25 Jahre: So lange sitzt der SPD-Abgeordnete Harald Güller schon im Landtag. Der 56-jährige Augsburger zählt damit zum sehr überschaubaren Kreis der Altgedienten im Parlament. Das wusste selbst Ministerpräsident Markus Söder zu würdigen, der Güller nach der Landtagswahl im vergangenen Herbst mit den Worten begrüßte: „Na Güller, altes Schlachtross, auch wieder da?“ Tatsächlich zogen die beiden im selben Jahr – 1994 – ins Maximilianeum ein. Wo die Juristen Söder und Güller relativ rasch Karriere machten.
Mit dem Unterschied freilich, dass Söder nach seiner Generalsekretärszeit sogleich Regierungsverantwortung übernahm, während SPD-Mann Güller sich mit einem der raren Top-Jobs der Opposition zufriedengeben musste: Als Parlamentarischer Geschäftsführer war es ab dem Jahr 2000 lange Zeit seine Aufgabe, die Politik der SPD-Fraktion zu steuern und zu koordinieren, sich abzustimmen mit den SPD-Fraktionen anderer Landtage und den Kollegen im Bundestag. „Regieren wäre natürlich deutlich besser gewesen“, bilanziert Güller.
Zu seinen Aufgaben als Parlamentarischer Geschäftsführer zählte auch das Disziplinieren von Fraktionskollegen – etwa wenn es darum ging, bei namentlichen Abstimmungen im Landtag sicherzustellen, dass die Kollegen im Plenarsaal präsent sind, statt irgendwo Kaffee zu trinken. „Ich hab da noch immer jeden gefunden“, entsinnt sich Güller, schränkt aber ein, dass er sich als Fraktionsbändiger „nicht nur Freunde gemacht“ habe.
Offenbar hat er seinen Job gut erledigt. Denn selbst als er wegen des SPD-Wahlergebnisses 2003 aus dem Parlament gekegelt wurde – die CSU hatte damals die Zweidrittelmehrheit erobert –, holte ihn die SPD als Strategen an Bord: Von 2003 bis 2008 fungierte Güller als Fraktionsgeschäftsführer. Nach der Wahl 2008 kehrte er in den Landtag zurück, wurde erneut Parlamentarischer Geschäftsführer – und wäre es wohl heute noch, wenn er nicht über die Verwandtenaffäre gestolpert wäre, die 2013 zahlreiche Abgeordnete die Karriere gekostet hatte.
Leider versetzte die Verwandtenaffäre seiner Karriere einen Dämpfer
Damals war bekannt geworden, dass insgesamt 79 bayerische Abgeordnete eine Übergangsregelung genutzt hatten, die es ermöglichte, Verwandte sowie Ehepartner als Mitarbeiter auf Staatskosten zu beschäftigen, was seit dem Jahr 2000 verboten war. Während einige CSU-ler, darunter Regierungsmitglieder, im Rahmen der Verwandtenaffäre über die Jahre sechsstellige Summen an Angehörige gezahlt hatten, wirkt Güllers Lapsus eher gering: Es ging um 7500 Euro, die er 2009, also nach Ablauf der Übergangsregelung, an den Sohn seiner Frau aus deren erster Ehe gezahlt hatte. Güller argumentierte damals formaljuristisch, er habe nicht gewusst, dass er mit dem Sohn seiner Frau verwandt sei. Genutzt hat ihm das nichts. Kurz vor der Landtagswahl 2013 konnte seine Partei keine Negativschlagzeilen brauchen, Güller trat als Parlamentarischer Geschäftsführer zurück. „In der heißen Wahlkampfzeit“, sagt Güller heute, „gibt’s keine Grautöne, da gibt’s nur Schwarz und Weiß.“
Derzeit fungiert er als haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Wäre die SPD, wie früher üblich, auch heute noch zweitstärkste Kraft im Landtag, würde Güller damit zugleich als Vizechef des mächtigen Haushaltsausschusses fungieren. Ein schöner und prestigeträchtiger Posten, den er von Mitte 2016 bis Herbst 2018 innehatte. Wegen der aktuellen Mehrheitsverhältnisse sitzen dem Gremium jetzt CSU und Grüne vor. Sein Job, beteuert Güller, bereite ihm dennoch Spaß. Tatsächlich laufen im Haushaltsausschuss die Fäden der Parlamentsarbeit zusammen – hier wird Geld verteilt, mithin also Politik gemacht. Sachpolitik steht im Vordergrund, parteipolitische Scharmützel treten auch mal in den Hintergrund.
