Landtag

Martin Scharf beim Wacken-Festival mit seiner Metal-Kutte. (Foto: Privat)

13.09.2024

Der Metal-Jurist

Der Freie-Wähler-Abgeordnete Martin Scharf

Motörhead und Iron Maiden hört er am liebsten: Martin Scharf steht auf Heavy Metal, jene oft martialisch vorgetragene E-Gitarren-Musik, die viele eher mit Dosenbier trinkenden, gewaltbereiten und ungepflegten Motorradrockern in Verbindung bringen als mit einem korrekt frisierten und umgänglichen dreifachen Familienvater aus der Oberpfalz, der Jura studiert hat und für die Freien Wähler im Landtag sitzt. Aber man tut der Musikrichtung und ihren Anhänger*innen wohl unrecht.

„Jemand, der Heavy Metal hört, ist dermaßen tolerant“, versichert der 61-jährige Scharf. Auch in Bezug auf die Musik: So hört Scharf nicht nur Klassik, kann auch etwas mit Blasmusik anfangen – und mit Popmusik. So war er vor Kurzem bei Adeles letztem Konzert in München. „Aber wenn ich wählen kann, entscheide ich mich für Heavy Metal“, erklärt Scharf.

Leidenschaftlich gerne besucht er einschlägige Festivals und Konzerte. In Wacken, dem bekanntesten Metalfestival Deutschlands, war er dieses Jahr zum achten Mal. Er hatte zwar auch als Jugendlicher nie eine Langhaarfrisur – „ich war eher der Popper“ –, doch seit Jahren trägt er immerhin eine richtige Metal-Kutte, ein Geschenk zu seinem 50. Geburtstag. Die Begeisterung für diese Musik hat er in seiner Familie exklusiv. Seine Frau, erzählt Scharf, hasse Heavy Metal sogar. Auch seine Tochter und seine zwei Söhne, die alle erwachsen sind, können damit wenig anfangen. Begleitet wird er daher zu den Konzerten vom Schwandorfer Landrat – auch Jurist und Metal-Fan, aber von der CSU.

Geboren ist Scharf in Neunburg vorm Wald im Landkreis Schwandorf, wo er heute auch wieder lebt. Zwischendurch studierte er in Regensburg, sein Rechtsreferendariat absolvierte er ebenfalls dort sowie in Bad Kötzting – und Istanbul. Sein älterer Bruder, der auch Jurist ist, habe ihm von seinem Referendariat in Australien vorgeschwärmt und so sein Interesse geweckt, erzählt Scharf. Da er frisch verheiratet und gerade der erste Sohn geboren war, wollte er nur nicht ganz so weit weg. Er fand eine Stelle in der türkischen Metropole, in der er drei Monate lang arbeitete.

„Eine tolle Zeit“, sagt Scharf. „Ich wurde mit großer Gastfreundschaft empfangen.“ Das türkische Recht ähnelt dem Schweizer und dem deutschen Recht. Es gab zumindest damals offenbar nur in der Anwendung ein paar Unterschiede. Scharf erinnert sich an den Besuch einer Behörde. Dort hielt der zuständige Staatsbedienstete nach der Bezahlung der fälligen Gebühr weiter die Hand auf und Scharfs Kollege legte ein paar zusätzliche Geldscheine hinein. Nach dem Verlassen fragte der verdutzte Scharf, ob das nicht Bestechung gewesen sei. „Martin“, habe der Kollege darauf geantwortet, „das war keine Bestechung. Das war Beschleunigungsgeld.“

So ein Auslandsaufenthalt sei ein wichtiger Blick über den Tellerrand, den er allen in der Politik empfehlen könne, sagt der Abgeordnete. In Nepal, wo er auch schon war, müssten die Menschen große Mühen bewältigen und seien trotzdem positiv. Und in Neapel sei die Infrastruktur sicher schlechter als bei uns. „Aber da regt sich keiner über Schlaglöcher auf.“

Lampenfieber vor Rede zu Schwangerschaftsabbrüchen

Ihm sei es wichtig, gerade bei ernsten Themen gemeinsam vorzugehen. Er tausche sich auch regelmäßig mit Abgeordneten anderer Parteien aus. „Wir sind dazu da, die Argumente der anderen in unsere eigenen Überlegungen einzubeziehen.“ Scharfs Toleranz endet allerdings bei der AfD. Von denen höre man nur Phrasen und keine Argumente, sagt Scharf, lässt dabei aber unerwähnt, dass viele Forderungen der Union und Pläne der Bundesregierung in der Asylpolitik sich durchaus den AfD-Positionen annähern. Auch Scharf kritisiert den „Stillstand“ der Bundesregierung bis zum Anschlag von Solingen. Zu lange habe man zugeschaut.

Seine erste Rede im Plenum hielt Scharf, der rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, zum Thema Bezahlkarte für Asylbewerber*innen. Aufgeregter war er dann bei seiner zweiten Rede. Da ging es um die mögliche Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Scharf war der einzige Mann am Redepult. „Da wird einem schon ganz anders. Aber meine Frau, die meine größte Kritikerin ist und sich alle meine Reden anhört, hat danach gesagt: Es hat gepasst.“

Scharf sitzt nicht nur im Verfassungsausschuss, er ist auch Mitglied im Europaausschuss. Neunburg liegt nur etwa 20 Kilometer von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt. Deswegen ist er häufig im Nachbarland und hat es sich nun zum Ziel gesetzt, die deutsch-tschechischen Beziehungen zu stärken. „Pilsen und die Oberpfalz – das hat so viel Potenzial“, sagt Scharf.

Seinem Weg in die Politik ging ein Schicksalsschlag voraus. Der Vater starb, sein Sohn zog zurück nach Hause und wollte sich in der Heimatstadt auch politisch engagieren. Die hiesige CSU sagte ihm nicht zu, bei den Freien Wählern fühlte er sich gleich wohl – und wurde prompt beim Eintritt zum stellvertretenden Ortsvorsitzenden gewählt.

Die nächsten Jahre engagierte er sich in der Kommunalpolitik und arbeitete als Rechtsanwalt. Als sich dann der langjährige Landtagsabgeordnete des Stimmkreises Joachim Hanisch gesundheitsbedingt zurückzog, warf Scharf seinen Hut in den Ring und zog mit dem zweitbesten Wahlergebnis der Oberpfalz in den Landtag ein. Sollte es die Gesundheit zulassen, wonach es derzeit aussieht, will er bei der nächsten Landtagswahl wieder kandidieren.

In seiner Freizeit spielt Scharf Tennis, radelt und reist mit seiner Frau – einer Lehrerin – oder geht mit dem Hund spazieren. Und natürlich besucht er Konzerte. Ab und zu schaut er auch in seiner Kanzlei vorbei, die seit 1. März zur Unterstützung eine junge Kollegin eingestellt hat. Er habe ja vor dem Einzug in den Landtag gedacht, er könne den einen oder anderen Fall mehr übernehmen, sagt Scharf. „Aber es geht nicht. Landtagsabgeordneter zu sein, das ist ein Fulltime-Job. Das ist doch anders als ein Anwaltsjob.“ (Thorsten Stark)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass der Schwandorfer Landrat Mitglied der Freien Wähler sei. Das ist falsch. Thomas Ebeling gehört der CSU an. Wir bitten, den Fehler zu enschuldigen!

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