Volkmar Halbleib? Die meisten Menschen in Bayern haben den Namen des 56-jährigen SPD-Abgeordneten aus Unterfranken vermutlich nie gehört, und zwar nicht nur deshalb, weil seine Partei in Umfragen auf schreckliche acht Prozent geschrumpft ist. Halbleib gehört einfach zur Gruppe der Uneitlen im Landtag, denen Sacharbeit wichtiger ist als die schnelle Schlagzeile. Ihm gehe es um „gute Parlamentarbeit“, so Halbleib, und „weniger um permanente mediale Vermarktung“.
Tatsächlich ist der Jurist einer der einflussreichsten und auch einer der geachtetsten SPDler im Landtag. Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freie-Wähler-Landtagsfraktion, schätzt Halbleib als „brillanten Juristen“, der nicht nur erfahren, sondern auch „sehr kollegial und humorvoll“ sei.
Seit Halbleib im Jahr 2008 ins Landesparlament einzog, hatte er praktisch durchweg Führungspositionen inne: Bereits nach einem Jahr sicherte er sich in einer Kampfkandidatur den Vizevorsitz im mächtigen Haushaltsausschuss, 2011 avancierte er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, 2013 wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer. Drei Jahre lang hatte er diese drei Posten zeitgleich inne – was im Parlamentsbetrieb eine spektakuläre Ausnahme ist. Halbleib nimmt’s sportlich. Die gewaltige Aufgabenfülle habe ihn nicht gestört, im Gegenteil: „Mir hat das Spaß gemacht.“ Die Arbeitsbelastung hatte sogar einen angenehmen Nebeneffekt: Der einst schwergewichtige SPD-Mann mit ausgeprägter Schwäche für Kuchen und Würstchen speckte insgesamt 27 Kilo ab. Und das, obwohl er kaum noch Zeit für Sport und Bewegung hatte. „Ich kam einfach nicht mehr so viel zum Essen“, entsinnt sich der Erschlankte.
Vor lauter Stress verlor er 27 Kilo
Irgendwann reichte es aber dann wohl doch. 2016 gab er den Vizevorsitz im Haushaltsausschuss ab. Auch wenn es ihm schwerfiel – Finanzpolitik war von Anfang an Halbleibs Steckenpferd. Klar: Wer an den Geldtöpfen sitzt, kann politische Inhalte maßgeblich bestimmen. Halbleib zitiert das Bismarck-Bonmot: „90 Prozent der Politik sind Finanzpolitik, und der Rest geht auch nicht ohne Geld.“
Auch Oppositionsabgeordnete können im Finanzausschuss etwas erreichen, erst recht in der Position des Vizevorsitzenden. Vieles läuft da über Kompromisse mit den Regierungsfraktionen, über interne Absprachen, deren Resultate nicht groß publik werden, die aber trotzdem viel bewirken können. Wer in der Opposition Erfolge erzielen wolle, sagt Halbleib, „muss über Bande spielen, die Regierungsfraktionen einbeziehen und bereit sein, zu verhandeln, ohne dass die Ergebnisse an die große Glocke gehängt werden“. Oft läuft es dann sogar so, dass sich die CSU den Erfolg frech selbst ans Revers heftet, ohne den Ideengeber SPD überhaupt zu erwähnen.
Zuletzt konnte Halbleib – gemeinsam mit der CSU – beispielsweise erwirken, dass der fränkische Kinder- und Jugendzirkus Luna im Rahmen der Corona-Förderung finanziell unterstützt und so dessen Überleben gesichert wurde. Und dass die Uniklinik Erlangen eine Milliardensumme für einen Erweiterungsbau erhielt.
Noch immer fungiert Halbleib als stellvertretender Fraktionsvorsitzender sowie als Parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) – also als eine Art Fraktionsmanager. Alle wichtigen Initiativen im Parlament laufen über seinen Schreibtisch. Als PGF ist er auch dafür verantwortlich, dass der Sitzungsablauf im Plenum funktioniert, alle SPDler wissen, wofür die Fraktion wann votieren sollte – und dafür, dass bei wichtigen Abstimmungen alle SPD-Abgeordneten tatsächlich präsent sind.
