Je vertrackter ein Problem erscheint, desto mehr reizt es Toni Schuberl, die Sache anzugehen, und zwar auf eigene Faust. Als der gebürtige Deggendorfer, der mit 16 den Grünen beitrat, mit Anfang 30 als Jurist im Rechtsreferat der Uni Passau arbeitete, war er für die uniinternen Wahlen zuständig. „Da hab ich festgestellt, dass die Bayerische Hochschulwahlordnung so schlecht geschrieben ist, dass man dauernd Auslegungsschwierigkeiten hat“, erzählt Schuberl. Was tun? Jammern? Sich hinter der kryptischen Wahlordnung verstecken? Der heute 38-Jährige hatte eine andere Idee: „Da hab ich einen juristischen Kommentar dazu geschrieben.“ Der 2015 erschienene Praxiskommentar zur Bayerischen Hochschulwahlordnung von Dipl. Jur. Anton Schuberl MA. hat 155 Seiten – und war erst der Anfang.
Der Diplom-Jurist, der an der Uni Regensburg noch ein Magisterstudium in Geschichte, Politikwissenschaft und öffentliches Recht draufgesetzt hatte, merkte: „Das hat mir Spaß gemacht.“ Also knöpfte er sich anschließend das Gesetz vor, „mit dem man an der Uni dauernd zu tun hat, das Bayerische Hochschulgesetz“. Dazu gab es keinen aktuellen Kommentar – Schuberl schrieb ihn. Diesmal wurden es 665 Seiten, die im Herbst 2018 erschienen, pünktlich zum Einzug des Grünen-Politikers in den Landtag.
Naheliegend, dass so ein leidenschaftlicher Jurist rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Mitglied des Rechtsausschusses wird. Auch hier, im Ausschuss, fällt Schuberl auf: Er ist eines der fleißigsten und aktivsten Mitglieder. Die Ausschussvorsitzende Petra Guttenberger (CSU) äußert sich denn auch voll des Lobes: „Ein engagierter Kollege, der gerne hartnäckig den Dingen auf den Grund geht.“ In einem Arbeitszeugnis sollte das Attribut „hartnäckig“ freilich besser nicht stehen, da es mit „nervig“ dechiffriert wird. Kein Wunder: Toni Schuberl geht der Staatsregierung und der CSU regelmäßig mit unangenehmen Anfragen auf die Nerven.
Schuberl ist stolz darauf, die zweitmeisten Anfragen nach Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze zu stellen; auch bei der Zahl der Redebeiträge liegt er parteiintern auf Platz zwei hinter der Spitzenreiterin. Am Rednerpult im Plenum spricht er zumeist völlig frei, wechselt souverän vom Hochdeutschen ins Niederbairische, genauer: in einen gepflegten Waidlerdialekt. Und er beherrscht sämtliche Tonlagen, von nachdenklich über verbindlich bis Attacke.
Schuberls Anfragen an die Staatsregierung sind für diese nicht immer angenehm, indes haben sie nicht selten konkrete Folgen. Da wurde zum Beispiel die schlagende Burschenschaft „Markomannia Wien zu Deggendorf“ aufgrund seiner Anfrage wegen allzu eindeutiger rechtsextremer Connections vom Verfassungsschutz ins Visier genommen.
Eine andere Schuberl-Anfrage betraf die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Bezirkskrankenhaus (BKH) Landshut. Schuberl hatte erfahren, dass dort für suizidgefährdete Patient*innen ein sogenannter Stufenplan mit strenger Isolierung galt, der von Berufsverbänden der psychiatrischen Medizin als System der Unterwerfung, als entwürdigend und rechtswidrig bewertet worden war. Ein neuer Chefarzt, der diesen Stufenplan abschaffen wollte, war entlassen worden.
Visionärer Plan für eine niederbayerische S-Bahn
Schuberl stellte am 6. August 2019 eine Anfrage an die Staatsregierung, fragte konkret, ob der Stufenplan möglicherweise die Straftatbestände der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der Freiheitsberaubung erfülle. Diese Anfrage wurde am 7. August 2019 von Unbekannten im BKH Landshut ausgehängt. Was unmittelbare Wirkung zeitigte. In der Antwort der Staatsregierung heißt es: „Der Stufenplan wird seit dem 7.8.2019 nicht mehr angewandt.“
Auf solche Erfolge ist Schuberl stolz. Wenn er von ihnen erzählt, merkt man, dass ihm das Politikerleben Spaß macht. Coups wie beim BKH Landshut gelingen ihm zwar durchaus öfter, aber natürlich beileibe nicht immer. Stichwort Verkehrspolitik. Vor Kurzem hat Schuberl ein Faltblatt herausgebracht, das auf den ersten Blick wie der bunte U- und S-Bahn-Plan einer Millionenstadt aussieht. Bis man den Titel sieht: „Grüne Vision: S-Bahn für Niederbayern“.
Der wahrlich visionäre S-Bahn-Plan für Niederbayern geht davon aus, dass ein umfangreiches Schienennetz vorhanden ist, auf das man nur die entsprechenden (S-Bahn-)Züge stellen müsse. Und schon gäbe es zwischen Regensburg, Landshut, Pilsen und Passau ein attraktives Schienenverkehrssystem. Öffentliche Nahverkehrswüste Bayerischer Wald? „Fahrbereite Bahnstrecken wie die Ilztalbahn und die Strecke zwischen Gotteszell und Viechtach überführen wir sofort in einen vertakteten Regelbetrieb.“
Zu dem Standardeinwand, ein solcher Plan sei unrealistisch, weil nicht finanzierbar, hat Schuberl nur einen knappen Satz parat: „Während aktuell in München Milliarden in Bahn-Prestige-Projekte fließen, werden bei uns nur Straßen gebaut!“ In Niederbayern, im Bayerischen Wald: Hier lebt Schuberl mit Frau und vier Kindern in einem eigenhändig renovierten alten Haus. Seit 2020 ist er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag Freyung-Grafenau.
In der Pandemiepolitik pochte Schuberl ebenso unnachgiebig wie erfolgreich auf eine Parlamentsbeteiligung. Er ist davon überzeugt: „Ein Gesetz, das durch die Mühlen des Landtags geht, ist besser.“ Über 30 Anfragen zur Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hat Schuberl an die Staatsregierung gestellt. Der Ausweg aus der Pandemie ist für ihn klar: Impfen!
Auf das Thema stieß Schuberl auch bei seinen vielen historischen Recherchen. Im Elternhaus seiner Frau fand sich eine ganze Sammlung von Dokumenten, darunter ein „Schutzpocken-Impfungs-Schein“ von 1809 – die Impfung gegen die verheerenden Pocken war im Königreich Bayern damals Pflicht; dank der Impfung sind die Pocken mittlerweile ausgerottet. Schuberl hat das historische Impfzertifikat aus napoleonischer Zeit und eine Unmenge weiterer Dokumente 2015 in dem Werk 300 Jahre Daxstein im Faksimile veröffentlicht und eingehend erläutert. Das Buch hat 386 Seiten und sage und schreibe 1052 Anmerkungen.
(Florian Sendtner)
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