Landtag

Der Landtag kann verfassungsfeindlichen und extremistischen Mitarbeitern von Abgeordneten oder Fraktionen die Auszahlung von Landtags-Geldern verweigern - es bräuchte dafür aber neue gesetzliche Grundlagen. (Foto: Kruse)

29.07.2024

Der Geldhahn kann zugedreht werden

Gutachten: "Extremismusklausel" in Bayern wäre möglich

Der Landtag kann verfassungsfeindlichen und extremistischen Mitarbeitern von Abgeordneten oder Fraktionen die Auszahlung von Parlaments-Geldern verweigern - es braucht dafür aber neue gesetzliche Grundlagen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten zu einer sogenannten Extremismusklausel, das Landtagspräsidentin Ilse Aigner in München vorstellte. Sie plädierte eindeutig dafür, dass die Fraktionen aktiv werden und dies umsetzen sollten. "Wir wollen solche Gelder nicht auszahlen", sagte sie.

Konkret geht es um Mitarbeiter von Abgeordneten oder Fraktionen, die Arbeitsverträge direkt mit diesen abschließen, bei denen das Parlament aber die Entlohnung übernimmt. Die CSU-Fraktion kündigte umgehend an, alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen zu wollen.
"Der Gesetzgeber in Bayern wäre konkret am Zug, um eine Extremismusklausel zu verankern", erklärte Tristan Barczak, Professor für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und das Recht der neuen Technologien in Passau, der das Gutachten erstellt hat. Es müssten das Abgeordneten-, das Fraktions- und das Verfassungsschutzgesetz geändert werden.

Aktuell keine Rechtsgrundlage

Bisher fehlt dem Landtagsamt eine rechtliche Grundlage, die Auszahlung der Löhne an "klar verfassungsfeindliche Extremisten" zu verweigern - das hat das Gutachten jetzt bestätigt. Anlass für die Prüfung und die Debatte war ein BR-Bericht, wonach die AfD-Fraktion im Bundestag und ihre Abgeordneten mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigten, die in als rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv seien. Aigner hatte daraufhin erklärt, das Problem sei auch im bayerischen Landtag bekannt. Konkret handle es sich um vier Fälle, alles Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten, bestätigte sie nun. In drei Fällen davon habe der Landtag zwischenzeitlich die Auszahlung von Geldern gestoppt, sie aber wieder aufgenommen.

Das war für Aigner der Anlass, das Rechtsgutachten in Auftrag zu geben - weil sie eine derartige Lücke nicht hinnehmen will. Und das neue Gutachten zeigt auf, wie eine mögliche "Extremismusklausel" aussehen könnte. Die AfD-Fraktion protestierte bereits scharf.

Dem Gutachten zufolge kann eine Erstattung des Gehalts für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten verweigert werden, wenn sie sich in verbotenen Organisationen engagieren oder engagiert haben oder wenn sie Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen oder verfolgt haben. Gleiches gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsfraktionen. Hier wäre demnach eine entsprechende Kürzung der Fraktionsmittel denkbar. Möglich ist all dies dem Gutachten zufolge auch, wenn die betreffenden Mitarbeiter für andere Staaten als Spione aktiv sind.

Hohe Hürden

Was nach Worten Barczaks nicht ausreicht: die bloße Mitgliedschaft in bestimmten, nicht verbotenen Organisationen oder Parteien. Zudem müssten die Begriffe "Extremismus" und "Verfassungsfeindlichkeit" ausdefiniert werden, etwa anhand einschlägiger strafrechtlicher Verurteilungen oder einer Beobachtung des Mitarbeiters durch den Verfassungsschutz. "Wir brauchen konkrete Anhaltspunkte, dass sich jemand extremistisch betätigt", erklärte er.

Das konkrete Vorgehen könnte nach Darstellung Barczaks so aussehen, dass Mitarbeiter eine "Erklärung zur Verfassungstreue" ausfüllen müssen, ähnlich einem Fragebogen für die Einstellung in den öffentlichen Dienst. Es müssten dafür aber laut Gutachten alle als verfassungsfeindlich betrachteten Organisationen in dem Fragebogen aufgeführt werden.

Verfassungsschutz-Anfragen denkbar

Denkbar wären laut Barczak auch Anfragen beim Landesamt für Verfassungsschutz. Dies aber nicht als sogenannte anlasslose Regelanfragen, sondern als einzelne Bedarfsanfragen. Diese wiederum seien auch erst zulässig, wenn bereits konkrete Zweifel an der Verfassungstreue einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters bestünden.

Zunächst liegt der Ball aber eben bei den Fraktionen. Aigner sagte bereits, sie hoffe, "dass wir gemeinsam hier eine Lösung finden können". Und es könnte auch schnell gehen: "Im Laufe des Jahres könnte man das hinkriegen, wenn man es gemeinsam löst."

Fraktionen wollen Vorgehen prüfen

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek betonte: "Wir wollen eine wehrhafte Demokratie. Wer unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft, kann nicht mit Mitteln des Staates unterstützt werden." Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Michael Hofmann, sagte aber auch: "Wir treffen keine leichtfertigen Entscheidungen, sondern werden uns intensiv mit den aufgezeigten rechtlichen Möglichkeiten auseinandersetzen."

Der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold betonte: "Auch wir wollen keine Verfassungsfeinde mit Steuermitteln finanzieren. Wir warnen allerdings vor rechtlichen Schnellschüssen, um der AfD keine Möglichkeit zu geben, ihr primitives Opferrollenspiel zu inszenieren."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Christoph Maier, klagte bereits: "Willkürliche Diskriminierungen durch den sogenannten Verfassungsschutz sollen künftig ausreichen, um in die Autonomie frei und demokratisch gewählter Abgeordneter einzugreifen." Er fügte hinzu: "Es ist klar, dass sich dieses Vorhaben wieder mal exklusiv gegen die AfD richtet, da einzelne Mitarbeiter unserer Partei zuvor von Medien denunziert worden sind." Ebenso klar sei, dass sich die AfD einen solchen Angriff nicht gefallen lassen werde, sagte Maier.
(Christoph Trost, dpa)

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