Norbert Dünkel ist ein vorsichtiger und – so der erste Eindruck – eher zurückhaltender Mensch. Das Treffen mit dem Nürnberger CSU-Abgeordneten gestaltet sich zunächst eher kühl. Es findet nicht in München statt oder in seinem Wahlkreisbüro, sondern in den Räumen der Lebenshilfe Nürnberger Land, einer Organisation für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung.
Ohne diese Institution kennenzulernen, lassen sich der Lebensweg und das politische Wirken des gebürtigen Bambergers allerdings kaum verstehen. Und so spricht Norbert Dünkel zunächst auch nicht von sich oder der aktuellen politischen Situation, sondern referiert über die Lebenshilfe: 480 Mitarbeitende seien inzwischen für die insgesamt 27 Untereinrichtungen – Schulen, Kindergarten und Werkstätten – tätig, man erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 15 Millionen Euro.
Klassische Musik und Joggen zum Abspannen
Privates erzählt der 59-Jährige nur auf Nachfrage: katholisch, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, er mag klassische Musik und geht gern joggen. Ein Foto auf seiner Homepage zeigt ihn mit seiner Frau beim Tanzen.
Zur Politik kam Dünkel schon früh. Auf dem Gymnasium war er in einer politisch sehr diskussionsfreudigen Klasse, er besuchte mit Schulkameraden im Wahlkampf die Infostände der Parteien. Die CSU sagte ihm auf Anhieb zu, mit 16 Jahren wurde Dünkel Mitglied der Jungen Union.
Fast 30 Jahre wirkte er bei der Lebenshilfe Nürnberger Land als Geschäftsführer, während der ersten fünf Jahre seines Landtagsmandats von 2013 bis 2018 sogar noch parallel zur Tätigkeit im Maximilianeum. Mit 28 Jahren, kurz nach seiner Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt, fing er hier an. Dafür angeworben hatte ihn ein mit dem Vater befreundeter Arzt, der erkannt hatte, dass auch Sozialeinrichtungen nur dauerhaft funktionieren, wenn die Führung Ahnung von Ökonomie hat.
Für den neuen Job verzichtete Norbert Dünkel auf eine Verbeamtung und eine Karriere im Staatsdienst. Er betont: „Das habeich seither nicht einen einzigen Tag bereut“. Erst mit Beginn seiner zweiten Legislaturperiode im Landtag, 2018, übergab er die Geschäftsführeraufgaben an einen Nachfolger. Ganz adieu gesagt hat er der Lebenshilfe nicht, nach wie vor ist er dort rund acht Stunden pro Woche mit Wirtschaftsplänen und Controlling befasst.
Ein strenger Chef ist er, der sich auch um Kleinkram kümmert: „Ich gehe regelmäßig durch die Räume und schaue, ob unnötig das Licht brennt und richtig gelüftet wird.“ Da kommt der Offizier der Reserve durch. Ein Vorgesetzter, glaubt Dünkel, müsse Vorbild sein: „Wenn gerade viel Schnee liegt, dann gehört es sich, dass auch ich mitschippe.“
Wobei die ausgedehnte Lebenshilfe-Anlage am Ortsrand von Lauf an der Pegnitz derzeit wegen Corona fast menschenleer ist. Die Behinderten können ebensowenig in ihre Einrichtungen kommen wie andere Schüler. Besonders hart sei das für diese Menschen, denen das Schicksal ohnehin schwer mitgespielt hat, findet der Abgeordnete. Aber momentan ist es eben ohne Alternative. Viele Behinderte, etwa Menschen mit Downsyndrom, haben ein schwaches Immunsystem und sind deshalb auch mehr gefährdet, sich zu infizieren.
Während Dünkel über Inklusion und Herausforderungen der Behindertenhilfe referiert, taut er auf. Seine Augen beginnen zu leuchten. Da ist ein Mensch augenscheinlich im Reinen mit sich und glücklich mit seiner Lebensaufgabe.
Inklusion hat nicht nur Vorteile, meint Dünkel
Wobei diese Behindertenhilfe immer teurer wird, wie er berichtet. Denn durch die in Bayern bestehende Wahlfreiheit schicken immer mehr Eltern ihr behindertes Kind auf die Regel- statt auf die Förderschule. Dünkel respektiert das, ohne es aktiv zu befürworten. Für Kritiker, etwa den früheren Bezirkstagspräsidenten Manfred Hölzlein, die finden, dass viele Kinder an Förderschulen besser aufgehoben sind, hat er Verständnis, ohne sich deren Meinung zu eigen zu machen. Man müsse sich als Staat aber eben darauf einstellen, wenn das die Eltern so wollen.
An den Regelschulen erhöht dieser Elternwille freilich den Bedarf an Sonderpädagogen und Schulbegleitern, berichtet der Abgeordnete. In der Branche herrscht Personalknappheit, und die lasse sich auch nicht durch ein höheres Gehalt kompensieren. Die Lebenshilfe zahle durchaus gut. Doch die Konkurrenz durch attraktive Industrielehrstellen ist dauerhaft groß. Viele Fachkräfte wechseln wiederum von den Fördereinrichtungen an die beruflich attraktiveren Regelschulen.
Dass der dadurch entstehende Mangel nicht noch eklatanter wird, führt Norbert Dünkel auch auf sein ganz persönliches Wirken zurück. Jährlich 300 neue Planstellen für Inklusion und fünf neue Lehrstühle für Sonderpädagogik habe er seiner CSU bei Haushaltsverhandlungen und nach langen Vorgesprächen mit Ex-Ministerpräsident Seehofer „aus dem Kreuz geleiert“.
Bei seiner Vita hätte sich 2013 beim Einzug in den Landtag ein Sitz im Sozialausschuss angeboten. Norbert Dünkel hatte auch Interesse daran. Dennoch landete er im Innen- und im Bildungsausschuss. Neulinge können sich ihre Aufgaben eben nicht aussuchen. Wobei er im Bildungsausschuss durchaus große Schnittmengen zu seinem Wirken, etwa bei der schulischen Inklusion, sieht. Dieser Ausschuss liegt ihm auch mehr am Herzen, das spürt man. Auch wenn er viel arbeitsintensiver ist als der Innenausschuss. „Im Bildungsausschuss habe ich die drei- bis viermal so viel Arbeit“, so Dünkel. Das liege an den vielen Bürgerzuschriften, die ihn hier erreichen.
Der Mittelfranke zählt zu jenen Parlamentariern, die bei dem schon länger schwelenden politischen Streit um die Ressortzugehörigkeit für einen dauerhaften Verbleib des Aufgabenbereichs Sonder- und Förderpädagogik im Sozialministerium plädieren. Teile der Opposition, aber auch aus seiner eigenen Partei, wollen dagegen eine Verlagerung der Zuständigkeit ins Kultusministerium.
Er plädiert dafür, Menschen mit Handicap nicht nur als Bittsteller zu sehen, die einen berechtigen Anspruch erheben auf Unterstützung und Förderung. Sondern deren Beitrag für die Gesellschaft zu erkennen. Das, betont Dünkel, sei für ihn Ausdruck seines christlichen Welt- und Menschenbildes (André Paul)
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