Alexander Flierl ist einer, der auf Nummer sicher gehen möchte. Er sei passionierter Jäger, sagt der 50-Jährige, und fürs Foto zu diesem Porträt will er zunächst ein schönes Bild herausrücken, das ihn in typischer Waidmannskluft zeigt. Um dann später doch einen Rückzieher zu machen und ein klassisches, aber beliebiges Parteiporträt zu mailen.
Vielleicht kommt da die Korrektheit des gelernten Juristen durch. Nach dem Jura-Studium in Regensburg und dem Ersten und Zweiten Staatsexamen ließ er sich als Anwalt in seinem Heimatort Oberviechtach nieder und betreibt die Kanzlei noch heute. „Wald-und-Wiesen-Anwalt“ sei er, meint Flierl schmunzelnd, und erinnert sich noch genau an seinen ersten Fall: „Es ging um Fischdiebstahl.“ Solche kleineren Strafsachen, aber auch Ehescheidungen sowie Erb- und andere Zwistigkeiten aus dem Privatrecht waren in all den Jahren seine wichtigsten Betätigungsfälle. Eine juristische Spezialisierung hätte im 5000-Einwohner-Städtchen Oberviechtach auch nicht nicht viel gebracht, erklärt er, und als Generalist sei man obendrein näher dran am Alltag der Menschen.
Parallel zur Berufstätigkeit startete die politische Laufbahn, nicht unbedingt im Eiltempo, aber stringent. Ab 1996 war Flierl Stadtrat in seiner Heimatkommune, dann auch Mitglied im Kreistag von Schwandorf, bis 2019 ebenda Fraktionschef. Das erste kommunale Mandat hat er zur Wahl im März dieses Jahres nach fast einem Vierteljahrhundert aufgegeben, Kreisrat ist er immer noch. Und warum nicht mehr Stadtrat, er hätte sich ja auch andersrum entscheiden können? Das habe schlicht mit den Sitzungstagen der beiden Gremien zu tun, sagt Flierl. Der Oberviechtacher Stadtrat tagt immer dienstags, und das kollidiere mit der Landtagsarbeit. Der Kreistag dagegen treffe sich immer am Montag, was ganz gut zu vereinbaren sei. „Unser Landrat – der zum Glück von der CSU ist – nimmt da Rücksicht auf die Abgeordneten in München“, betont Flierl. Unausgesprochene Botschaft: Der Bürgermeister von Oberviechtach, ein Freier Wähler, tut das nicht.
Wobei Flierl bekundet, nicht zwanghaft aus München verschwinden zu müssen, wann immer die politische Arbeit das erlaubt. Anders als manche Kollegen aus dem ländlichen Raum hegt er keine Vorbehalte gegenüber dem Leben in der Landeshauptstadt, im Gegenteil. Wäre er nicht durch das Wahlkreismandat und die Familie in Oberviechtach gebunden, dann könne er sich sehr gut vorstellen, in München zu leben, bekennt er. Die Nähe zu den Bergen etwa begeistert ihn. Eine andere Stadt, die als Lebensmittelpunkt theoretisch infrage käme, wäre Hamburg – für einen überzeugten CSUler sicher kein alltägliches Geständnis.
Wie aus dem Bilderbuch auch die weitere Biografie: Heirat, die Geburt von zwei Buben (heute zwölf und 15 Jahre alt) und 2013 die Nominierung für die Stimmkreiskandidatur. Freundlich plaudernd erzählt er – man könnte bei Flierl fast vergessen dass Parteikarrieren nicht selten brutale Grabenkämpfe sind. „Ich musste es mir erarbeiten“, lautet sein unspektakulärer, aber auch Interpretationen offenlassender Kommentar dazu. Dass der Einzug in den Landtag in der politisch tiefschwarzen nördlichen Oberpfalz auch gleich im ersten Anlauf gelang, versteht sich fast von selbst.
Ein Mann ohne Ecken und Kanten
Im Landtag scheint bei Alexander Flierl von Beginn an alles nahezu reibungslos verlaufen zu sein. Immer kollegial, kein Wettbewerb um einen reizvollen Ausschusssitz, nichts. Als Jurist landete er von 2013 bis 2018 im Kommunal- und Innenausschuss sowie im parlamentarischen Kontrollgremium, dessen Vorsitz er inzwischen inne hat. Es tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ist dazu da, die Arbeit des bayerischen Verfassungsschutzes zu überwachen. Man erfahre da viel über „Zusammenhänge und Vorgänge in der Gesellschaft“, erklärt Flierl.
Eine Aussage, die sich über nahezu jedes politische Gremium treffen ließe. Interessant wäre es eher zu wissen, ob Flierl und seine Stellvertreterin Katharina Schulze von den Grünen bei einem Reizthema für beide Parteien wie etwa der Gefahrenbewertung des Linksextremismus im Freistaat immer einer Meinung sind. Aber auch hier gilt: lieber auf Nummer sicher gehen und keine Antwort geben. „Kollegialer Respekt“ verbiete ihm, darüber zu reden, sagt Flierl mit sanftem Lächeln.
Nun gut, dafür redet er gern und ausführlich über seine seit 2018 laufende Tätigkeit in zwei weiteren Ausschüssen: dem für Umwelt und dem für Landwirtschaft. Auf den ersten Blick scheinen das verwandte Gremien zu sein. Doch bei genauerem Hinsehen sind das zwei meist ziemlich konkurrierende Gruppierungen. Immerhin leistet sich Bayern – als einziges deutsches Bundesland – dafür zwei getrennte Ministerien und damit auch zwei Landtagsausschüsse.
Dass sich die Umwelt- und die Landwirtschaftsministerin samt anhängiger Verwaltung in herzlicher Abneigung verbunden sein können, demonstrieren im Bund Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU) regelmäßig. Aber in Bayern ist das laut Flierl, es verwundert kaum, natürlich nicht so.
Das Landwirtschaftsressort verantwortet im Freistaat CSU-Frau Michaela Kaniber, Umweltminister ist der Freie Wähler Thorsten Glauber. „Konstruktiv und kooperativ“ sei die Zusammenarbeit selbstverständlich, beteuert Flierl, selbst bei so verschieden bewerteten Themen wie dritter Nationalpark oder Ansiedlung des Wolfes funktioniere alles super. Konflikte gebe es „höchstens in Teilen der ministerialen Bürokratie“. Wütende Teichwirte einerseits und entschlossene Fischotter-Freunde andererseits? Kein Problem, für alles gibt es selbstverständlich „pragmatische Lösungen“. Bei so viel Friede, Freude, Eierkuchen kann einem ganz schwindelig werden.
Flierl, urteilt dessen Landtagskollege Eric Beißwenger, setze sich „immer für die Sache ein“ und sei „kämpferisch“. Eine Beschreibung, die wohl auf die meisten Abgeordneten irgendwie zutrifft. Wenngleich nicht alle von derart geschmeidiger Verbindlichkeit sind wie Flierl. Weiche Schale, harter Kern. (André Paul)
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