An diesem Julitag ist die Welt für Josef Zellmeier und die CSU in Niederbayern in Ordnung. Die Volksmusik kracht, und die Menschen in Feldkirchen bei Straubing zeigen sich und ihre Ortschaft von der besten Seite. In Lederhosen, Dirndl oder ihren teils mit Orden gespickten Feuerwehruniformen strömen sie in das mit Fahnen und Blumen geschmückte Festzelt. Schließlich feiert die örtliche Feuerwehr ihr 150-jähriges Bestehen. Klar, dass da Josef Zellmeier, der den Stimmkreis Straubing im Maximilianeum vertritt, nicht fehlen darf.
„So muss das sein“, sagt er, während unweit von ihm bereits die ersten Maßkrüge klirren und der Schweinsbraten serviert wird. Heimat und ehrenamtliches Engagement – „das sind zwei Themen, die mir besonders wichtig sind“, sagt Zellmeier. Der 54-Jährige war ab 1985 unter anderem in der katholischen Landjugend aktiv, saß im Pfarrgemeinderat und führte zwei Jahrzehnte lang die Geschicke des Kreisjugendrings. Seit dreieinhalb Jahrzehnten ist er in der CSU, sitzt im Gemeinderat seines Heimatorts Laberweinting. Seit 2003 gehört er dem Landtag an.
„Ich liebe meine Heimat"
„Ich liebe meine Heimat – Bayern, und vor allem Niederbayern.“ Er sei stolz, dass man sich hier auf dem Land noch für einander engagiere. „Wer das ganze Jahr über anderen hilft, der darf auch einmal kräftig feiern“, ruft er später in seinem Grußwort den Menschen im Bierzelt zu. Natürlich weiß er, dass die Leute hier das gerne hören. Doch selbst politische Gegner lobten schon Zellmeiers Einsatz für das Ehrenamt.
Zellmeier war nicht nur im Gemeinderat für Jugendpolitik zuständig, sondern von 2007 bis 2013 auch im Landtag. Bereits damals schreckte er nicht vor Konflikten mit der Staatsregierung zurück. Die CSU hatte unter dem wirtschaftsliberalen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in den 2000er-Jahren mit einem Kahlschlag bei der Jugendarbeit begonnen, sogar die Trachtler blieben nicht verschont. Tausende junge Ehrenamtler gingen damals auf die Straße. Zellmeier kämpfte damals konsequent für die Rücknahme dieses Teils der Sparmaßnahmen.
Dabei ist der Mann, der aktuell an der Spitze des Haushaltsausschusses steht, keiner, der das Geld verprasst. So fährt der Jurist, der früher in der Finanzverwaltung arbeitete, einen spritsparenden Kleinwagen – und das in einer Gegend, in der dicke Luxus-Limousinen wegen der Nähe zum größten bayerischen BMW-Werk in Dingolfing für Politiker beinahe zum Standard-Inventar gehören. „Ich halte nichts von Statussymbolen“, sagt Zellmeier.
Noch immer betreibt Zellmeier, der mit 47 Jahren heiratete und einen fünfjährigen Sohn und eine einjährige Tochter hat, den örtlichen Edeka, den er einst von seinen Eltern übernommen hat. Da steckt viel Arbeit drin. „Wenn man selber nicht mitarbeiten kann, bleibt in der Jahresbilanz meistens nur ein kleiner Gewinn. 2017 hatten wir sogar rote Zahlen“, sagt der Politiker. Den Laden also besser schließen? „Kommt nicht in Frage, solange wir nicht dauerhaft draufzahlen. Das ist das letzte Lebensmittelgeschäft in meinem Heimatort“, erzählt der Christsoziale, der auch vertriebenenpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Seine Mutter war 1946 aus der Slowakei verjagt worden.
Ein ums andere Mal spricht Zellmeier an diesem Tag von „Heimat“. Etwa, als er vor dem Festzelt steht und mit dem Finger in Richtung der nahegelegenen Gäubodenkaserne deutet. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 stand hier eine für bis zu 5000 Menschen ausgerichtete Zeltstadt. Manche in der Region fürchteten angesichts der massenhaften Migration jener Zeit um den Charakter ihrer Heimat.
