Dass ein Landtagsneuling nur wenige Monate nach seiner Wahl eine Fraktion führt, ist ungewöhnlich. Doch der gestandene Oberfranke Holger Grießhammer traute sich die Aufgabe zu – wohl wissend, dass es in der Vergangenheit zu etlichen Konflikten gekommen war, weswegen auch am Ende der bisherige Fraktionschef Florian von Brunn seinen Hut nehmen musste. „Egos gibt’s in jeder Ebene“, sagt Grießhammer und verweist auf seine Erfahrung als Fraktionsvorsitzender im Wunsiedler Kreistag und im Bezirkstag von Oberfranken.
Die Landtagsfraktion traute dem 42-Jährigen aus Weißenstadt im Landkreis Wunsiedel die Aufgabe ebenfalls zu. Einstimmig wählten die 16 Mitglieder Mitte Juli den Maler- und Lackierermeister an ihre Spitze.
Ein knappes halbes Jahr nach dem erstaunlich geräuschlosen Wechsel kann man feststellen: es funktioniert. Die SPD-Fraktion hat jetzt einen anderen Sound in ihrem öffentlichen Auftreten. Rücktrittsforderungen und Angriffe, wie sie Florian von Brunn noch gerne forsch formulierte, sind nicht Grießhammers Sache. Selbst als Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zuletzt wegen des Skandals rund um die Zustände in der schwäbischen Justizvollzugsanstalt Gablingen arg in Bedrängnis geriet, forderte die Fraktion zwar eine vollständige Aufklärung der Umstände, aber nicht den Kopf des Ministers. „Ich bin nicht auf Rabatz aus“, erklärt Grießhammer. „Ich bin ein sachlicher Mensch.“
Er hat auch kein Problem damit, Vorschläge der Regierungsfraktionen zu begrüßen, wenn sie ihm zusagen. Grießhammer nennt das geplante Modernisierungsgesetz – eine Fülle von Maßnahmen zum Bürokratieabbau unter anderem im Baubereich – als Beispiel. „Weiten Teilen können wir zustimmen.“
Neue Töne hört man auch zur Migration. Gerade erst kam ein Positionspapier heraus. Der Titel: „Ja zum Asylrecht, Nein zu dessen Missbrauch“. Darin warnt Grießhammer vor der Überforderung selbst der integrationswilligsten Bürger*innen und den engagiertesten Kommunen. Obergrenzen lehnt die SPD zwar weiterhin ab, erteilt aber auch „weltfremden Open-Border-Träumen“ eine Absage.
Grießhammer nimmt auch die Staatsregierung in die Pflicht: In Rheinland-Pfalz dauere die Abwicklung eines Asylantrags drei Monate, in Bayern dagegen sechs bis neun Monate. Die Zeit müsse reduziert werden. Wenn es ein Bleiberecht gibt, müssten die Menschen schnell arbeiten können. Wird der Asylantrag aber abgelehnt, „dann muss die Rückführung so schnell wie möglich passieren“.
Kein Verständnis hat Grießhammer für nur halbherzige Abschiebeversuche. Ganz oft höre er, dass man nur einmal am Wohnort der Betroffenen vorbeischaue. „Und wenn man die nicht antrifft, dann war es das.“ Grießhammer schüttelt den Kopf. „Da muss ich doch dranbleiben!“
Mit der Politik der bisherigen Ampel-Regierung in Berlin ist Grießhammer tatsächlich zufrieden. Im Rückblick, findet er, werde man vieles positiver beurteilen als jetzt. Etwa die Krankenhausreform, zu der er keine Alternative sieht. Oder den Ausbau der erneuerbaren Energien – und sogar das Bürgergeld. „Der Name wird sicher ganz schnell verschwinden.“ Die Leistung selbst werde aber bleiben. Und an der Lockerung der Schuldenbremse, wie es die SPD gefordert hatte, werde auch kein Weg vorbeiführen.
Werben um Söder als Koalitionspartner
Grießhammer hatte sich schon früh für Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD festgelegt. „Ich schätze ihn als kühlen Strategen“, lobt er. „Man könnte ihm vorwerfen, dass er zu wenig kommuniziert.“ Boris Pistorius wäre für Grießhammer – anders als für viele andere – keine gute Alternative gewesen. „Der ist ein sehr guter Verteidigungsminister.“ Es sei aber nicht gesagt, dass Pistorius auch ein guter Kanzler wäre. Und ob dessen gute Umfragewerte auch noch im Februar Bestand gehabt hätten, sei auch nicht klar.
Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl sehen die SPD in Bayern einstellig. Für die nächste Landtagswahl will Grießhammer seine Partei wieder zu einem klaren zweistelligen Ergebnis führen – und sich dann auch der CSU als Koalitionspartner anbieten. „Wir wollen das Land mitgestalten. Dafür muss man auch regierungswillig sein“, erklärt der Fraktionschef.
Themen hätte er einige: Die angekündigte Kürzung von Pflege-, Krippen- und Familiengeld geht für ihn gar nicht. Mit mehr Finanzkontrollen und damit verbunden deutlich höheren Steuereinnahmen ließe sich die Kürzung aus seiner Sicht locker verhindern. Grießhammer will mehr Investitionen in die berufliche Bildung, mehr Geld für die Kinderbetreuung und mehr Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dazu fordert er ein Ende des Förderdschungels. Stattdessen solle jede Kommune pauschal mehr Zuschüsse vom Staat erhalten.
Grießhammers Interesse an der Politik begann mit dem Bundestagswahlkampf 1998 und Gerd Schröders Einzug ins Kanzleramt. „Ich fand Schröder sehr interessant als Typ“, erinnert er sich. Zwei Jahre später, mit 18 Jahren, wurde Grießhammer SPD-Mitglied. Mit 20 war er bereits Ortsvorsitzender und stieg als Kommunalpolitiker auf. Die Berufspolitik war bald ein Ziel, das er mit dem Einzug in den Landtag auch verwirklichte.
Dabei machte ihm sein eigentlicher Beruf viel Spaß. Durch ein Schulpraktikum entdeckte er den Malerberuf für sich, absolvierte nach dem qualifizierten Hauptschulabschluss eine Lehre und lernte weiter bis zur Meisterprüfung. Seit 2012 ist er selbstständiger Handwerksmeister. Sein Maler- und Lackierbetrieb hatte 14 Beschäftigte. Den praktischen Sachverstand bringt er jetzt im Landtag ein, sei es beim Thema Fachkräftemangel oder bei der Unterstützung des ländlichen Raums.
Entspannung findet der fünffache Vater Grießhammer bei der Gartenarbeit auf seinem Alpakahof. Die Zucht der wolligen Tiere aus Südamerika war ein langgehegter Wunsch, den er sich 2016 erfüllte. Dort lebt er gemeinsam mit seiner Frau, die den Hof mitführt, und den Kindern. Gerne fährt er mit seinem Traktor über das große Grundstück, um es zu mähen – zumindest bis jetzt: „Meine Frau hat einen Mähroboter gekauft“, erzählt Grießhammer. Wegen seines Landtagsmandats habe er ja nicht mehr so viel Zeit, argumentierte seine Frau. Doch Grießhammer ist skeptisch. „Da würde mir was fehlen.“ (Thorsten Stark)
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