Landtag

04.02.2022

Der Überparteiliche

Im Porträt: Robert Riedl, kommunalpolitischer Sprecher der Freien Wähler

In der Wahlnacht 2018 war Robert Riedl für kurze Zeit Landtagsabgeordneter. „Du bist drin“, hieß es am Telefon. Doch ein Wahlbezirk musste noch ausgezählt werden. Er kostete den Oberpfälzer die entscheidenden Prozente in seinem Stimmkreis Cham. Zu Beginn des Jahres konnte der 66-Jährige gut drei Jahre später dann doch noch als Abgeordneter die Treppen des Maximilianeums emporsteigen. Wenige Wochen vorher hatte sein Vorgänger Joachim Hanisch angekündigt, sein Mandat aus gesundheitlichen Gründen aufzugeben. Riedl erfuhr selbst nur wenige Tage vorher von seiner neuen Aufgabe. Entsprechend schnell musste ein Bürgerbüro angemietet und Personal angeheuert werden. Riedl war zwar der erste Nachrücker bei den Freien Wählern. „Ich habe aber nie darüber nachgedacht, ob ich noch reinkomme“, beteuert er. 

Politisch aktiv wurde Riedl erst 2012, als seine vier Kinder (30, 33, 35, 42) aus dem Haus waren. Ein Freund gab damals den Anstoß, in Bad Kötzting einen Ortsverband der Freien Wähler zu gründen. Bis dahin gab es nur lose Gruppierungen mit unterschiedlichen Namen. „Die CSU hat uns damals belächelt“, erinnert sich Riedl. Doch nach der Wahl saßen sechs Stadträte der Freien Wähler im Rathaus, deren Fraktionsvorsitzender Riedl war. Seit 2020 ist er außerdem Kreisrat im Landkreis Cham. Ihm gefällt an der Kommunalpolitik, dass es bei Abstimmungen um die Sache und nicht um Parteipolitik geht. „Das wird sich im Landtag wohl ändern“, seufzt Riedl. Er werde aber versuchen, das in Gesprächen mit seiner Fraktion zu thematisieren und seine Meinung weiterhin einzubringen. „Eine gute Idee nur aus politischen Gründen abzulehnen, halte ich für falsch.“ 

Im Landtag will Riedl auch das Gespräch mit Abgeordneten anderer Fraktionen suchen. Überparteilichkeit ist ihm wichtig, niemand sei ausschließlich Parteipolitiker. „Man kann Probleme nur im Dialog lösen“, betont er. Oft hätten Menschen dasselbe Ziel, nur eben einen anderen Weg dorthin. Aktuell sind die Bedingungen für den persönlichen Austausch zwar erschwert, da das Parlament wegen Corona nur in reduzierter Besetzung tagt. Das gilt natürlich auch für den Innen- und Sozialausschuss, wo Riedl Mitglied ist. Dennoch hat er schon Kontakte zu Abgeordneten der anderen Fraktionen geschmiedet – außer zur AfD. „Antidemokraten bekämpfe ich, wo ich nur kann“, unterstreicht er.

Zu Riedls wichtigsten Zielen in den letzten eineinhalb Jahren der Legislaturperiode gehört eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinden. „Viele Kommunen sind durch den Einbruch der Gewerbesteuer in der Corona-Krise nicht mehr handlungsfähig“, kritisiert er. Wenn die Ausfälle nicht ersetzt würden, könnten die Kommunen bald nicht einmal mehr ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Im sozialen Bereich wünscht sich der neue Abgeordnete mehr Rücksichtnahme auf junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren, denen durch die Einschränkungen in der Corona-Krise viele Erfahrungen genommen wurden. „Ich appelliere auch an die Schulen, die Ansprüche und Erwartungen zu reduzieren“, sagt Riedl und kündigt Gespräche mit Lehrerverbänden an. Grundsätzlich ist der Abgeordnete aber kein Gegner der Corona-Maßnahmen. Seine Bürgersprechstunden hält er nur unter 2G-Bedingungen ab, Ungeimpfte könnten aber anrufen.

Geboren wurde Riedl 1955 in Edenstetten, das heute zum niederbayerischen Bernried gehört. Seine Kindheit verbrachte er mit seinem älteren und jüngeren Bruder vor allem in der Natur, um die Erziehung kümmerten sich die beiden Omas. Schon früh begeisterte er sich für Fußball. Das half ihm auch nach dem Umzug nach Bad Kötzting, sich schnell zu integrieren. Sein Talent sollte ihn Ende der 70er-Jahre bis in die Landesliga führen, in der damals auch noch der heutige Fußballweltmeister Lothar Matthäus spielte. Seine Eltern waren nicht sehr politisch, dafür aber sein Opa – Riedls großes Vorbild. Obwohl ihm im Krieg beide Füße weggeschossen wurden, sei er freundlich geblieben, habe jedem Menschen geholfen und sei sogar Gemeindeschreiber geworden. „Das war damals wie ein Bürgermeister, weil der als Landwirt von Verwaltungssachen keine Ahnung hatte“, erklärt Riedl und grinst. Vielleicht war es die soziale Ader seines Opas, die Riedl in seiner Jugend SPD-Mitglied werden ließ. Nach der Ära Helmut Schmidt sei er aber enttäuscht wieder ausgetreten, beeilt er sich zu sagen. 

Riedl arbeitete 43 Jahre an derselben Schule

Riedls berufliche Karriere ist schnell erzählt, was seine Leistung nicht schmälert. Gleich nach dem Realschulabschluss 1971 wurde er drei Jahre lang zum Förderlehrer ausgebildet. Anschließend arbeitete er 43 Jahre an der Förderschule Bad Kötzting – 25 Jahre davon unterrichtete er nur erste und zweite Klassen. Einen Wunsch nach beruflicher Veränderung hatte er nie. „Ich habe meinen Beruf bis zum letzten Arbeitstag im Jahr 2019 geliebt“, betont er. Geholfen hat ihm, dass er zu den Schülerinnen und Schülern immer ein gutes Verhältnis gehabt habe. Manche von ihnen sind mittlerweile 40 Jahre alt. Riedl ärgert, dass sich in der ganzen Zeit zwar die Namen für Förderschulen geändert haben, die Stigmatisierung aber trotz vieler Verbesserungen immer noch besteht. 

In seiner Freizeit entspannt Riedl sich beim Tennismatch – und danach bei einem kühlen Weißbier oder beim Pilzesammeln mit seiner Frau, einer Floristin. „Wenn ich einen schönen Schwammerl finde, ist das fast besser, als ihn später zu essen“, erklärt er. Ein besonderes Highlight sind für ihn die Familienurlaube mit den vier Kindern und acht Enkelkindern.

Ob er in der nächsten Legislaturperiode noch mal antritt, hat Riedl noch nicht entschieden. Falls ja, er aber nicht mehr in den Landtag gewählt wird, will er die eineinhalb Jahre „als eine Erfahrung sehen, die mir keiner mehr nehmen und die ich jüngeren Menschen weitergeben kann“. Zu alt würde er sich mit 68 Jahren für eine Kandidatur nicht fühlen. „Für mich ist das kein Alter, es geht um die innere Einstellung“, sagt er und lächelt. Wenn nicht gerade Pandemie ist, geht er einmal im Quartal in die Disco – „oder Club, wie es heute heißt“. „Dabei“, versichert der Junggebliebene, „hat mich noch nie jemand auf mein Alter angesprochen.“ (David Lohmann)

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