Aktionistisches Hopplahopp, das ist so gar nicht sein Ding. Schnell mal eine Forderung raushauen, die vordergründig gut klingt und für Schlagzeilen sorgt: Hans Ritt hasst das. Genauso wie diplomatisch-nichtssagendes Geschwurbel, das Politiker*innen immer dann einsetzen, wenn sie nicht konkret werden wollen – also ziemlich oft.
Der 60-jährige CSU-Politiker Ritt aus Straubing redet gern Tacheles. Und wenn’s um ein Thema geht, das ihn umtreibt, ist er kaum zu bremsen. Dazu zählt zurzeit vor allem die Energiekrise.
Ritt, der im Mai für den zum Landrat gewählten ehemaligen Hochschulminister Bernd Sibler in den Landtag nachgerückt ist, kennt sich aus. Seit 30 Jahren ist er Diplom-Energieberater, noch länger, nämlich 43 Jahre, Kaminkehrer, seit 1994 Kaminkehrermeister mit eigenem Bezirk. Die aktuelle Debatte um fossile Brennstoffe, Kernkraft und den Ausbau der erneuerbaren Energien findet Klartextsprecher Ritt „komplett verlogen“. Auch deshalb, weil Deutschland zwar nach dem Fukushima-Unglück öffentlichkeitswirksam den Ausstieg aus der Kernkraft verkündet hat, aber seither unverdrossen Atomstrom aus Osteuropa zukauft.
Sein Energiekonzept für Deutschland sieht so aus: Statt Wind- und Solarenergie weiter auszubauen, müsse in Speichermöglichkeiten der Ökoenergien investiert werden. Bis dahin sollten die noch vorhandenen AKWs weiterlaufen. Auch Holz, findet Ritt, sei ein prima Energieträger, der nur deshalb in Misskredit geraten ist, weil die Leute falsch heizen: „Wenn man das Holz richtig schichtet und es oben anzündet und nicht unten, entstehen 85 Prozent weniger Feinstaub“, erklärt Kaminkehrermeister Ritt. Die vorhandenen Gasleitungen wiederum, die Bundeswirtschaftsminister Habeck abbauen will, sollten, wenn es nach Hans Ritt geht, unbedingt bleiben. Denn darin, sagt er, „könnten wir Wasserstoff transportieren oder Biogas“. Er ist außerdem ein Fan des sogenannten CNG (compressed natural gas), ein komprimiertes Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht und eine umweltfreundliche Alternative zu Benzin und Diesel sein soll.
Seit 43 Jahren ist er Kaminkehrer
Seit er wieder im Landtag sitzt, ist das seine Mission: die Abgeordneten von seinen energiepolitischen Ideen zu überzeugen. Ritt hatte dem Landtag bereits von 2013 bis 2018 angehört, wegen des schwachen Abschneidens der CSU hatte er nach der Wahl vor vier Jahren allerdings den Einzug in den Landtag verpasst. Damals saß er für seine Fraktion in den Ausschüssen für Eingaben, Umwelt und öffentlicher Dienst. Jetzt gehört er dem Umwelt- und Verkehrsausschuss an – also genau den Gremien, in denen Energiefragen diskutiert werden. Ritt sagt: „Ich habe mir in der Fraktion Gehör verschafft.“
Tatsache ist aber eben, dass die CSU in Fragen der nationalen Energieversorgung nichts zu melden hat.
Dass AKWs länger laufen sollen, ist bei den Christsozialen ohnehin Konsens, ebenso wie die Kritik am geplanten Aus des Verbrenner-Autos. Über den E-Auto-Hype kann sich Ritt gar nicht genug aufregen. Empört verweist er auf den immensen Wasserverbrauch zum Abbau des Leichtmetalls Lithium – „2 Millionen Liter Wasser, um eine Tonne Lithium zu produzieren!“ Und dass der für die E-Autos nötige Kobaltabbau im Kongo mittels Kinderarbeit erfolge, „das klammern wir ebenfalls aus“, klagt der CSUler.
Sein Traum: denNew-York-Marathon laufen
Ob derlei Argumente bei den Grünen und der SPD im Landtag sowie der Berliner Ampel-Koalition irgendwann Gehör finden? Zumindest hat Marathonläufer Ritt einen ziemlich langen Atem – in vielerlei Hinsicht.
Kürzlich hatte ihm ein Freund, der in Spanien lebt, ein Auto abgekauft. Und weil Ritt ein netter Mensch ist, fackelte er nicht lang und fuhr das Mercedes Cabrio selbst nach Gran Canaria – ohne irgendwo zu übernachten. Okay, räumt er ein, wenn ihm zwischendrin die Augen zuzufallen drohten, übernahm seine Frau das Steuer. Die Fahrt dauerte 27 Stunden. Richtig geschlafen hat er dann auf der Fähre.
Während der Marathonfahrt fiel ihm ein weiteres Ärgernis ins Auge: der Zustand der deutschen Fernstraßen. Ritt sagt: „Die Autobahnen sind nirgends so schlecht wie in Deutschland.“ Bemerkenswert ist diese Aussage auch deshalb, weil die CSU auf Bundesebene jahrelang selbst für die Verkehrspolitik zuständig war.
Beckstein animierte ihn dazu, in die CSU einzutreten
In der CSU ist Ritt seit 1989. Den Ausschlag für seinen Parteieintritt gab Günther Beckstein, der damals zu einer Veranstaltung der Kaminkehrer-Gewerkschaft gekommen war. Ritt war beeindruckt davon, wie viel Zeit sich der damalige Innenstaatssekretär Beckstein nahm und wie offen er im Gespräch war. Später engagierte sich Ritt auch kommunalpolitisch, er sitzt seit 2002 im Straubinger Stadtrat.
In den Landtag zog Ritt beide Male über die Liste ein, Aussicht auf ein Direktmandat hatte er nie. Seit die CSU die Spitzenergebnisse früherer Zeiten hinter sich gelassen hat, erleben Listenkandidaten bei Wahlen regelmäßig Zitterpartien. 2023 will Ritt trotzdem wieder antreten. Außerdem hat er eine Mission: „Ich will das Thema CNG voranbringen.“
Seine Tätigkeit als Kaminkehrermeister und Energieberater rückt derzeit etwas in den Hintergrund, aufgeben will Ritt seinen Betrieb aber nicht. Zum einen, weil sein Wiedereinzug in den Landtag alles andere als sicher ist. Zum anderen, weil er es mag, mit den Leuten in Kontakt zu bleiben. Als Kaminkehrer und Energieberater, sagt er, „komme ich mit allen ins Gespräch, mit Reichen und mit Armen“. Das verhindere den Tunnelblick und helfe ihm bei seiner Arbeit als Abgeordneter. Ritt hat aus zwei Ehen insgesamt fünf Söhne zwischen 21 und 34 Jahren; sein jüngster Sohn und sein Neffe kümmern sich zurzeit um den Betrieb.
Durch seine Frau, eine Altenpflegerin, hat Ritt Einblick in eine ganz andere Branche gewonnen. Er sagt: Da gäbe es ebenfalls viel zu tun. Zum Beispiel müsse eine Interessenvertretung für die Beschäftigten her: eine Pflegekammer. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hält er für falsch. Auch deshalb, weil die Impfung, wie sich gezeigt hat, kaum vor Übertragung schützt.
Wenn Ritt mal abschalten will, geht er joggen. Sein sportlicher Traum: den New-York-Marathon laufen. Irgendwann – nach der Politik. (Waltraud Taschner)
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