Wehleidig ist Joachim Konrad (CSU) nicht. Zum Gespräch mit der Staatszeitung erscheint er mit Armschlinge. „Schaut martialisch aus, oder?“, fragt der Kemptener und lacht etwas gequält. Früher war er ein leidenschaftlicher Fußballspieler – bis zu einem Flugkopfball, bei dem er sich die Schulter ausgekugelt hatte. Darunter leidet er bis heute. „Diese Schmerzen wünsche ich selbst meinem größten Feind nicht.“ Daher jetzt die Operation. Von seiner Arbeit im Landtag hält ihn das aber nicht ab.
Dort arbeitet der 46-Jährige mehr pragmatisch als ideologisch. Das zeigte sich auch bei seiner letzten Rede im Plenum. Ende Oktober hatte sich neuer Streit über die Verlängerung der Baugenehmigung der dritten Startbahn am Münchner Flughafen entzündet. Konrad verteidigte das dauerhafte Baurecht vehement gegen die Kritik der Grünen. Schließlich wisse keiner, wie sich die Zahl der Starts und Landungen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werde. Die Einladung des Grünen-Abgeordneten aus Erding, sich doch einmal persönlich ein Bild von den Sorgen der Menschen vor Ort zu machen, nahm er dennoch sofort an. Das Treffen steht noch aus.
Konrad wuchs in Wertach im Landkreis Oberallgäu auf, in einem „funktionierenden Elternhaus“: Sein Vater arbeitete in einem Planungsbüro für Lüftung, Heizung und Sanitär, seine Mutter betrieb eine Frühstückspension im Allgäu mit zwei Skiliften. In der Schule war er „ein frecher Hund“, erzählt er. Was ihm rückblickend ein bisschen leidtue. „Pünktlich war ich nur am ersten Schultag, um mir meinen Platz in der letzten Reihe zu sichern“, erinnert er sich. Und auch sonst war er nicht gerade ein Paradeschüler. Nach seinem Realschulabschluss entschied er sich 1994 für eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse – eine Entscheidung aus Vernunft, bekennt er, nicht unbedingt aus Leidenschaft.
Den Turbo in seiner Karriere zündete das Parlamentarische Patenschafts-Programm, durch das junge Deutsche und US-Amerikaner*innen für ein Jahr im jeweils anderen Land eine Ausbildung absolvieren können. Darauf aufmerksam wurde er durch eine Zeitungsanzeige des damaligen Wahlkreisabgeordneten und späteren Bundesentwicklungsministers Gerd Müller (CSU).
„Während meiner Zeit in Reno, Nevada, habe ich festgestellt, dass die anderen auch nicht mehr draufhaben als ich“, sagt er und grinst. Also holte er an der Berufsoberschule (BOS) sein Abitur nach, studierte in Konstanz Verwaltungswissenschaften und arbeitete bei der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern, wo er Kommunalverwaltungen beriet.
In die Junge Union trat Konrad mit 18 Jahren ein. Eine andere Partei kam für ihn auch wegen der politischen Gespräche am elterlichen Esstisch nicht infrage. Mit 23 Jahren wurde er in den Gemeinderat von Wertach gewählt, sieben Jahre lang war er Kreisvorsitzender der CSU Oberallgäu und 2014 wurde er sowohl in den Oberallgäuer Kreistag als auch zum Bürgermeister der Marktgemeinde Altusried gewählt.
Er fordert mehr Sachlichkeit in der Asyldebatte
Das kam so: Man fragte ihn, ob er als Bürgermeister kandidieren wolle. Er zögerte nicht. Vor seinem geistigen Auge sah er: die tolle Theaterkultur vor Ort, lebendige Vereine, sieben Schützenvereine und fünf Musikkapellen – „das war meine Welt“, versichert er. Die neun Jahre bis zum Einzug in den Landtag waren dann aber doch „nervenaufreibender“ als gedacht. „Als Bürgermeister steht man immer im Feuer“, erklärt er. Bei kritischen Themen wie der Ortsumfahrung war er auch persönlichen Angriffen ausgesetzt. Dennoch will er die Zeit nicht missen. Als er die Möglichkeit erhielt, in der Nachfolge von Thomas Kreuzer für den Landtag zu kandieren, sagte er gerne Ja.
Das Dasein als Landtagsabgeordneter empfindet er als entspannter als als Bürgermeister. Zumindest müsse er sich nicht am nächsten Tag in der Bäckerei rechtfertigen, was er gestern wieder für einen „Schmarrn“ entschieden habe. Auch das Ringen um Mehrheiten sei im Maximilianeum wegen der komfortablen Mehrheit von CSU und Freien Wählern weniger intensiv als im Gemeinderat mit wechselnden Mehrheiten. Konrad ist Mitglied in den Landtagsausschüssen für Petitionen sowie für Wohnen, Bau und Verkehr. Ein Anliegen ist ihm vor allem, den Wohnungsbau wieder anzukurbeln – etwa durch Vorschriftenabbau. Im Bereich Verkehr setzt er sich für eine Elektrifizierung der Bahnstrecke ins Allgäu ein.
Anstrengend findet Konrad allerdings, dass die AfD im Landtag sitzt. „Im Plenum ist es teilweise unsäglich, was die rechte Seite von sich gibt.“ Die Brandmauer zur AfD hält er deshalb für richtig. Immerhin die Arbeit im Petitionsausschuss sei mehr von Sachlichkeit als von Profilierungsversuchen geprägt.
Das Thema Migration hält er – wie alle in seiner Partei – für zentral. „Die neue Bundesregierung muss die Aufnahme Geflüchteter stärker begrenzen“, sagt er. Trotzdem müsse man das Thema Migration „nicht jeden Tag wie eine Monstranz vor sich hertragen.“ Um gute Lösungen zu finden, brauche es vor allem Sachlichkeit.
Seine Freizeit verbringt Konrad beim Skifahren oder Bergsteigen in der Natur – entweder mit seiner Frau oder allein. Kennengelernt haben sich die beiden schon in jungen Jahren auf der BOS. Im Sommer sind für ihn Laufen und Schwimmen „kleine Fluchten aus der Sachlichkeit des Alltags“ – gerne auch mit anderen CSU-Abgeordneten. Und Lesen ist ein großes Hobby, am liebsten historische Romane.
Manchmal geht er in München ins Stadion, wenn der FC Bayern spielt. „Aber vor allem, weil es die Kinder wollen“, sagt er und lacht. Der größte noch unerfüllte Lebenswunsch Wunsch für den 46-Jährigen ist eher ungewöhnlich: „Opa werden“, sagt Konrad ohne zu überlegen. Bis dahin dauert es aber noch: Sein Sohn ist zehn und seine Tochter erst acht. (David Lohmann)
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