Der Eber ist nicht nur das Wappentier von Ebersberg, dem Landkreis, aus dem Thomas Huber stammt. Er ist auch das Wappentier des Grafinger CSU-Landtagsabgeordneten selbst. Am Revers trägt der 47-Jährige gerne einen eigens für ihn kreierten Holzanstecker mit Bayernraute und dem Borstentier. „Mit den Eigenschaften einer Wuidsau kann ich mich gut identifizieren“, sagt Huber und lacht. Der Eber sei ein familienorientiertes Tier und durchsetzungsstark. Aber auch nachtragend. „Und wenn man ihn reizt, kann er gefährlich werden.“
Will man Huber reizen, muss man nur diesen Satz sagen: „Das geht nicht.“ Wenn Leute statt nach Lösungen nach Argumenten suchen, warum etwas nicht geht, nervt ihn das gewaltig. Und dann kann er auch renitent werden. Passiert ist das zum Beispiel bei der Diskussion um eine Amnestieregelung für Flüchtlinge, die gut integriert sind, Deutsch sprechen, arbeiten und ein Dach überm Kopf haben. Huber hat sich schon früh dafür ausgesprochen, ihnen ein Bleiberecht für die Dauer ihrer Tätigkeit zu gewähren. Und dabei gegen erbitterte Widerstände in seiner eigenen Partei gekämpft. Manche CSU-Kollegen bezeichneten ihn als Traumtänzer.
Huber, redegewandt und energiegeladen, sitzt seit 2013 im Landtag, war integrationspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion und Vizechef der Enquete-Kommission Integration. Seit 2018 ist er sozialpolitischer Sprecher und Vizechef des Sozialausschusses im Landtag. Eigentlich sei er ja ein Zahlenmensch, sagt Huber, „ein Fan von betriebswirtschaftlichen Berechnungsmethoden“. Als er sich als Bezirksrat aber mit Themen wie Pflege, psychischen Krankheiten und Behinderung befasste, war er schwer beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit Menschen trotz einer Beeinträchtigung ihr Leben meistern. Huber dachte sich, für diese Menschen müsse man mehr tun – und fand seinen politischen Schwerpunkt. Sein großes Vorbild: der ehemalige Landtagspräsident Alois Glück. Ein Zitat von ihm hat sich Huber sogar zum Lebensmotto gemacht: „Die Ökonomie darf niemals im Gegensatz zur Menschlichkeit stehen.“ Danach versuche er zu handeln.
Seine soziale Ader hat Huber früh entdeckt. Er ist im Vereinsleben und Ehrenamt groß geworden. Noch heute ist er Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und ein begeisterter Trachtler. Der Weg in die Politik war Huber indes nicht vorgezeichnet. „Ich war ein klassischer Spätzünder“, sagt er. Sein Vater war Zimmerer und schickte ihn auf die Hauptschule. Mit 15 Jahren machte Huber den Quali, absolvierte eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Grafing – und merkte: Er wollte mehr. Huber holte die mittlere Reife und das Fachabitur nach – via Abendschule und Telekolleg. Danach studierte er berufsbegleitend. Drei Abschlüsse hat Huber heute in der Tasche: Er ist Verwaltungsfachwirt und Diplom-Betriebsökonom, außerdem hat er einen Master in Business Administration. Und er stieg auch beruflich schnell auf: Zuletzt leitete Huber die Stabsstelle Bildung und Personalentwicklung beim bayerischen Roten Kreuz. Wie er das alles geschafft hat? „Das frage ich mich heute manchmal auch“, scherzt Huber. Seine Antwort: „Ich mag Macher, unterstütze Macher und bezeichne mich selbst als Macher.“
Manchmal ist Huber ein Hitzkopf
Huber hat nicht nur Beruf und Studium zeitgleich geschultert, sondern auch an seinem Aufstieg in der Politik gearbeitet. Mit 23 Jahren wurde er jüngstes Mitglied im Grafinger Stadtrat, 2002 folgte die Wahl in den Kreistag. Seit 2003 vertritt er den Landkreis Ebersberg im Bezirkstag von Oberbayern, und 2015 wurde er Chef des CSU-Kreisverbands Ebersberg. In Stadtrat und Bezirkstag sitzt er bis heute.
