Es war ein düsteres Bild, das Markus Born, der Hauptgeschäftsführer des Vereins der Bayerischen Chemischen Industrie, im Wirtschaftsausschuss zeichnete. Einstimmig hatte der Ausschuss zu einer Sachverständigenanhörung zum Thema „Sicherung des Chemiestandorts Bayern“ geladen. Mehrere Unternehmer und Verbandsvertreter machten sich große Sorgen, berichteten etwa von einem drohendem Arbeitsplatzabbau.
Horn sagte: „Die Lage ist ernster denn je.“ Im vergangenen Jahr habe es in der bayerischen Chemiebranche in der Produktion einen Rückgang von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gegeben. Der Auftragsrückgang habe bei etwa 20 Prozent gelegen. „Und auch 2024 gab es einen weiteren Rückgang.“ Der Verbandsvertreter warnt: „Im kommenden Jahr ist keine Besserung in Sicht“.
In Bayern gab es 2022 rund 240 Chemieunternehmen mit über 56.000 Beschäftigten. Diese erwirtschafteten über 20 Milliarden Euro Umsatz. Horn betonte die Bedeutung der Chemiebranche für andere Sektoren der Wirtschaft im Freistaat. Denn ein Großteil aller Erzeugnisse der chemischen Industrie sind Vorprodukte, die etwa in der Pharmazie, dem Maschinenbau oder im Fahrzeugbau oder der Bekleidungsproduktion weiterverarbeitet werden.
„Chemieprodukte stehen am Anfang sehr vieler Wertschöpfungsketten“, betont auch Horn. Ihnen komme eine Schlüsselfunktion in der Industrie zu. Doch zuletzt habe sein Arbeitgeberverband auch Sozialpläne verhandeln müssen – etwas, das man in Bayerns Chemiebranche zuletzt eigentlich kaum noch kannte. „Unternehmen müssen Kurzarbeit machen und manche stehen sogar vor existenziellen Herausforderungen“, berichtet Horn. Für ihn ist klar: „Das ist ein schlechtes Omen für die gesamte Industrie.“ Anderenorts in Europa würde die Chemiebranche dagegen „sehr wohl noch wachsen“. Doch Deutschland sei zunehmend im Nachteil. „Strom und Energiekosten sind bei uns nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Auch die „Regulierungswut ist ein Riesenproblem“.
Appell an den Freistaat
Diese gehe vor allem auf die EU-Entscheider zurück. Horn forderte den Freistaat auf, seinen Einfluss in Brüssel und Berlin zu nutzen. Das dritte Problem seien die „besonders hohen Unternehmenssteuern“ hierzulande.
Konkret kritisierte Horn die Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie. Diese werde „dafür sorgen, dass für die Versorgung wichtige Arzneimittel in einigen Jahren fehlen werden“. Auch die Industrieemissionsrichtlinie der EU sei problematisch. „Sie legt mit übertriebenen Beitragspflichten Unternehmen regelrecht lahm. Wichtige Moleküle werden deshalb vom Markt verschwinden“, prophezeit Horn.
Die Richtlinie bildet EU-weit die Grundlage für die Genehmigung, den Betrieb und die Überwachung besonders umweltrelevanter Industrieanlagen. Horn fordert den Bund auf, die Strom- und Gaspreise für die Industrie deutlich abzusenken. Weitere energieintensive Prozesse würden wegbrechen, wenn man diese nicht „auf ein normales Niveau bekommt“. Er fürchtet einen weiteren Stellenabbau. Schuld sei eine „verfehlte Politik“. Für ihn ist klar: „Eine Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung darf es nicht geben.“ Auch mit Blick auf die Bürokratie hierzulande sagt Horn: „Der Standort braucht eine Kernsanierung.“ Die Regulierungswut vor allem seitens der EU müsse ein Ende haben. Horn warnte in seiner Rede im Wirtschaftsausschuss auch vor möglichen Millionenkosten durch den bayerischen Wassercent.
Auch die Arbeitnehmer*innenseite kam im Ausschuss zu Wort. Stefan Plenk von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) macht sich ebenfalls große Sorgen um die Chemiebranche. Es gebe zunehmend Investitionsrückgänge und Verlagerungstendenzen. Das habe er als Gewerkschafter „die letzten Jahrzehnte in der bayerischen Chemieindustrie nicht erlebt“. Plenk berichtet: „Wir haben mit Schließungen und Sozialplanverhandlungen zu tun.“ Neben dem Chemiebereich mache ihm auch die Kunststoffproduktion Sorgen. Er warnte: „Erstmals seit Jahrzehnten haben wir mit zurückgehende Ausbildungszahlen zu kämpfen.“ Die allgemeine politische Situation sei „unsicherer geworden“. Für Plenk ist klar: „Wir brauchen dringend Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Chemie- und Kunststoffbranche. Dazu zählen Strompreis- und Energiepreiskompensationsmaßnahmen.“ Ergo: Der Staat soll die Industriestrom- und -gaspreise günstig halten.
Der Gewerkschafter sprach sich auch „gegen Pauschalverbote für einzelne Wirkstoffe aus“. Diese hätten „negative Auswirkungen auf unsere guten Chemiearbeitsplätze“. Er forderte Bund und Land auf, mehr in die Infrastruktur zu investieren. „Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden“, findet er. Zudem warb er für einen Gewerkschafter durchaus überraschend für „Entbürokratisierung“. (Tobias Lill)
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