Seine Begeisterung für die Politik entdeckte Johannes Becher bereits als 14-Jähriger. „In meiner Heimatstadt ärgerten sich damals viele junge Menschen über das zunehmend vergammelnde Jugendzentrum“, erinnert sich der heute 31-Jährige aus Moosburg im Landkreis Freising. Doch jahrelang passierte nichts – nur der Schimmel wuchs. Becher beschloss deshalb 2002, den Missstand nicht länger hinzunehmen und zog ins lokale Jugendparlament ein. Die vielerorts in Bayern etablierten Jugendparlamente beraten Stadt- und Gemeinderäte bei jugendpolitischen Themen. Die Mitglieder sind häufig parteilos. „Meine Forderung dort war ein neues Jugendhaus“, erinnert sich der Politiker, der seit mittlerweile über einem Jahr für die Grünen im Landtag sitzt. Tatsächlich kam das Jugendhaus – allerdings erst viele Jahre später, 2012.
Auf kommunalpolitischer Ebene machte Becher rasch Karriere. Bereits nach zwei Jahren wurde der Moosburger Vorsitzender im Jugendparlament. Bei den Grünen trat er erst 2007 ein – und zog mit 19 Jahren für die Partei in den Stadtrat von Moosburg ein. Sein Vorbild war damals Sepp Daxenberger. Er habe den legendären Grünen, der Bürgermeister von Waging und bayerischer Grünen-Chef war und 2010 verstarb, stets bewundert: für dessen „hohe Glaubwürdigkeit und klare Haltung“.
Auch Becher zählt nach eigener Aussage einen klaren Wertekompass sowie Standfestigkeit zu seinen Stärken – letztere stellte er auch beim Kampf ums neue Jugendzentrum unter Beweis. Auch kämpfte der Grüne jahrelang gegen den Bau einer dritten Startbahn am nicht weit von Moosburg entfernten Münchner Flughafen. „Und da werde ich auch dranbleiben.“ Die Freien Wähler hätten hier „die Wähler in der Region enttäuscht“, schimpft Becher. Denn nach dem vereinbarten mehrjährigen Moratorium für einen Baustopp könne die Startbahn später noch immer errichtet werden, wie der Grüne betont.
Woran er sich erst noch gewöhnen muss: dass er als Oppositionspolitiker im Landtag, anders als in der oftmals konsensorientierten Kommunalpolitik, wenig zu sagen hat. „Wir bringen gute Anträge ein. Doch weil sie aus Sicht der Regierungsfraktionen von den Falschen gestellt werden, werden sie abgelehnt“, seufzt Becher. Das sei „mitunter frustrierend“.
Doch Becher ist zuversichtlich, dass er ab 2023 nicht mehr die Oppositionsbank drücken muss. Er hofft auf eine grün-schwarze Koalition. „Das wäre so wie in Baden-Württemberg das beste Bündnis“, sagt er. Zwar sieht er durchaus erhebliche Differenzen zwischen CSU und Grünen – etwa in der Umwelt- und Asylpolitik.
Er trägt gern schicke Anzüge – die allerdings Fair Trade sind
Beim Thema Finanzen wiederum steht er der Union weit näher als der SPD oder den Linken. So lehnt Becher, Mitglied im Sozialausschuss des Landtags, die von vielen Sozialdemokraten geforderte komplette bayernweite Gebührenfreiheit für Kindergärten und Krippen ab. Selbst den von der schwarz-orangen Koalition verabschiedeten Krippenzuschuss hält er für falsch. „Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden“, betont Becher. Dieses Geld solle, statt auch viele wohlhabende Eltern zu entlasten, lieber in einen besseren Betreuungsschlüssel und den Ausbau der Betreuungszeiten gesteckt werden.
Selbst in seiner Heimat machte sich Becher durch seinen Hang zu einer restriktiven Haushaltspolitik nicht nur Freunde. „Natürlich ist es nicht angenehm, wenn Dutzende Mitglieder eines Sportvereins bei der Stadtratssitzung zusehen und man gegen den Bau eines neuen Schwimmbads stimmt“, sagt Becher. Aber Moosburg könne sich ein solches schlicht nicht leisten.
Dennoch fuhr er persönlich stets gute Wahlergebnisse ein. Bei der Landtagswahl 2018 landete er im Stimmkreis Freising mit fast einem Viertel der Stimmen nur rund drei Prozentpunkte hinter dem CSU-Kandidaten Florian Herrmann.
Becher ist in vielerlei Hinsicht der Parade-Realo. Statt Jeans trägt er gerne einen schicken Anzug. Grüne Grundwerte wie Nachhaltigkeit hält er trotzdem hoch. Der Anzug kommt aus einem Freisinger Fair-Trade-Laden. Auch beim Thema Mobilität lebt der Jurist grüne Werte. Obwohl Moosburg nicht gerade ein ÖPNV-Hotspot ist, besitzt er kein eigenes Auto. „Wenn ich einen Wagen brauche, setze ich auf Carsharing,“ sagt Becher. Nach München pendelt er mit der Bahn. Gerne auch mal erste Klasse. Damit Arbeiten oder Entspannen auch in der oft brechend vollen zweiten Klasse möglich werden, verlangt er, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen: „Wir fordern mehr Züge und Busse. Jede Ortschaft soll bereits ab 200 Einwohnern im Stundentakt an den öffentlichen Verkehr angebunden sein.“
Der kinderlose Grüne ist auch Vizevorsitzender der Kinderkommission
Neben dem Sozialausschuss sitzt Becher auch im Innen- und Kommunalausschuss des Landtags. „Die Interessen der Städte, Gemeinden und Landkreise sind mir wichtig“, versichert er. Tatsächlich zog Becher anders als viele junge Menschen in ländlichen Regionen für das Studium nicht in die Großstadt. Er pendelte zur Regensburger Jura-Fakultät. Nach dem Ersten Staatsexamen beendete er sein Studium und begann im Abgeordnetenbüro von Christian Magerl zu arbeiten, seinem grünen Vorgänger im Landtag.
In seiner Freizeit ist Becher gern sportlich aktiv. In Moosburg trainierte er viele Jahre lang eine Jugendfußballmannschaft. „Ich war zwar spielerisch kein Talent, aber die Buben hatten viel Spaß.“ Beim Verein war er auch noch für andere Bereiche verantwortlich, organisierte beispielsweise einen Jugendaustausch mit China – wofür er mit einem Ehrenamtspreis ausgezeichnet wurde.
2016 gründete Becher mit Gleichgesinnten einen wohltätigen Gebrauchtwarenhandel in Moosburg. Dort arbeiten Ehrenamtliche, der Erlös wird gespendet. 17 500 Euro flossen so allein in den vergangenen Monaten an zahlreiche Vereine in der Region wie etwa die Wasserwacht, den Weißen Ring oder soziale Projekte wie ein Schultheater gegen sexuelle Gewalt.
Obwohl der unverheiratete Abgeordnete selbst bislang keine Kinder hat, zog er als erstes männliches Mitglied in die Kinderkommission des Landtags ein. „Für mich ist der Kampf gegen Kindeswohlgefährdung ein großes Thema“, sagt Becher, der sogar stellvertretender Vorsitzender des Gremiums ist.
Becher gilt als ehrgeizig, machte sich mit Kampfkandidaturen – etwa um einen aussichtsreichen Listenplatz für den Bezirkstag, dem er bis 2018 angehörte –, nicht nur Freunde in der Partei. Im Landtag hat er ebenfalls noch Ambitionen. Er betont: „Ich will nicht ewig Hinterbänkler bleiben.“
(Tobias Lill)
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