Landtag

Joachim Hanisch, kommunal- und sportpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Wähler. (Foto: FW-Landtagsfraktion)

01.10.2021

Der Liebenswürdige

Im Porträt: Joachim Hanisch, kommunalpolitischer Sprecher der Freien Wähler

Ausprobiert hat er das Rentnerleben ja schon mal. „War ganz gut“, erklärt Joachim Hanisch und schiebt lachend nach: „In den fünfeinhalb Monaten konnte ich endlich mal meine Unterlagen in Ordnung bringen.“ Hanisch, Freie-Wähler-Urgestein aus der Oberpfalz, war 65, als er 2013 den Wiedereinzug in den Landtag knapp verpasste. Da dachte er sich damals: „Na gut, dann ist damit die große Politik für mich beendet.“ Und doch griff er sofort zu, als Tanja Schweiger kurze Zeit später Regensburger Landrätin wurde: Hanisch rückte im Mai 2014 für sie in den Landtag nach.

Heute ist Hanisch 73 Jahre alt – und statt in Rente noch immer im Landtag. 2018 kandidierte er erneut, „weil die Arbeit dort so viel Spaß machte“, sagt er. Für seine FW-Fraktion ist das ein großes Glück. Sie profitiert von Hanisch’ Erfahrung und klugen Urteilskraft. Und seiner kultivierten Art. Respektvoll und höflich geht Hanisch mit seinen Mitmenschen um, leider keine Selbstverständlichkeit in der Politik. So war er zum Beispiel der Einzige, der 2009 nach dem Fraktionsrausschmiss der einstigen CSU-Rebellin und Kurzzeit-Freie-Wählerin Gabriele Pauli auch ein Wort des Bedauerns fand. Ihre „kreativen Ideen“ werde man vermissen, erklärte er damals.

Vom Rausschmiss Paulis profitierte Hanisch persönlich indes enorm. Er wurde als ihr Nachfolger Chef des Innenausschusses. „Das war das erste Mal, dass den nicht die CSU hatte, und für mich eine große Herausforderung“, sagt Hanisch. Die FW waren damals neu im Landtag. 2008 knackten sie erstmals die Fünfprozenthürde – mit dem fulminanten Ergebnis von 10,2 Prozent.

Das "personifizierte kommunale Gewissen" der Freien Wähler

Anfangs mussten sich die Neuen ganz schön durchbeißen. Nicht nur, weil sie mangels Büros zeitweise auf den Gängen arbeiten mussten. Sondern vor allem, weil man sie erst mal links liegen ließ. „Selbst Bekannte aus der Region, die schon im Landtag saßen, haben kaum etwas über die Arbeitsweise dort verraten“, erzählt Hanisch. Vor allem die CSU behandelte die FW von oben herab. „Jeder zweite Satz war: Na ja, dann sammelt halt mal eine Periode lang Erfahrung“, sagt Hanisch. „Nach dem Motto: Eine zweite schafft ihr ja eh nicht.“

Hanisch aber hat sich als Ausschusschef schnell Respekt verschafft. „Vor allem die kommunalpolitischen Themen fielen mir nicht schwer“, sagt er. Hanisch war vor seinem Landtagseinzug 28 Jahre lang Bürgermeister in Bruck. Stellvertretender Landrat im Landkreis Schwandorf blieb er auch als Abgeordneter – insgesamt 30 Jahre lang. „Seine kommunalpolitische Erfahrung macht ihn bis heute zur Idealbesetzung im Innenausschuss und er ist immer eine Stütze der Fraktion“, schwärmt FW-Fraktionschef Florian Streibl, der 2008 gemeinsam mit Hanisch in den Landtag kam. „Unser personifiziertes kommunales Gewissen“ nennt Tobias Gotthardt, seit 2018 für die FW im Landtag, Hanisch. „Auf seinen Erfahrungsschatz durften auch jüngere Kollegen wie ich immer vertrauen.“ Großen Respekt zollt man Hanisch aber auch in der CSU. Gerade seine Empathie für kleinere Gemeinden und den ländlichen Raum sei bezeichnend, erklärt Manfred Ländner (CSU), Vize des Innenausschusses. Auch schätze er seine „unaufgeregte Art der Diskussion, gerade auch bei unterschiedlichen Standpunkten. Er ist meinungsstark, aber auch kompromissbereit.“

Das Schönste an München? Der Zug in die Oberpfalz!

Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist für Hanisch eine Herzensangelegenheit. „Nach wie vor ist das nicht erreicht.“ Immerhin: 2014 wurden sie als Ziel in die bayerische Verfassung aufgenommen. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt Hanisch. Ebenfalls ein großer Erfolg: die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. An seinem „großen Ziel“, den großen Koalitionspartner davon zu überzeugen, das Wahlalter in kommunalen Bereichen auf 16 abzusenken, arbeitet indes Hanisch noch.

Hanisch, vierfacher Vater, ist auch privat ein Verfechter des ländlichen Raumes. Er mag die Stadt nicht sonderlich. Als er mal gefragt wurde, was das Schönste an München sei, antwortete er: „Der Zug, der in die Oberpfalz zurückgeht.“ Ganz so schlimm sei es zwar nicht, sagt Hanisch amüsiert. Dass zwei seiner Kinder in München leben, gefalle ihm aber gar nicht.

Im Markt Bruck ist Hanisch geboren – und dort wollte er bleiben. Auch deshalb wurde er Verwaltungswirt, so konnte er nach dem Studium 1974 die Geschäftsleitung des Marktes übernehmen. Politisch war er da aber noch nicht aktiv. Erst als die FW ihn 1980 fragten, ob er als Bürgermeister kandidieren wolle, trat er ihnen mit 31 Jahren bei. „Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der aufgrund seiner Erfahrungen im Dritten Reich sehr große Vorbehalte gegenüber Parteien hatte“, erzählt Hanisch. Der Vater, ein Landwirt, kam aus Oberschlesien und hatte in der Heimat alles verloren. In der Oberpfalz arbeitete er dann als Gießer. Heute ist Hanisch überzeugt: „Die Freien Wähler waren das Beste, das mir passieren konnte.“

Auch wenn es bei dieser Wahl nun nicht geklappt hat – Hanisch betont: „Die Freien Wähler müssen langfristig auch in den Bundestag.“ Weil Entscheidungen in Berlin immer öfter die Kommunen betreffen würden, zum Beispiel in der Schulpolitik. Und dass die FW bei Wahlen durchaus auch für Überraschungen sorgen können, hat Hanisch am eigenen Leib erfahren. Für den Landtag kandidierte er 2008 nur, weil man ihn als Oberpfälzer FW-Bezirksvorsitzenden in die Pflicht nahm. „Da lagen wir in den Umfragen bei etwa 3 Prozent“, sagt Hanisch. „Die Gefahr, dass wir reinkommen, hab ich als nicht so groß erachtet.“

Die Landtagsarbeit möchte er heute auf keinen Fall missen, betont Hanisch. Und fit genug für viele weitere Jahre wäre er allemal: Zweimal die Woche geht er laufen, an den anderen Tagen ins Fitnessstudio. Und doch, es wird die letzte Legislatur von Hanisch sein. Im Februar hat er bereits nicht mehr als Fraktions-Vize kandidiert. Auch die Pandemie habe ihn noch einmal darin bestärkt zu sagen: „Jetzt reicht’s.“ Denn sein „Lebensziel nach der Landtagstätigkeit“ sei immer gewesen, viele Reisen mit seiner Frau zu unternehmen, erklärt er. „Man will das ja nicht wahrhaben. Aber ab einem gewissen Alter wird jedem bewusst: Das Leben ist endlich.“ Und immerhin: Der Probedurchlauf fürs echte Rentnerleben lief ja schon mal „ganz gut“.
(Angelika Kahl)

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