Landtag

Anton Rittel. (Foto: Thorsten Stark)

11.10.2024

Der Hufschmied

Im Porträt: Der Freie-Wähler-Abgeordnete Anton Rittel

Seine Landtagskarriere begann für Anton Rittel gleich mit einem Riesenärger: Mit dem ersten Satz seiner ersten Rede im Plenum hätte sich der Freie-Wähler-Abgeordnete aus Adelsried im Landkreis Augsburg nämlich beinahe seine erste Rüge eingehandelt. Rittel hatte nach einer durchaus prorussischen Rede der in Russland geborenen AfD-Abgeordneten Elena Roon gesagt: „An meiner Vorrednerin merkt man schon, dass die Integration nicht so gelungen ist.“ Man kann sich die Aufregung in der AfD-Fraktion vorstellen.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kündigte denn auch an, dass das ein Nachspiel haben werde. Aus Mitleid mit dem Landtagsneuling verzichtete Aigner dann darauf, ihn offiziell zu rügen. Der 57-Jährige versichert, er habe nicht auf den hörbaren Akzent der AfD-Abgeordneten abgezielt, sondern auf den Inhalt ihrer Rede. „Für mich gehört zur Integration nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken. Darauf habe ich das bezogen.“ Nun ja – klar, dass die AfD dennoch nicht erfreut war. Jedenfalls gab es persönliche Gespräche Rittels mit Aigner wie auch mit Roon.

Er komme mit allen Abgeordneten gut aus, betont Rittel – auch mit denen der AfD und auch mit Elena Roon. „Die sind demokratisch gewählt worden“, sagt Rittel. Er müsse mit ihnen politisch nicht auf einer Wellenlänge sein, aber er pflege schon einen normalen Umgang mit AfD-Leuten.

Zur Politik kam er, weil er sich über das Gebaren der in den Gemeinderat von Adelsried gewählten Personen geärgert hatte. Also kandidierte er selbst – für die Freien Wähler. Bei der CSU habe ihn die Parteistruktur abgeschreckt, sagt Rittel. 2016 zog er, als Nachrücker, in den Gemeinderat ein und wurde alsbald auch Kreisvorsitzender. Die Landtagskandidatur war für ihn der nächste logische Schritt. Und im ersten Anlauf wurde er in das Gremium gewählt.

Der gelernte Hufschmied legt Wert darauf, kein Standard-Abgeordneter zu sein. Nach einem Jahr im Landtag habe er sich zwar an die Abläufe gewöhnt. „Aber nicht alle haben sich an mich gewöhnt“, sagt er mit breitem Grinsen. „Ich sage, was ich denke.“ Damit komme nicht jeder klar. „Aber bei mir weiß man immer, woran man ist.“

So gibt er offen zu, dass er alles andere als froh war, zum Fraktionssprecher für Arbeit und Soziales ernannt worden zu sein. „Eine vollkommene Enttäuschung“, bekennt er. Er wäre als selbstständiger Handwerksmeister lieber Sprecher fürs Handwerk geworden – aber die Liste der Interessenten dafür war lang, und der Neuling musste sich hinten anstellen.

Inzwischen hat er sich aber mehr als nur arrangiert mit der ihm zugeteilten Rolle. Rittel sagt: „Da kann ich auch gut mitreden.“ Sein Steckenpferd: die Kindergärten. Wenn es darum geht, lässt sich der Abgeordnete auch nicht von altgedienten Beamt*innen beeindrucken. In der Diskussion um eine mögliche Änderung der Ausbildung des Kindergartenpersonals lieferte sich Rittel schon mehrere Wortgefechte mit einem Ministerialbeamten – und blieb hartnäckig.

Denn Rittel ist davon überzeugt, dass die Ausbildung reformiert werden muss, weg von Berufsfachschulen und hin zum dualen System, wie es in vielen anderen Berufen völlig normal ist. So, glaubt Rittel, werde man das Personalproblem in der Kinderbetreuung in den Griff bekommen. Außerdem fordert er, die Kommunen nicht mit den Defiziten der Kitas alleinzulassen. Und: Das letzte Kindergartenjahr müsse verpflichtend für alle sein. Nur so, davon ist er überzeugt, ließen sich Lernschwächen bei Grundschulkindern verbessern. 

Bei Kritik duckt sich Rittel nicht weg. So hatte er auf Facebook ein Bild von der mehrtägigen Informationsreise des Sozialausschusses nach Japan gepostet. Eine Frau fragte dann, ob diese Fernreise angesichts klammer öffentlicher Kassen nicht völlig unangebracht sei. Rittel antwortete ausführlich. „Das war ja eine berechtigte Frage“, meint Rittel. „Aber im Nachhinein sage ich: Ja, die Reise war angebracht.“ Er und die anderen hätten einiges dazugelernt. Das Land, das noch stärker als Deutschland mit der Überalterung der Gesellschaft zu kämpfen hat, verfügt mit über die höchste Lebenserwartung – dabei gilt das Gesundheitssystem als eines der schlechteren weltweit. Da müsse man sich schon fragen, was Japan richtig mache und warum die Leute dort so alt werden, sagt Rittel.

„Niemand übernimmt mehr Eigenverantwortung“

Und, woran liegt es? Rittel vermutet einen Zusammenhang zur Regelung, dass die Krankenkassen in Japan nur 70 Prozent der Behandlungskosten übernehmen. Also habe der einzelne Mensch ein stärkeres Interesse daran, auf seine Gesundheit zu achten. „Bei uns übernimmt niemand mehr Eigenverantwortung“, kritisiert er. „Irgendjemand muss das alles auch bezahlen.“

Was ihn in Japan ebenfalls beeindruckte: der Verkehr in der Hauptstadt Tokio. Es fuhren fast nur Taxis auf den Straßen, keine Privatautos – und es gab einen öffentlichen Nahverkehr, nach dem man die Uhr stellen konnte. Interessant fand Rittel auch, dass es keine öffentlichen Mülleimer in Tokio gibt, aber auch kein Müllchaos. Was man an Müll produziert, nimmt man auch wieder mit nach Hause.

Was er nicht erleben will, ist eine Situation wie in den japanischen Pflegeheimen. Wegen des Personalmangels werden dort alte Menschen vor allem digital überwacht. „Da fehlt der körperliche Kontakt.“

Er selbst macht übrigens keinen Sport, wie er zugibt. Aber bis April arbeitet er in seiner freien Zeit noch weiter als Hufschmied. Nach 30 Jahren Selbstständigkeit wollte er die alten Kunden nicht hängen lassen – Hufschmiede gibt es schließlich nur noch wenige in Bayern. Danach übernimmt sein 28-jähriger Sohn. 

Die restliche Freizeit verbringt Rittel mit seiner Frau, einer Zahnarzthelferin, und seinen zwei Töchtern (6 und 9 Jahre alt). Und ab und zu spannt er eines seiner 14 Pferde vor die Kutsche und fährt von seinem Hof in den Wald. Da kann er abschalten – und Energie tanken für den Landtag. (Thorsten Stark)
 

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