Landtag

Markus Bayerbach. (Foto: Daniel Karmann/DPA)

19.03.2021

Der Gemäßigte

Markus Bayerbach (AfD), Chef des Bildungsausschusses, im Porträt

Ausgerechnet der Bildungsausschuss. Vor allem bei der CSU war das Wehklagen groß, als der Vorsitz des für die Schulpolitik zuständigen Landtagsgremiums nach der Landtagswahl 2018 an die AfD fiel. Weil Bildungspolitik traditionell Ländersache ist, hat der zuständige Parlamentsausschuss mehr Gestaltungsmöglichkeiten als etwa der Europa- oder der Wirtschaftsausschuss. Ausschussvorsitze werden in Bayern nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren vergeben.

Und auch wenn die politischen Mehrheiten klar sind, die CSU-FW-Koalition ihre Anliegen mithin grundsätzlich durchsetzen kann, spielt es schon eine Rolle, wer einen Ausschuss leitet. So haben Vorsitzende maßgeblichen Einfluss auf die Tagesordnungen, also darauf, wann welche Anliegen behandelt werden – ob sie etwa dann drankommen, wenn viele Presseleute anwesend sind.

Gemessen an der Ablehnung, die ihm samt seiner Partei entgegenschlug, hat es Markus Bayerbach (57) geschafft, den Bildungsausschuss zu leiten, ohne dass es zu größeren Eklats gekommen wäre. „Er polarisiert nicht und ist nicht auf Krawall gebürstet“, heißt es aus der CSU-Fraktion. Bayerbach selbst bezeichnet sich als „unideologisch“. Unappetitliche Formulierungen hat man von ihm bislang nicht vernommen, auch tritt er eher zurückhaltend auf. Er zählt zum gemäßigten Flügel innerhalb der ziemlich zerstrittenen AfD-Fraktion im Landtag. Deren Außenwirkung, räumt Bayerbach ein, sei zuletzt „nicht immer ganz glücklich“ gewesen.

Größere Eklats verursachte er nicht bisher

Unstrittig ist, dass er über Sachkunde im Bildungsbereich verfügt: Als ehemaliger Förderlehrer hat er den Schulalltag und viele Probleme dort selbst erlebt. Das bestätigt ihm auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Dessen Präsidentin Simone Fleischmann attestiert Bayerbach „Feldkompetenz“. Sie sagt: „Er weiß genau, welche Kinder Unterstützung brauchen.“ Auch moderiere er die Ausschussitzungen gut, der Ton sei „wohltuend“. Wenn da nur nicht Bayerbachs Parteibuch samt vieler „sehr seltsamer Einstellungen“ wäre, seufzt Fleischmann. So ähnlich sehen das auch diverse Abgeordnete.

Vor einiger Zeit handelte sich Bayerbach allerdings mal Ärger im Bildungsausschuss ein. Es ging um eine Sechsjährige, die angeblich in Rosenheim starb, weil sie eine Corona-Schutzmaske getragen hatte – was sich als Fake News herausstellte. Die Empörung war groß. Die CSU behauptet: Bayerbach habe das als Tatsache verkauft. Bayerbach widerspricht: Er habe lediglich behauptet, dass es das Gerücht gebe und dass die Polizei das prüfe. Und er legt Wert auf die Feststellung, dass er „kein Coronaleugner“ sei, manche Maßnahmen aber „überzogen“ finde. So oder so: Der Vorfall zeigt, dass die Sensibilitäten im Fall eines AfD-Vorsitzenden durchaus spezielle sind.

Und natürlich ist der Umgang mit der AfD im Landtag nach wie vor heikel. Während es bei den Grünen Usus ist, die AfD-ler nicht zu grüßen, lehnt es die SPD grundsätzlich ab, AfD-Initiativen zuzustimmen – egal, wie sinnvoll diese tatsächlich sein mögen. Bei der CSU finden sie es falsch, die AfD einfach nur zu ignorieren. Es dränge die AfD in eine „Opferrolle“, heißt es. Und dass man die Partei „stellen“ wolle, also deren Positionen mit Argumenten widerlegen. Tatsächlich funktioniert das nur mittelgut.

Bayerbach ist ein enttäuschter Sozialdemokrat

Die Öffentlichkeit bekommt davon auch nicht immer so viel mit, weil nicht alle Medien gern über die AfD berichten. Bayerbach wurmt das gewaltig. Er sagt: Bislang habe er 45 Pressemitteilungen herausgegeben, das mediale Echo sei gleich null gewesen. Dabei hält er sich zugute, vielfach akzeptable Vorstellungen – jedenfalls in seinem Bereich Bildungspolitik – zu vertreten: So habe er sich für mehr Förderlehrer an Bayerns Schulen eingesetzt. Das Anliegen sei abgelehnt, wenig später aber von anderen Parteien gefordert und schließlich beschlossen worden. Die Praxis, Oppositionsanträge erst abzulehnen, um sie später als eigene Initiativen durchzusetzen, trifft allerdings nicht nur die AfD.

Bayerbach, verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder, stammt aus Augsburg, wo er lange Jahre als Förderlehrer an Schulen gearbeitet hat. Sein Job bestand darin, Förderpläne für benachteiligte Kinder zu erstellen, also zu schauen, welche Kinder Defizite haben und wie man diese mittels individueller Betreuung beheben könnte. Inklusion ist dabei für ihn nicht der Königsweg. „Inklusion kann funktionieren“, sagt er. Aber eben nicht immer. Er findet: In bestimmten Fällen ist eine Förderschule besser geeignet. Er sagt auch, dass Kinder „grausam“ sein könnten und „manche Kinder auf einer Regelschule nie die Chance haben, ein vernünftiges Bildungsziel zu erreichen“. Neben seiner Lehrtätigkeit fungierte Bayerbach als Behindertenbeauftragter am städtischen Schulamt.

Dass er mal in der Politik landen würde, war nie der Plan. „Das hätte ich nie gedacht“, sagt Bayerbach. Politisch standen ihm die Sozialdemokraten nah. „Ich war SPD-Stammwähler“, berichtet er. Beeindruckt hat ihn Helmut Schmidt, den er als „wertkonservativ“ verehrt. Die heutige SPD, moniert er, „vertritt nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmerschaft“. Genervt spricht er von sozialdemokratischen „Umverteilungsphantasien innerhalb Europas“.

Im Jahr 2013 wurde er auf die AfD aufmerksam, ein Jahr später trat er bei. Wie so viele spätere AfD-Fans ärgerte er sich über die damalige Europapolitik. „Mich haben die Verstöße gegen die Maastricht-Verträge aufgeregt“, erzählt Bayerbach. Er befasste sich genauer mit der damals neuen Partei, fand auch deren Bildungspolitik gut. Zum Beispiel die Forderung, vergleichbare Schulabschlüsse in allen Bundesländern auf bayerischem Niveau zu etablieren. Er war genervt vom bildungspolitischen Ziel der anderen Parteien, den Anteil der Abiturient*innen zu steigern. Das Gymnasium stellt er klar, sei nun mal für die „Topleute“ da.

Dass es noch immer so wenige Kinder aus prekären Verhältnissen ans Gymnasium schaffen, thematisiert er nicht. Dabei wäre das eine ur-sozialdemokratische Position, die gewiss auch Helmut Schmidt unterschrieben hätte.
(Waltraud Taschner)

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