Ein Politiker, der zuhört, der sich scheut, heikle Fragen mit dem üblichen Standard-Blabla abzutun und der auch mal zugibt, dass er etwas nicht weiß. Eines der überaus seltenen Exemplare dieser Spezies ist der neue Grünen-Abgeordnete Elmar Hayn. Der 50-jährige Betriebswirt rückte am 2. November 2021 für die in den Bundestag gewählte Tessa Ganserer in den Landtag nach. Dort ist der Nürnberger bislang als überaus angenehmer Zeitgenosse und jedenfalls nicht als Nervensäge oder Scharfmacher aufgefallen.
Beispiel Corona-Demos: Mit Blick auf die jüngsten Zusammenstöße bei Corona-Demonstrationen hatte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Saskia Weishaupt kürzlich den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gefordert – damit die Polizei Demonstrierende besser in Schach halten könne. Gefragt, wie er das findet, erklärt Hayn, er würde das „so nicht sagen“. Im Fall der Demonstrationen sei vielmehr „eine differenzierte Betrachtungsweise“ angesagt. Soll heißen, man darf den Menschen nicht einfach das Demonstrieren unmöglich machen. Das Thema Corona, sagt Hayn, „bewegt die Leute“. Mit Schlagstock-Einsätzen, glaubt der Grüne, könne man das Problem aber nicht lösen.
Ein Freund klarer Worte ist er durchaus. „Ich bin sehr direkt“, räumt er ein. Das hat bei den Grünen bereits für Aufsehen gesorgt. Zum Beispiel, als er auf seinem Migrationshintergrund beharrte. Hayns Mutter ist Niederländerin. Dass die Grünen reflexartig nur People of Color einen Migrationshintergrund zugestehen, nervt ihn. Seine Aussage, wonach es da in seiner Partei „Scheuklappen“ gebe, ist so wahr wie mutig. Hayn stellt klar: Er will auch als Politiker authentisch sein. „Ich will mich nicht verbiegen.“ Was nicht heißt, dass er keine Kompromisse eingehen möchte. Dass Politik ohne Kompromisse nicht auskommt, erlebt er auch im Gemeinderat seiner mittelfränkischen Heimatkommune Neuhaus. Dort regiert ein CSU-Bürgermeister mit einer Ratsmehrheit aus Grünen, SPD und einer Freien Wählergemeinschaft. „Ganz spannend“ sei das, berichtet Hayn. Das Leben als frischgebackener Landtagsabgeordneter indes sei „super“, schwärmt er.
Ziemlich untypisch für ein Grünen: Bundeswehr, Banklehre, BWL-Studium
Eine Karriere bei den Grünen war für den Franken nicht unbedingt vorgezeichnet. Er kommt aus einem Arbeiterhaushalt, die Eltern wählten SPD. Sein beruflicher Werdegang war eher Grünen-untypisch: Nach dem Abitur absolvierte er den Wehrdienst, fand seine Zeit als Marinesoldat toll und machte danach eine Banklehre mit dem Ziel, im Wertpapierbereich zu arbeiten. Weil die Bank andere Pläne mit ihm hatte, sattelte er um und studierte Betriebswirtschaftslehre in Passau. Ein Auslandssemester verbrachte er im kalifornischen Fresno. Danach stieg er bei einer Unternehmensberatung ein, die der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Rolf Seebauer leitete. Von 1999 bis 2016 war er mit kleineren Unterbrechungen in diesem Bereich tätig. Danach wechselte Hayn in den Immobiliensektor, wo er als Projektleiter für sogenannte Baugemeinschaften fungierte. Deren Ziel rühmt Hayn als überzeugend: Mehrere private Bauwillige schließen sich zusammen, um Wohnungen oder Mehrfamilienhäuser zu errichten, wobei auf einen Bauträger verzichtet wird. So spare man Kosten, erklärt der Grüne. Im Jahr 2018 ereilte ihn der Hilferuf eines Freundes, der ein Handelsunternehmen leitete und einen stellvertretenden Geschäftsführer brauchte. Hayn stieg ein, bis heute ist er dort tätig.
Zu den Grünen kam er im Jahr 1998. Eingetreten ist er am Ende der Ära Kohl, kurz vor der Bundestagswahl, weil er fand, das nun was Neues her müsse. Was dann mit der Ablösung Kohls durch Gerhard Schröder und dessen rot-grüne Koalition auch geschah. Hayn arbeitete im Nürnberger Grünen-Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen mit, ist dort Kreisschatzmeister. 2020 wurde er Gemeinderat.
Doch ihm war klar: Er wollte in den Landtag. Eine erste Kandidatur 2013 scheiterte, auch 2018 klappte es nicht, allerdings war er der Erste auf der Nachrückerliste. Im April 2021 wurde bekannt, dass Tessa Ganserer für den Bundestag kandidiert – mit guten Chancen.
Seit zwei Monaten fungiert Hayn nun offiziell als Abgeordneter. Er hat von Ganserer deren Sitz im Ausschuss öffentlicher Dienst geerbt. Ein interessantes Gremium, das es so nur in Bayern gibt. Hayns Leidenschaft allerdings gehört – wenig verwunderlich – der Finanzpolitik. Und so hofft er, dass nach der nächsten Landtagswahl ein Platz im begehrten Haushaltsausschuss für ihn frei wird.
Eine Impfpflicht? Das ist „nicht richtig durchdacht“
Welche Themen bewegen ihn? Die Rechte alleinerziehender Väter, erklärt Hayn. Er findet: Die Debatte dreht sich grundsätzlich zu stark um Mütter. Er will dafür kämpfen, dass auch die Papas mehr in den Fokus rücken. Er selbst ist ein begeisterter Vater. Seine Kinder sind 21, 19, 16 und vier Jahre alt. Und er liebt es, Zeit mit ihnen zu verbringen. Dass die Älteren noch immer gern mit ihm in den Urlaub fahren, spricht für seine Qualitäten als Vater. Hayn ist mit der Grünen Nürnberger Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm verheiratet, der Mutter seiner kleinen Tochter.
Ein anderes Thema, das ihn umtreibt und das er im Landtag vorantreiben will, ist die auch bei den Grünen vorhandene Fixierung auf Stromtrassen. Hayn stört sich daran, dass in diesen großen Leitungen eben auch Atom- und Kohlestrom transportiert werden können. Er will deshalb weniger große Trassen und dafür mehr kleine, regionale Lösungen.
Und auch zum Thema Impfpflicht und Impfregister hat er eine differenzierte Meinung, die zusammengefasst so lautet: schwierig! Ein Impfregister findet Hayn aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch. Bei der auch von vielen Grünen kategorisch geforderten Impfpflicht fehlt ihm, „dass das zu wenig vom Ende her gedacht wird“. Dass zum Beispiel nicht klar ist, wie man eine solche Pflicht tatsächlich umsetzen, wie man sie kontrollieren kann.
Bleibt zu hoffen, dass Elmar Hayn seinen erfrischenden Pragmatismus auch in den Mühlen des Parlamentsbetriebs zu erhalten weiß.
(Waltraud Taschner)
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