einfach so, ohne Businessplan. „Andere Menschen überlegen und planen, ich mache.“
Die Tage von Sascha Schnürer beginnen im Regelfall zwischen 4 und 5 Uhr mit dem Ausführen der Hunde, einem Besuch bei seinen Pferden oder auf dem Jagdsitz. Danach Frühstück mit der Familie und auf ins Arbeits- und Funktionärsleben bis in den Abend hinein. „Ich brauche zum Glück wenig Schlaf“, schmunzelt er. Das Gewese um die Work-Life-Balance: Schnürer kann es nicht nachvollziehen. „Wir reden da den jungen Menschen etwas völlig Falsches ein“, sagt er. Für ihn sei „Work gleich Life“. Das gebe er auch an seine Kinder weiter. Die beiden älteren Söhne hatten schon während ihrer Schulzeit ein Büro in Papas Firma, der ältere leitet mit 26 Jahren inzwischen das operative Geschäft.
Schnürer lehnt sich zurück und erklärt: „Ich habe ein erfülltes Familienleben, ich bin kein Workaholic, ich brauche keinen Psychiater, bei mir ist alles eins.“ Seine Leidenschaften wie das Jagen habe er ins Berufsleben integriert. „Mein Büro ist die Natur“, sagt er und lächelt. In seinem Revier hat er jeden Hochstand so umgebaut, dass er – dank guter Mobilfunkabdeckung – überall mit dem Laptop arbeiten und an Videokonferenzen teilnehmen kann. „Meine Landtagsreden sind fast alle in der freien Natur geschrieben“, berichtet Schnürer. Und wenn er sich am Wochenende die Spiele seines Lieblingsvereins TSV Buchbach anschaut, nutzt er die Tribüne für seine Bürgersprechstunde. „Die Leute wissen, dass ich da bin und immer ansprechbar.“
In die Politik ist Schnürer spät und nicht ganz freiwillig gekommen. Er wollte einmal den Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau erleben. Also fragte er 2006 den CSU-Ortsvorsitzenden seines Heimatorts Obertaufkirchen, ob der ihn mitnehmen könne. Klar, lautete die Antwort, aber nur, wenn er, Schnürer, auch in die CSU eintrete. Als konservativer Mensch, für den die CSU schon immer der Inbegriff des bayerischen Lebensgefühls und der Heimatverbundenheit gewesen ist, hatte er mit diesem Schritt kein Problem. Politische Mandate oder Posten in der Partei hat er aber trotzdem lange nicht übernommen. Bis ihn der Mühldorfer Landrat Max Heimerl nach dem Rückzug des langjährigen CSU-Abgeordneten Marcel Huber eher beiläufig fragte, ob er nicht dessen Nachfolger werden wolle. So kam es dann im Jahr 2023.
Im Landtag gehört Schnürer dem Agrar- und dem Gesundheitsausschuss an. Ersteres hängt nach seinen Worten damit zusammen, dass sein Stimmkreis Mühldorf sehr agrarisch geprägt ist und er durch seine Beratertätigkeit in Sachen Regionalentwicklung und Strukturpolitik im ländlichen Raum fachliche Anknüpfungspunkte hat. Der Bereich Gesundheit ist für Schnürer eines der „spannenden Megathemen“ unserer Zeit. Hier bringt er seine Kompetenz in der Unternehmensdigitalisierung ein, die für den Erhalt der Krankenhausstrukturen relevant ist.
Sein Steckenpferd ist die Jagd – was Hubert Aiwanger da treibt, behagt ihm nicht
Aktuell steckt Schnürer zudem mittendrin im Streit um ein neues Jagdgesetz. Im Auftrag des Jagdverbands hat er federführend mit Landtagskollegen und Jagdpraktikern in wochenlanger Kleinarbeit und nach kontroversen Diskussionen eine Art Gegenentwurf zur Vorlage des zuständigen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erarbeitet. „Ich will im Wald Frieden schaffen“, betont er. Ein ambitioniertes Ziel in den emotional aufgeheizten Debatten um Wildverbiss, Abschusszahlen und Umgang mit dem Wolf. Ohne Zeitdruck möglichst alle mitnehmen – das entspreche seinem Politikstil. „Lieber eine Runde mehr drehen, wenn’s gscheit werden soll“, sagt Schnürer. So habe er das auch im Beruf gemacht.
Zum Gesamtpaket Sascha Schnürer gehört der Hashtag „#Heimatliebe“ in den sozialen Netzwerken. Da ist von Bodenständigkeit, Tradition und Familie die Rede, von Ideologiefreiheit, Werten und „den kleinen Dingen des Lebens“. Weil Schnürer findet, dass sein zweiter Lieblingsverein, der FC Bayern München, diese Werte nicht mehr so ganz erfüllt, ist die Liebe etwas abgekühlt.
Zwar hat Schnürer nichts gegen Effizienz und Erfolgsstreben. Aber die kühle Technokratie unter dem inzwischen abgelösten Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn hat ihm gar nicht gefallen. Um dem Familiären und Bayerisch-Bodenständigen wieder mehr zur Geltung zu verhelfen, hofft Schnürer jetzt auf eine Funktionärskarriere des Urbayern Thomas Müller beim Münchner Spitzenclub. Bestimmt würde Schnürer beratend zur Seite stehen. Wenn es sein muss, wohl auch vom Hochsitz aus. (Jürgen Umlauft)
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