Mit dem Einzug in den Landtag erlangen die meisten Abgeordneten in ihrer Region einen gewissen Bekanntheitsgrad. Rainer Ludwig (Freie Wähler) hingegen war schon vor seinem Mandat vielen Menschen bekannt – zumindest mit seiner Stimme. 31 Jahre lang moderierte der 61-Jährige bei Radio Plassenburg in Kulmbach den Regionalsport und das Sonntagsmagazin Frühschoppen mit volkstümlichen Schlagern und Golden Oldies. „Die Sendung hatte die höchste Einschaltquote des Senders“, erzählt Ludwig nicht ohne Stolz. Vier Jahre lang kommentierte er auch die Bundesliga-Heimspiele des FC Bayern München im Webradio des deutschen Rekordmeisters. Erst kurz nach der Landtagswahl 2018 meldete er sich vom Mikrofon dauerhaft ab, weil das nicht mehr zu seiner neuen Funktion passte, wie er sagt.
Die Erfahrung merkt man Ludwig im Gespräch an. Der gebürtige Pegnitzer spricht zwar leicht fränkisch gefärbt, aber wie gedruckt – ohne sich ein einziges Mal zu verhaspeln. Seine Sätze formuliert er tadellos. Eine Eigenschaft, die leider nicht alle Abgeordneten besitzen. Begonnen hat alles 1987 mit einer Ausbildung zum Rundfunkjournalisten an der Akademie für Neue Medien in Kulmbach, die er parallel zu seiner Ausbildung zum Bankkaufmann absolvierte. Vorerst blieb die Moderation allerdings nur ein Hobby. Hauptberuflich arbeitete er bei der Sparkasse Kulmbach-Kronach im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, wo er ebenfalls parallel ein Studium zum Kommunikationsfachwirt an der Akademie für Werbung Nürnberg-München absolvierte.
Doch 2014 siegte Herz über Kopf. „Das Jahr war ein markanter Meilenstein in meinem Leben“, erinnert sich Ludwig. Er hängte den Bank-Job an den Nagel und ging dem nach, was ihm wirklich Freude macht: seiner Leidenschaft für Rundfunk, Moderation und Bühne. Kurz darauf machte er sich selbstständig und gründete eine Künstler-, Konzert- und Veranstaltungsagentur. Zusätzlich moderierte er für das Deutsche Musik Fernsehen oder bei Veranstaltungen wie Musikevents oder Modegalas. „Die Arbeit hat mir sehr viel Freude gemacht.“ Das betont er immer wieder. Seine Agentur gibt es noch heute – allerdings nur in abgespeckter Version. Erstens habe die Branche sich bis heute nicht von Corona erholt, erklärt er. Zweitens fehlt ihm durch sein Landtagsmandat die Zeit. Er versucht aber weiterhin, Kunstschaffende an die richtigen Kontakte zu vermitteln.
Mit dem Ausstieg aus dem Bankbusiness begann auch der Einstieg in die Politik. Während seiner Tätigkeit bei der Sparkasse durfte Ludwig sich nicht politisch engagieren. Freunde von ihm waren bei den Freien Wählern. Ihm gefielen die lokale Ausrichtung und heimatliche Identität der Partei. Also beschloss er, sich bei den Kommunalwahlen 2014 aufstellen zu lassen – mit durchschlagendem Erfolg: Ohne politische Vorkenntnisse zog er auf Anhieb in den Kulmbacher Stadt- und Kreisrat ein. 2015 wurde er Vizevorsitzender des Bezirksverbands Oberfranken, 2017 Vorsitzender des Kreisverbands Kulmbach und 2018 Landtagskandidat der Freien Wähler. „Alles ohne Vitamin B oder C“, schiebt er ungefragt ein. „Es hat sich einfach nur mein Engagement in der Kommunalpolitik ausgezahlt.“
Auf seine erste Legislaturperiode schaut der 61-Jährige mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits konnte er als Newcomer „frei Schnauze“ an viele Sachen herangehen. „Ich kannte keine Hintergründe und wusste nicht, wer mit wem verbandelt war.“ Dadurch konnte er sehr pragmatisch sein Ding durchziehen.
Andererseits war die Arbeit als Mitglied im Petitions- und vor allem im Wirtschaftsausschuss sehr zeitaufwendig und herausfordernd. „Manchmal hatte ich schlaflose Nächte, weil ich im Plenum eine Rede zu einem Thema halten musste, das für mich absolutes Neuland war“, gesteht er. Er hat sich aber in alle Felder zuverlässig „eingebissen“. In einer zweiten Legislaturperiode, deren Chancen er vorsichtig optimistisch einschätzt, dürfte das seiner Meinung nach einfacher werden.
Neben seiner Aufgabe als medienpolitischer Sprecher fungiert er als energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion. Und spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist das sehr arbeitsintensiv. Als größte Erfolge nennt er den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und die Änderung der 10H-Regel bei der Windkraft. „Das war im Koalitionsvertrag mit der CSU eigentlich nicht vereinbart“, erklärt er. „Aber durch die Energiekrise konnten wir die Regelung aufweichen.“ Auch für seine Heimat konnte Ludwig viel erreichen. „Er vertritt unsere Interessen in der Landeshauptstadt vorbildlich und hat in München ein etabliertes Standing“, sagte kürzlich der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner (Freie Wähler). So seien durch Ludwigs Einsatz Fördermittel in Höhe von rund 2 Millionen Euro in den Landkreis geflossen.
Ludwig ist als Radio- und Fernsehmoderator bekannt
Sollte Ludwig wieder in den Landtag einziehen, will er energiepolitischer Sprecher bleiben. Die vielen Fotos an der Seite von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger könnten allerdings auf größere Ambitionen schließen lassen. „Nein, da bahnt sich nichts an“, beschwichtigt er sofort. Allerdings sei er „mit Hubert auf einer Linie“. Nur bei Aiwangers Impfverweigerung kritisierte der Abgeordnete seinen Chef öffentlich auf Facebook. „Ich bin immer ehrlich und authentisch“, erklärt er. Das ist jedoch Stärke und Schwäche zugleich. Auf die Füße fiel ihm seine Ehrlichkeit, als er im Gespräch mit einer Frankenpost-Reporterin beiläufig über seinen Blinddarmdurchbruch sprach. „Ich bin dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen“, titelte die Zeitung daraufhin. Dabei wollte Ludwig das Thema gar nicht medial verbreiten.
In seiner Freizeit geht der 61-Jährige gern seinem Faible für Musik nach. Selbst spielt er allerdings kein Instrument. Wenn es die Zeit zulässt, joggt er seine 10 Kilometer oder schnallt sich die Skier an. Auch das Reisen ist seine Leidenschaft. „Ich will unbedingt noch auf Safari ins heiße Afrika und ins kalte Grönland.“
Verheiratet ist Ludwig mit einer gelernten Altenpflegerin. Seit dem 8.8.08 – „um 8:08 Uhr“, präzisiert er und lacht. Sie leben seit 1986 in Kulmbach und haben zwei Kinder aus der ersten Ehe seiner Frau. Ludwig ist zu Recht wichtig, dass das Familienleben trotz seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter sehr harmonisch verläuft. Man brauche eine intakte familiäre Basis, um erfolgreich beruflich arbeiten zu können, betont er. „Wenn das Verständnis fehlt, scheitert am Ende alles.“ (David Lohmann)
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