Die Politik und er – das war eigentlich ein Zufall, sagt Huber. „Als Trachtler, Feuerwehrler und Lehrbub im Rathaus war ich bekannt wie ein bunter Hund.“ Der Chef der Jungen Union (JU) fragte ihn 1992, ob er mitmachen wollte. Huber zögerte erst. „Ich war ein ungestümer Freigeist.“ Doch dann merkte er schnell: „Man kann tatsächlich was bewegen.“ Gemeinsam kämpften die Jugendlichen gegen den Abriss eines Bolzplatzes – mit Erfolg. Danach ging es schnell: 1993 war Huber bereits stellvertretender Chef und 1996 Chef der JU Grafing. „Die JU-Zeit war die bislang schönste Zeit in der Politik“, schwärmt Huber. „Da habe ich die meisten Erfahrungen gesammelt und mir auch die Hörner abgestoßen.“
Und einige Aufmerksamkeit hat er dabei auch erregt: Einmal zum Beispiel stellte Huber sich mit JU-Kollegen an einen Zaun – so wie man sich nur hinstellt, wenn man dringend bieseln muss. Aus dem Foto, das einer schoss, machten die Burschen eine Postkarte und schrieben darunter: „Mit uns läuft’s.“ Einige regten sich darüber zwar auf, die meisten aber konnten über die Aktion lachen. Weniger lustig, sondern sexistisch fanden allerdings viele das Postkartenmotiv für die Kommunalwahl 2008, über das sogar der Spiegel berichtete. Unter dem Bild einer Frau in schwarzer Spitzenunterwäsche stand www.schwarze-spitze.de. Noch heute erreicht man die JU Grafing unter dieser Webadresse.
Ein anderes Foto von Huber schaffte es 2018 sogar in die New York Times, als Symbolbild für den CSU-Absturz bei der Landtagswahl. Huber blickt mit Frau und Sohn, allesamt in Tracht, im Landtag auf die erste Hochrechnung – und der Schrecken ist ihnen ins Gesicht geschrieben. „Ein Bild von uns ging um die Welt, wenn auch nicht unbedingt das schönste“, sagt Huber amüsiert. „Aber es zeigt auch unseren familiären Zusammenhalt.“
Und es zeigt echte Emotionen. „Ich kann mit meinen Gefühlen nicht gut hinterm Berg halten“, gesteht Huber. „Auch dann nicht, wenn es angebracht wäre.“ Huber ist manchmal ein echter Hitzkopf. „In den vergangenen sechs Monaten habe ich aber etwas Ruhe und Geduld dazugewonnen“, sagt der CSU-Politiker. Gezwungenermaßen. Denn vier Mal hintereinander wurde er am Rücken operiert. Zwei Monate durfte er nur liegen. Eine Tortur – nicht nur für ein Energiebündel wie ihn. Ruhe gegeben hat er aber auch im Krankenbett nicht. Er telefonierte, schrieb E-Mails und Landtags-Anträge. Und war selbst bei Plenarsitzungen live dabei übers Internet. „Überstanden habe ich diese schwere Zeit nur dank meiner Familie und Freunden“, sagt Huber. Auch politischen Freunden, die mit dem Patienten in Kontakt geblieben sind.
Noch ist Huber auf Krücken angewiesen und muss viel liegen, im politischen Alltagsgeschäft aber ist er seit Anfang Dezember wieder zurück. Ein bisschen gelassener ist er vielleicht geworden. Doch seinen großen Optimismus hat er nicht verloren. „Mein ganzes Leben ist eine Aneinanderreihung von glücklichen Zufällen“, sagt er. „Und aus den paar Niederschlägen lernt man.“ (Angelika Kahl)
Foto (Michel Kappeler/dpa): Dieses Bild ging um die Welt: Familie Huber blickt auf die erste Hochrechnung der Ergebnisse der Landtagswahl 2018.
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