Die Antwort auf die korrekte Anrede kommt, ohne zu überlegen: „Franz Josef“. Franz Josef Pschierer legt Wert auf seinen zweiten Vornamen. Für einen CSU-Politiker ist das verständlich, sollte man meinen. Zumal Pschierer vor gut 40 Jahren tatsächlich wegen Franz Josef Strauß in die Partei eingetreten ist. Dabei stand der CSU-Säulenheilige bei der Namensgebung gar nicht Pate. Vielmehr war es so, dass er 1956 in einem Ordenskrankenhaus zur Welt gekommen ist, erzählt Pschierer. Die Geburtsschwester habe seine Mutter gefragt, wie der Bub denn heißen solle. „Franz“ habe sie geantwortet. Worauf die Ordensfrau gemeint habe: „Machen’S doch noch ein Josef dazu!“ Die Sache mit Strauß kam erst viel später.
Vom katholischen Kreißsaal ging es für Pschierer ans katholische Gymnasium der MaristenSchulbrüder in Mindelheim. Weil das Kolleg für den Fahrschüler aus einem Dorf im Unterallgäu das einzige in Reichweite war. Nach dem Abitur stand der Wehrdienst an, den er auf zwei Jahre mit der Ausbildung zum Reserveoffizier am Standort Memmingen verlängerte.
In dieser Zeit entdeckte Pschierer in der Zeitung die Ankündigung eines Wahlkampfauftritts des CSU-Chefs Strauß in Mindelheim. Er sei „interessehalber“ hingefahren und habe einen Politiker erlebt, „den es heute nicht mehr gibt und vielleicht auch gar nicht mehr geben kann“. Klare, pointierte Aussagen, kraftvolle Sprache – so erinnert sich Pschierer. Politik sei damals im positiven Sinn streitbarer gewesen, nicht „in einer Art Konsenssuppe gefangen“ wie heute. Strauß habe Orientierung gegeben.
Als frischgebackenes CSU-Mitglied nahm Pschierer an der Uni Augsburg ein Studium der Politik- und Sozialwissenschaften auf. Zunächst habe er mit dem Gedanken gespielt, Gymnasiallehrer zu werden, doch davon habe ihm die Familie abgeraten. Er wäre für den Lehrerjob nicht geduldig genug, habe es geheißen. Wer Pschierer heute so in sich ruhend sitzen sieht, mag das nicht glauben. Die Zeit in der seinerzeit beschaulichen Hochschule nahe der Heimat habe er genossen, und die „große weite Welt“ habe ihm das Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Seminaren in Köln, Bonn oder Brüssel geöffnet.
Der Start ins Berufsleben führte Pschierer zur schwäbischen Handwerkskammer in Augsburg. Er hatte sich dort auf eine Stelle im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beworben. Später wechselte Pschierer in die Redaktion der Handwerkszeitung, wo er zum Vize-Chefredakteur aufstieg.
Politisch nennt sich Pschierer einen „Spätberufenen“. Eine klassische Parteikarriere hat er nicht gemacht. So war er selbst überrascht, als ihm vor 30 Jahren der Ortsvorsitz in Mindelheim angetragen wurde. Aktiv bemüht hat er sich erst 1994: um das Direktmandat in seiner Allgäuer Heimat, und das mit Erfolg. Im Landtag wurde die Karriere Pschierers dann doch noch klassisch. Einfacher Abgeordneter zuerst, dann Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und 2008 Berufung zum Staatssekretär im Finanzministerium. 2013 wechselte er ins Wirtschaftsressort. Auf die Frage, ob im Frühjahr 2018 die Beförderung zum Minister die Krönung seiner politischen Laufbahn gewesen sei, bekennt Pschierer: „Ja, das war es.“
Seine Hobbys: Posaune spielen und Schafkopfen
Schon ein halbes Jahr später folgte die Ernüchterung. Pschierer war raus aus dem Kabinett. Das Ergebnis der Landtagswahl zwang die CSU in die Koalition mit den Freien Wählern – und die griffen überraschend auf das Wirtschaftsministerium zu. „Da war mir klar, dass die Luft für mich dünn wird“, sagt Pschierer und schnauft durch. Dazu kam, dass Ministerpräsident Markus Söder sein Kabinett jünger und weiblicher formen wollte.
Ganz loslassen kann er nicht. Zwar sei er bewusst nicht in den Wirtschaftsausschuss zurück, sondern habe sich für Wissenschaft und Kunst entschieden. „Ich wollte den Eindruck vermeiden, dass ich irgendwie nachtarocke.“ Aber natürlich beobachte er seinen Nachfolger Hubert Aiwanger. Zu dessen Arbeit will er sich öffentlich nicht äußern – zumindest noch nicht. „Vielleicht kommt der Moment noch“, meint Pschierer und fügt an, dass die Zurückhaltung manchmal schwerfalle. „Es juckt schon gelegentlich, etwas kritisch zu kommentieren“, bekennt er. Den Phantomschmerz lindert ein wenig sein neuer Posten als Chef der Mittelstandsunion. Denn: „Ich war immer Wirtschafts- und Finanzpolitiker mit Leidenschaft.“
Womit man beim großen Thema Pschierers wäre: der Leidenschaft. „Politik als Beruf ist zu wenig, es braucht dafür Herzblut und Leidenschaft“, sagt er. Wer Politik nur als Job begreife und mit dem Kopf betreibe, der könne das auch Computern und Rechenzentren überlassen. „Ohne Leidenschaft wird Politik austauschbar“, ist sich Pschierer sicher. Deshalb habe er als engagierter Liberal-Konservativer auch Respekt für leidenschaftliche Sozialdemokraten oder Grüne, die die Frage der Nachhaltigkeit unseres Tuns stellten. Seine Leidenschaft für Politik und die Menschen äußert sich bei Pschierer auch in Form von Geselligkeit. Er will das positiv verstanden wissen, nicht als Anbiederei. Ihm ist wichtig, das Leben auch zu genießen. Auch das faszinierte ihn an Strauß. „Der Bürger hat ein Recht auf Politiker, die nicht jeden Tag mit einem Gesicht herumlaufen, als müssten sie das Schicksal der Welt alleine tragen“, formuliert Pschierer eine Art Leitsatz.
Seine zweite Leidenschaft gilt der Musik. Von Jugend an spielt er Posaune. Bis Corona kam, stand Pschierer regelmäßig auf der Bühne, so als Mitglied des Ehemaligen-Orchesters „Bobo“. Das steht für Bezirks-Oldie-Blasorchester.
Aber Pschierer wäre kein Vollblut-Politiker, wenn damit nicht auch ein Ehrenamt verbunden wäre: das des Präsidenten des Allgäu-Schwäbischen Musikbunds. Als solcher sorgt er sich um die Zukunft der Laienmusik wegen der Corona-Beschränkungen.
Und was macht der Ex-Minister, wenn er mal keine Pflichttermine hat? „Lesen, Schafkopfen und ein bisschen Wandern in den Allgäuer Bergen“, fasst Pschierer zusammen. Alles mit Leidenschaft natürlich. (Jürgen Umlauft)
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