Manchmal ist Politik wie Kindererziehung: Jahrelang kümmert man sich super um den Nachwuchs, aber in Erinnerung bleibt später ausgerechnet dieser eine Tag, an dem man die Kids zu spät aus der Grundschule abgeholt hat. Ähnlich erging es dem Augsburger Landtagsabgeordneten Andreas Jäckel (CSU). Der 57-Jährige zog 2018 ins Maximilianeum ein und sitzt mittlerweile in drei beziehungsweise als stellvertretendes Mitglied sogar in vier Ausschüssen und zusätzlich für seine Fraktion in neun weiteren Gremien. Das ist für eine 82-köpfige Regierungsfraktion durchaus sportlich.
Trotzdem: Medial ist Jäckel vielen Menschen in Bayern vor allem durch seinen Fauxpas im Dezember 2020 in Erinnerung geblieben. Damals saß er mit dem damaligen Wissenschaftsminister Bernd Sibler, der ehemaligen Bauministerin Kerstin Schreyer sowie den Abgeordneten Petra Loibl und Harald Kühn (alle CSU) ohne Maske in der Gaststätte des Maximilianeums zusammen. Zu Zeiten der Corona-Krise alles streng verboten. „Das war natürlich ein Fehler“, sagt Jäckel. Das Wichtigste sei, mit solchen Fehltritten transparent umzugehen und daraus zu lernen.
Seither geriet er zwar nicht mehr in die Schlagzeilen – aber eben auch nicht im Positiven. Das liegt seiner Meinung nach an den Themen, für die er sich einsetzt: zum Beispiel Schutzwohnungen für von Gewalt betroffene Männer, die Stiftung Obdachlosenhilfe oder bessere Beratungsangebote für queere Menschen auf dem Land. Darüber, bedauert Jäckel, werde in den Medien kaum berichtet. Obwohl die CSU neben der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik, wie er findet, auch in diesem Bereich stark sei. „Wir sind beides“, meint er: „Traditionell und offen.“
Geboren ist Jäckel 1965 in Augsburg. Obwohl er aus einem unpolitischen Nichtakademiker-Elternhaus kommt, beschreibt der Abgeordnete seine Jugend wegen der Debatten zwischen Franz Josef Strauß (CSU) und Helmut Schmidt (SPD) beziehungsweise der aufkommenden Grünen-Bewegung als „politisch aufgereizt“. Wie es der Zufall wollte, machte er sein Abitur am Humanistischen Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg gemeinsam mit Markus Ferber. Der sitzt heute für die Christdemokraten im Europäischen Parlament. Und einer seiner Lehrer war Gerhard Waschler, der dem Landtag seit 2013 für die CSU angehört.
Nach der Schule entschied sich Jäckel gegen ein Studium. „Ich war am Lernen nur überschaubar interessiert“, sagt er und lacht. Vor seinem Abschluss als Sparkassenfachwirt beziehungsweise Sparkassenbetriebswirt absolvierte er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. „Da ich für eine wehrhafte Demokratie eingetreten bin, kam ein Ersatzdienst für mich nicht infrage“, erklärt er. Die aktuelle Debatte über die Wehrpflicht hält er dennoch nicht für zielführend. Erstens reiche dafür die aktuelle Infrastruktur wie zum Beispiel Kasernen nicht aus. Zweitens entziehe man damit dem Arbeitsmarkt die dringend benötigten Fachkräfte, glaubt er.
Mit seiner politischen Karriere ließ sich Jäckel lange Zeit. Erst zehn Jahre nach seinem Eintritt in die CSU wurde er Vorsitzender des Ortsverbands Haunstetten, elf weitere Jahre später Stadtrat in Augsburg. „Für mich war Politik eher ein leidenschaftliches Hobby“, sagt er. Niemals habe er damit Geld verdienen wollen – im Gegenteil. Politische Unabhängigkeit stand für ihn bei der Berufswahl immer an erster Stelle. Über 30 Jahre war er daher bei der Sparkasse im Einsatz. Erst als die Nachfolge seines Vorgängers im Landtag, Bernd Kränzle, 2018 zur Disposition stand, entschloss er sich für einen „geistigen Seitenwechsel“.
Neben dem Arbeits- und Sozialausschuss gehört Jäckel dem Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes sowie dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst an. Letzterer war für den Augsburger ein langersehntes Ziel. „Ich war schon immer ein kulturinteressierter Mensch“, erläutert er. Seit 2007 ist er nun auch Bezirksvorsitzender im Arbeitskreis Hochschule und Kultur der CSU Augsburg, seit 2008 als Augsburger Stadtrat im Kulturausschuss.
„Die Politik ist partnerschaftsfeindlich“
Jäckel sieht sich politisch eher als Teamplayer. Andererseits habe er auch „den Drang zum Tor“, sonst säße er nicht im Landtag. Fühlt er sich für einen höheren Posten berufen, wenn er dieses Jahr wieder ins Maximilianeum gewählt wird? „Die Poleposition ist ja gerade besetzt“, sagt er und grinst. Geplant habe er nichts, ausschließen will er aber auch nichts. Sollte es mit der Wiederwahl klappen, plant er, sich verstärkt für das Thema Barrierefreiheit einzusetzen. Als einen seiner größten politischen Erfolge nennt er den neuen Aufzug im Augsburger Schaezlerpalais, durch den die Kunstsammlung jetzt auch für behinderte Menschen besuchbar ist.
Jäckel ist kinderlos und nicht verheiratet. „Politik ist aus meiner Sicht partnerschaftsfeindlich“, erläutert er. In seiner Freizeit sitzt der 57-Jährige gern im Kaffeehaus. Seine Großmutter war Wienerin, die Leidenschaft für Kaffee und Kuchen kommt vermutlich von ihr. „Wobei ich den Kaffee oft weglasse“, räumt er augenzwinkernd ein. Außerdem reist Jäckel gern – vor allem mit der Bahn. Am Wochenende ist er in der Karnevalshochburg Köln. Beim Sport ist er aus Sorge vor Verletzungen vorsichtiger geworden. Aber er walkt vor Sitzungen gern an der Isar.
Was Jäckel im Leben noch ein großes Anliegen ist: möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, ihr Geld in kulturelle Stiftungen zu investieren. Sofern sie am Lebensende noch genug haben. „Die Kultur ist immer unterfinanziert, selbst wenn die Politik die Zuschüsse erhöht.“ Er selbst hat das auch vor. Natürlich seien auch soziale Einrichtungen, Krankenhäuser und Pflegeheime wichtig. Doch die Kultur dürfe nicht vergessen werden. „Musik“, schwärmt Jäckel, „ist nun mal die schönste Sprache der Welt.“ (David Lohmann)
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