Wer aus öffentlichen Quellen etwas mehr über Jörg Baumann erfahren will, tut sich schwer. Der Eintrag des 43-jährigen AfD-Abgeordneten aus dem Landkreis Aschaffenburg im Handbuch des Landtags umfasst nur wenige Angaben, auf der Partei-Homepage steht kaum mehr, ein eigener Internetauftritt ist noch im Entstehen. Bleiben seine Aktivitäten auf der Plattform X. Dort entsteht schnell das Bild eines stramm rechten Nationalkonservativen, der wenig Wert auf Zwischentöne legt. Baumann verteidigt den Thüringer Landeschef Björn Höcke gegen Kritik, zeigt Sympathie für den österreichischen Identitären und „Remigrations-Erfinder“ Martin Sellner und äußert sich verächtlich über Instanzen des demokratischen Rechtsstaates. In seinen Videoclips posiert er gerne im „Ich bin Deutscher“-T-Shirt und stellt fest: „Ich bin rechts, ich bin konservativ, und das ist gut so.“
Beim Gespräch im Landtag sitzt einem dann aber keine streng gescheitelte rechte Parolenschleuder mit Lackschuhen und durchgedrücktem Kreuz gegenüber, sondern ein lockerer Abgeordneter mit Humor und Selbstironie, der auch differenziert zu argumentieren versteht. Baumann entstammt keiner rechten Kaderschmiede, er wurde auch nicht in Studentenverbindungen sozialisiert, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Vor seiner Wahl in den Landtag war Baumann – verheiratet und Vater zweier Kinder – 25 Jahre im Polizeidienst.
Den Weg dorthin fand Baumann nach der Mittleren Reife über seinen Vater. Der war Hausmeister bei der Polizeiinspektion Aschaffenburg. So entstand der Kontakt. Nach einer Art Schnupperpraktikum, erzählt Baumann, habe er sich für die Ausbildung im mittleren Polizeidienst beworben und sei genommen worden. Anschließend sammelte er Berufspraxis bei der Polizei in Würzburg und der Verkehrspolizei in Weilheim, bis er 2004 als Streifenbeamter nach Aschaffenburg zurückkehrte. Ab 2013 war Baumann dort als Diensthundeführer tätig. Fährten aufnehmen, Einbrecher stellen, Kolleg*innen im Einsatz schützen – das seien seine Aufgaben gewesen.
Als belastendsten Einsatz hat Baumann die 14 Tage in Erinnerung, während der er 2021 als Helfer nach der Flutkatastrophe im Ahrtal abkommandiert war. Insgesamt aber seien die zehn Jahre mit dem „Kollegen Hund“ an der Seite glücklich und erfüllend gewesen. Die Beschäftigung mit seinen nun zwei Hunden ist bis heute Baumanns Lieblingssteckenpferd in der Freizeit, nachdem sein Mandat kaum noch Zeit fürs Lesen und den Sport lässt. Einer der beiden ist sein inzwischen „pensionierter“ Diensthund. Der brauche wie jeder andere Ruheständler weiter tägliche Herausforderungen, aber eben in „seniorengerechter Form“, witzelt Baumann.
Den Eintritt in die AfD 2019 beschreibt Baumann als recht spontane Entscheidung. Zwar habe er die Partei schon seit ihrer Gründung mit Interesse verfolgt. Als diese aber immer heftiger von politischer Konkurrenz und Medien angegangen worden sei, habe er sich darüber geärgert. Ein Bekannter habe damals zu ihm gesagt, er solle nicht meckern, sondern aktiv werden. Genau das hat er mit dem Eintritt getan.
Überzeugter Höcke-Fan
In der AfD ist Baumann – auch für ihn überraschend – schnell aufgestiegen. Schon 2020 kandidierte er für das Bürgermeisteramt seiner Heimatgemeinde Haibach, wurde dann aber „nur“ Gemeinde- und Kreisrat. Auch parteiintern wurde Baumann in mehrere Führungsämter bis hinauf in den unterfränkischen Bezirksvorstand gewählt.
Im Landtag ist Baumann Mitglied im Ausschuss öffentlicher Dienst und im Innenausschuss. In Letzterem hat er sich die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und natürlich der Inneren Sicherheit auf die Fahnen geschrieben. Als Polizist habe er über die Jahre eine Verrohung in der Gesellschaft und wachsende Gewalt gegen Einsatzkräfte festgestellt. Als Hauptursache verweist Baumann auf ein Zitat des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU): „Die Migration ist die Mutter aller Probleme.“ Auf Nachfrage zählt er aber weitere Gründe auf. So hätten sich Familienstrukturen in seiner Heimat verändert, es gebe dort kaum noch generationenübergreifendes Zusammenleben. Viele Eltern wollten oder müssten aus wirtschaftlichen Gründen ihren Erziehungsauftrag an Schulen und Kitas abgeben, viele wüssten gar nicht mehr, mit wem ihre Kinder rumhängen oder was sie den ganzen Tag am Handy treiben. Eine bedenkliche Entwicklung sei das. Interessant, diese Analyse vom Vertreter einer Partei zu hören, die wie keine andere die Social-Media-Affinität von Kindern und Jugendlichen so exzessiv für ihre Zwecke ausnutzt.
Dass er den Rechtsextremisten Höcke gegen Kritik verteidigt, hält Baumann für eine innerparteiliche Notwendigkeit. Höcke sei der „erfolgreichste Politiker, den wir haben“. Und überhaupt sollte eine Partei zusammenstehen, wenn sie von außen angegriffen werde. Seine Solidarität mit Sellner begründet Baumann mit der Meinungsfreiheit. „Ich verteidige die freie Rede“, sagt er. Immerhin legt er aber den von Sellner geprägten Begriff der „Remigration“ weiter aus. Er bezieht ihn auf alle Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, und zum Beispiel auf Syrer, weil der Bürgerkrieg dort nach Bekunden des Staatschefs Assad beendet sei. Wer auf legalem Weg nach Deutschland komme, hier arbeiten und sich integrieren wolle, der sei willkommen, betont Baumann. Er klingt da durchaus differenzierter als andere in seiner Fraktion.
Allerdings stehen solche Aussagen im Widerspruch zu Plenarauftritten Baumanns, die mit plumpen Populismen gespickt sind. Da tönt er zum Beispiel von „migrantischen Vergewaltigern“, spricht davon, dass Deutschland von einem „Gewalt-Tsunami überflutet“ werde, dass man beim Spaziergang im Park nicht mehr wisse, ob man in Aschaffenburg, Islamabad oder Aleppo sei. Es sind solche Äußerungen und seine Posts und Clips auf X, die Abgeordnete aus anderen Fraktionen zu dem Urteil kommen lassen, dass sich hinter Baumanns biederer Fassade ein „Hardcore-AfDler“ verberge. (Jürgen Umlauft)
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