Halbleib gilt als Anhänger von Florian von Brunn
Wobei die Präsenz der Parlamentarier*innen zurzeit wegen der Corona-Beschränkungen limitiert ist. Es darf lediglich ein Teil der Abgeordneten an Sitzungen teilnehmen. Eine Maßnahme, die Halbleib falsch findet. „Ich wollte immer ein Vollparlament“, sagt er. Und weist darauf hin, dass viele Arbeitnehmer schließlich auch weiter vor Ort sein müssten, trotz Corona. Überhaupt leistet sich Halbleib in Fragen der Pandemie den Luxus einer eigenen Meinung. Auch wenn er die große Linie mittrage, sei er „in dieser Frage ein Liberaler“, betont Halbleib. Was er sich wünscht: dass die Bereiche Gastronomie, Kultur und Sport nach Schulen und Kitas als Erstes mit einer Öffnungsstrategie versehen werden.
Die Pandemie hat natürlich auch sein eigenes Leben stark beeinflusst. Im privaten wie politischen Bereich. Ihn schmerzt, dass er kaum mehr vor Ort sein kann: bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei Jugendgruppen, bei Verbänden. Es mache einen Unterschied, ob man persönlich mit Menschen spreche – oder nur ein Telefonat führe und eine E-Mail beantworte. Halbleib, verheiratet und Vater zweier erwachsener Stiefkinder, ist gern unter Leuten. Als Politiker, sagt er, „muss man die Menschen auch mögen“. Es reiche nicht, Fachexpertise zu besitzen und kluge Papiere zu verfassen.
Halbleib kommt aus der Kommunalpolitik. 2008 wollte er Bürgermeister von Ochsenfurt werden. Doch in der Stichwahl verlor er knapp gegen den CSU-Kandidaten. Der frühere SPD-Fraktionschef Franz Maget habe ihn anschließend angerufen, erinnert sich Halbleib, und gefragt, ob er nicht Lust habe, für den Landtag zu kandidieren.
Geplant war die Politlaufbahn nicht. Halbleib war engagiert in der Jugendarbeit, liebäugelte mit den Grünen. Weil er fand, dass diese wenig Antworten auf Sozial- und Gerechtigkeitsfragen hatten, kam er zur SPD. Während seines Jurastudiums jobbte er als Journalist und wollte eigentlich einen Beruf daraus machen. Es kam anders. Die Juristerei begeisterte ihn mehr, als er dachte. Er arbeitete als Verwaltungsrichter, später als Verwaltungsjurist, fungierte als Leiter der Umweltabteilung am Landratsamt Bad Kissingen. Ein toller Job, sagt er im Rückblick, „auch sehr politisch“. So fand er es spannend, regionale Energiekonzepte für die Kreistage zu entwickeln.
Natürlich schmerzt ihn die Abwärtsspirale, in der sich seine Partei seit Jahren befindet. Er ist der Meinung, dass die SPD die Fehler bei der Landtagswahl 2018 nicht ausreichend analysiert hat. Damals verloren die Sozis die Hälfte ihrer Wähler an die Grünen, die CSU, die Freien Wähler – und an die AfD. „Diese Wählergruppen müssen wir wieder ansprechen“, sagt er. Indem die SPD Konzepte anbiete, wie die moderne Industriegesellschaft so weiterentwickelt werden könne, „dass Jobs erhalten bleiben, trotz Klimaschutz“.
Wer soll die SPD führen? Gute Frage!
Halbleib weiß, dass dafür auch die richtigen Personen nötig sind. Wer soll die Bayern-SPD in die Zukunft führen und in die nächste Landtagswahl? Halbleib hält sich bedeckt. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass er Florian von Brunn gut findet. Wobei offen ist, ob von Brunn überhaupt für das frei werdende Amt des SPD-Landeschefs kandidiert. Jedenfalls unterstützte Halbleib 2018 den alerten von Brunn, als dieser sich für den Fraktionsvorsitz bewarb – und gegen Horst Arnold verlor. Es spricht für Arnold, dass er Halbleib damals als Parlamentarischen Geschäftsführer behalten wollte. Für Halbleib selbst spricht es natürlich auch.
(Waltraud Taschner)
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