„Journalisten machen Politik.“ Dieser Satz fällt häufig. Diverse Medien mussten sich in der Vergangenheit Meinungslastigkeit nachsagen lassen – auch der Focus. Zu Unrecht, wie dessen Gründer Helmut Markwort findet. „Ergebnisoffene Recherche war mir und meinen Mitarbeitern immer sehr wichtig“, sagt der Münchner, der bis 2010 Chefredakteur und bis 2016 Herausgeber des Nachrichtenmagazins war.
Zumindest für sich selbst kann Markwort politische Neutralität nicht mehr in Anspruch nehmen. Seit zwei Jahren ist er als Landtagsabgeordneter für den Stimmkreis München-Land-Süd Teil des Politikbetriebs. Markwort, seit 1968 FDP-Mitglied, fuhr 2018 ein Spitzenergebnis ein und rückte von Platz 16 auf Platz 2 der oberbayerischen FDP-Liste vor. Und wurde mit 81 Jahren zum Alterspräsidenten des Landtags gewählt. Der Medienprofi ist damit der älteste Abgeordnete aller 16 deutschen Landesparlamente. Auch im Bundestag sitzt kein älterer Politiker.
Markwort vertritt seine Partei im Europaausschuss und ist seit 2019 Mitglied des BR-Rundfunkrats. Gegen seine Entsendung durch den Landtag hatten Ratsmitglieder erbitterten Widerstand geleistet. Dort fürchtete man eine Interessenkollision, schließlich besitzt Markwort Anteile an Privatsendern, welche in Konkurrenz zum BR stehen. Noch immer nimmt er bei mehreren privaten Rundfunkanbietern wichtige Funktionen wahr. Bis heute geht er regelmäßig in sein Büro im Burda-Hochhaus. Dort schreibt er für den Focus eine wöchentliche Kolumne. „Ich bin noch immer in erster Linie ein Journalist. Aber nun bin ich auch in der Politik“, sagt der fast 84-Jährige. Die Moderation der BR-Sendung „Sonntags-Stammtisch“ musste er 2018 wegen der Landtagskandidatur allerdings abgeben; die Zuschauerzahl sank in der Folge deutlich.
Auf Kritik stießen 2018 Teile von Markworts Wahlkampf. Der Liberale hatte eine Komparsenrolle für eine Vorabendserie versteigert, ohne den BR darüber zu informieren. Als man beim Sender realisierte, dass Markwort mit der Versteigerung sein Wahlkampfbudget aufbessern wollte, untersagte der BR die Aktion. „Lächerlich“ nennt der FDP-Mann den Vorwurf rückblickend.
Markwort betont, er sitze gerne im Maximilianeum. Doch sieht er als größten beruflichen Erfolg nicht sein Wirken im Landtag, sondern die Gründung des Focus 1993. „Niemand hat uns damals eine Chance gegeben“, erinnert er sich. Markwort gelang mit dem Burda-Verlag, woran diverse Verlage jahrzehntelang gescheitert waren: die Gründung eines konservativ-wirtschaftsliberalen Nachrichtenmagazins als Gegenpol zum damals eher links-liberalen Spiegel. Mitunter gab es an der journalistischen Arbeitsweise des Focus heftige Kritik. Doch nicht zuletzt aufgrund der leserfreundlichen Aufmachung legte die Auflage rasch rasant zu.
CSU-Abgeordnete schütten ihm ihr Herz aus: über Söder
Aus seiner politischen Präferenz machte das Magazin unter Markwort keinen Hehl. Zwar waren auch CDU-Granden vor heftiger Kritik des Blattes nicht gefeit. Doch insbesondere während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders bekamen auffällig oft Sozialdemokraten ihr Fett ab. Markwort wird von ehemaligen Weggefährten gern als Arbeitstier beschrieben, der allen viel abverlangte. „Der war oft der Letzte in der Redaktion und hat Mitarbeiter schon mal um halb zwölf aus dem Bett geklingelt“, erinnert sich ein Mitglied der Gründungsredaktion.
In der FDP-Fraktion wird Markwort wegen seiner Erfahrung geschätzt. „Er ist ja ein erfolgreicher Unternehmer mit Wirtschafts- und Medienexpertise“, sagt der liberale Abgeordnete Sebastian Körber. So hob Markwort zuletzt in einer Plenarrede die Bedeutung von Bayerns lokalen TV-Stationen für die Meinungsvielfalt vor Ort hervor.
Markwort lebt mit seiner Lebensgefährtin Patricia Riekel, Ex-Chefredakteurin der Bunten, in einer Münchner Villa. In seiner Freizeit steht Markwort gern auch auf der Bühne eines Theaters. Doch wegen Corona muss er derzeit auf die Schauspielerei verzichten. Manche Corona-Maßnahmen sieht er kritisch. „Oper oder Theater sind nicht die Hot-Spreader-Events“, glaubt er. Und man müsse aufpassen, dass die Wirtschaft nicht kaputtgehe. Auch wünscht sich das frühere Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern, dass sein Klub, sobald es die Lage erlaubt, wieder zumindest vor einigen Tausend Zuschauern spielen kann.
Markwort war immer auch eine Art Grenzgänger: Ein Journalist, der als Geschäftsmann auch wusste, wo es im Medienbereich noch Potenzial zum Geldverdienen gab. Ein Graus für Menschen, die sich daran stören, wenn Chefredakteure auch andere Posten in Medienunternehmen einnehmen.
Der Focus hat übrigens schon bessere Tage erlebt, verlor seit 2003 fast zwei Drittel seiner Auflage. Markwort bedauert dies, über die dortigen Kolleg*innen verliert er aber kein schlechtes Wort. Loyalität sei ihm wichtig, sagen jene, die ihn gut kennen. Wie weit diese geht, zeigt sich auch daran, dass er den früheren Moskauer Focus-Korrespondenten Boris Reitschuster zuletzt als „herausragenden Journalisten“ lobte. Reitschuster betreibt mittlerweile eine umstrittene, rechte Online-Plattform. Je nach Sichtweise gibt er Covid-Verharmlosern ein Podium oder schaut der Bundesregierung bei ihrer Corona-Politik lediglich kritisch auf die Finger.
Doch auch Markwort selbst kann noch immer austeilen: So warf er Ministerpräsident Markus Söder zuletzt einen „Allmachtsanspruch“ vor. Auch CSU-Abgeordnete hätten sich bei ihm in vertraulichen Gesprächen darüber beklagt, dass Söder die Partei „unglaublich autoritär führt“.
Ob Markwort Ambitionen auf eine bundespolitische Karriere hat? Er werde die gesamte Legislaturperiode im Landtag bleiben, versichert er. Zumindest ein Wechsel in den Bundestag käme damit nicht infrage.
(Tobias Lill)
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