Auch Zellmeier ist Anhänger einer strikten Begrenzung der Zuwanderung. „Man darf die Bevölkerung nicht überfordern“, findet er. Was sonst passiere, habe seine Partei zu spüren bekommen. Um über zehn Prozent sackte sie im Vergleich zu 2013 im Stimmkreis Straubing bei der Landtagswahl 2018 ab – auf nur mehr 44,4 Prozent. Immerhin: Zellmeier kam mit über 46 Prozent aller Erststimmen auf das zweitbeste Ergebnis aller niederbayerischen CSU-Kandidaten. Anderswo in der früheren heimlichen Herzkammer der Schwarzen sackte die CSU teils auf unter 40 Prozent ab, Kehlheim hätte man sogar beinahe an die Freien Wähler verloren. Schuld an der Misere war aus Zellmeiers Sicht vor allem die damalige Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Er forderte schon früh, die Zuwanderung von Flüchtlingen stärker zu regulieren. Entgleisungen, wie sie teils sogar aus der Parteispitze kamen, wie etwa der Euphemismus vom „Asyltourismus“, hörte man von ihm jedoch nicht. Am Vormittag hatte er den Festgottesdienst im Zelt besucht. „Erst die Mess´, dann die Maß“, hatte der Pfarrer gescherzt. Zellmeier geht regelmäßig in die Kirche.
Was Papst Franziskus wohl zur CSU-Flüchtlingspolitik sagen würde, fragt man sich unweigerlich. In anderen gesellschaftlichen Punkten dürfte die beiden dagegen kein Blatt trennen. Als er am Nachmittag bei einer Oldtimer-Rallye mit einem von seinen ostdeutschen Verwandten geschenkten Trabbi durch die malerischen Hügel der Ausläufer des Bayerischen Waldes knattert, sagt er: „Die AfD ist nicht nur wegen der Flüchtlingspolitik groß geworden.“ Viele Leute regten etwa die übertriebenen „Gender-Regulierungen“ auf. Von Schwarz-Grün hält er nichts.
Er betreibt in seinem Heimatort den Edeka
Die CSU solle ihre Umweltpolitik auch nicht auf Kosten der Bauern machen. Als Ministerpräsident Markus Söder noch über die Forderungen des „Rettet die Bienen“-Volksbegehrens hinausging, machte Zellmeier mit anderen Abgeordneten gegen Söder wichtige Punkte mobil – am Ende verlor er.
Bei der Oldtimer-Rallye fährt er zunächst hinter einem Porsche her. Doch später bleibt sein Trabbi mehrfach stehen. Aber Zellmeier gibt nicht auf. Helfer schieben ihn an. Der Motor knattert, er fährt weiter, schaltet einen Gang hoch.
Die Fahrt erinnert an seine politische Karriere. Im März war er als Baustaatssekretär ins Kabinett berufen worden. Nach der Wahl verloren er und mehrere andere CSU-Politiker ihre Posten an die Freien Wähler. In der Region nehmen das manche Söder übel. „Ein großer Fehler“, sagt ein Feuerwehrler beim Fest in Feldkirchen. Ein Lächeln huscht Zellmeier über das Gesicht.
Wer mit ihm bei einer Großveranstaltung in seiner Heimat unterwegs ist, kommt kaum voran. Würde er an diesem Tag einen Euro pro Händeschütteln bekommen, er wäre wohl bald reich. Nicht einmal der als Schüttel-Schorsch bekannte Ex-Parlamentarier Georg Schmid (CSU) könnte da wohl mithalten. Wegen seines ehrenamtlichen Engagements kennt man ihn. „Er ist einer von uns“, sagt einer. Mehrfach loben Festbesucher seine Verlässlichkeit und sein stets offenes Ohr. „Auch als er Staatssekretär war, konnte man ihn, wenn es einmal Probleme vor Ort gab, immer auf dem Handy anrufen“, lobt Feldkirchens CSU-Bürgermeisterin Barbara Unger. Zellmeier bleibe auch, wo andere nach dem Grußwort sofort gehen, oft lange da, heißt es unisono.
70 bis 80 Stunden pro Woche arbeitet er nach eigener Aussage pro Woche – tiefe Augenringe verraten, dass das keine Floskel ist. Seine Frau beschwerte sich kürzlich, dass er nie Zeit hat, mit den Kindern ins Schwimmbad zu kommen. Politik hat ihren Preis – das weiß auch Zellmeier.
(Tobias Lill)
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