Im Untersuchungsausschuss machte er eine gute Figur – zum Leidwesen der CSU
So erinnert sich Güller gern an die Reise, die der Haushaltsausschuss im Rahmen der Konzertsaal-Pläne von Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer unternahm. Im November 2017 wollten sich die Finanzpolitiker des Landtags selbst ein Bild davon machen, wie zeitgemäße Konzertsäle konstruiert sind, und sahen sich dazu einige europäische Bauten an, etwa in Paris und Luzern. Die Abgeordneten befanden, dass man Seehofers Eifer etwas bremsen müsse, und verweigerten deshalb einen siebenstelligen Betrag. Damit nicht bei der Planung schon mal Fakten geschaffen würden. „Wir waren uns weitgehend einig, dass man erst mal ein klares Konzept braucht“, erzählt Güller.
Als Jurist stand Güller im Landtag auch an der Spitze zweier Untersuchungsausschüsse, als erster bayerischer Oppositionspolitiker überhaupt sogar in der Funktion des Vorsitzenden: Von 2001 bis 2002 saß er dem Untersuchungsausschuss Schreiber vor. Dieser prüfte den Vorwurf unerlaubter Einflussnahme der bayerischen Staatsregierung und der Generalstaatsanwaltschaft in Bayern auf strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber oder den Sohn von Ex-Ministerpräsident Franz Josef Strauß, Max Strauß.
Als Student war ihm selbst die Juso-Hochschulgruppe zu konservativ
Von 2010 und 2011 fungierte er als Vizevorsitzender des Landesbank-Ausschusses. Auch hier schlug sich Güller ausgezeichnet – sehr zum Leidwesen von CSU und Staatsregierung. „Der hat das sehr gut gemacht“, entsinnt sich ein Ministerialer, der Güller damals erlebte. So bügelte der juristisch versierte SPD-Mann manchen CSU-Protest über unzulässige Oppositionsfragen einfach ab – mit Erfolg.
Politisch ordnet sich Güller eher dem linken SPD-Spektrum zu. Als Student war ihm selbst die Juso-Hochschulgruppe zu konservativ, weshalb er auf der linken Liste kandidierte. Die Ideen des SPD-Linken und amtierenden Juso-Chefs Kevin Kühnert findet er trotzdem nicht zu 100 Prozent super. Dessen Forderung etwa, Wohnungsbaugesellschaften zu verstaatlichen, sei „schlicht falsch“, stellt Güller klar. Fügt aber hinzu, dass Kühnert ansonsten ganz vernünftig sein könne.
Auch die Große Koalition will Harald Güller nicht hopplahopp beenden. Deren Bilanz sei nämlich gar nicht so schlecht, die Außenwirkung indes schon. Neuwahlen seien nicht die Lösung, glaubt Güller: „Es würde dann mindestens ein Vierteljahr, wahrscheinlich ein halbes Jahr Stillstand in der Republik herrschen, und es ist auch unklar, ob danach die Mehrheitsverhältnisse völlig anders wären.“
Ein bekennender Schweinsbratenesser
Persönlich gilt der frühere Verwaltungsjurist als umgänglich, selbst CSU-Leute schätzen seine joviale und humorige Art – und seine Liebe zur bayerischen Gemütlichkeit. Der Augsburger ist bekennender Schweinsbratenesser; Salatblätter, Gemüse und ähnliche Gesundkost verschmäht er mit Nachdruck.
Zu seinen Leidenschaften zählt neben Fußballgucken und Skilaufen das Motorradfahren. Vor Kurzem hat er sich eine neue Maschine geleistet: eine schwarze BMW R 1200 RS. Damit unternimmt der 56-Jährige ausgedehnte Touren – zuletzt sechs Tage in die Abruzzen. Ja klar, das strenge auch an, räumt er ein. Aber genau das trage zur Entspannung bei: „Man muss sich total konzentrieren, denkt an nix anderes, und das Handy ist nicht auf Empfangsmodus.“ Danach kann man umso erholter zurückkehren in die politische Arena. (Waltraud Taschner)
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