Landtag

Thorsten Glauber (Foto: dpa/Hoppe).

22.01.2021

Der Unkonventionelle

Im Porträt: Thorsten Glauber (Freie Wähler), bayerischer Umweltminister

Wenn Politiker nach ihrem größten Wunsch gefragt werden, machen es manche nicht unter dem Weltfrieden. Thorsten Glauber (50) aber hat einen sehr persönlichen Wunsch: „ein Glas Bier mit meinem Großvater!“ Glaubers Opa ist 2018 noch vor der Landtagswahl gestorben. „Dass ich Minister geworden bin, das hat er nur von woanders gesehen“, bedauert Glauber leise. „Ich hätte mich gefreut, wenn er das noch erlebt hätte.“ Und dann hätte er sich eben gerne mit ihm auf ein Bier zusammengesetzt und geplaudert. Zum Beispiel darüber, dass der Opa ihm einst von der Politik abgeraten hatte. Manchmal muss man halt doch seinen eigenen Weg gehen.

Der heutige Umweltminister hat das immer wieder versucht. Aber letztlich konnte er sich meist gewissen Familientraditionen nicht entziehen. Ebenso wie sein Patenonkel absolvierte er eine Lehre zum Kommunikationselektroniker. Um sich danach den Jugendtraum vom Studieren zu erfüllen, holte Glauber das Abitur nach und bewarb sich für ein Architekturstudium. Hier schlugen die Gene noch direkter durch, denn auch sein Vater ist Architekt. 

Auch Glaubers Weg in die Politik schien vorgezeichnet. Vater Reinhardt war für die Freien Wähler erst Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Pinzberg, später zwölf Jahre Landrat in Forchheim. Seit 1990 war Glauber im Wahlkampf für seinen Vater im Einsatz. Eine eigene Karriere habe er nicht im Sinn gehabt. „Es war nie mein Ziel, selber in der Politik zu landen“, sagt Glauber. Ihm habe damals einfach Spaß gemacht, seinen Vater mit kreativen Ideen zu unterstützen und mit ungewöhnlichen Werbekonzepten auf ihn aufmerksam zu machen.

Pfiffige "Nimm 2"-Kampagne mit dem Vater

Später, als dann doch beide in der Politik waren, entwarf Glauber zum Beispiel die pfiffige „Nimm 2“-Kampagne. Der Senior kandidierte 2013 für den Bezirkstag von Oberfranken, der Junior erneut für den Landtag. Das Werben für den Glauber-Doppelpack hatte Erfolg. Dem Vater 2014 direkt ins Amt des Landrats zu folgen, war für Thorsten Glauber keine Option, obwohl es dafür Anfragen der Freien Wähler gegeben hatte. „Ich bin gegen Erbhöfe in der Politik“, betont er. Es irgendwann trotzdem noch als Landrat zu probieren, schließt er nicht aus. Aber dann wäre es mit mindestens zwölf Jahren Abstand eine eigenständige Bewerbung.

Mit seinen Wahlkampfideen rückte Glauber in jungen Jahren nicht nur den Vater ins Blickfeld, sondern ungewollt auch sich. Ob er nicht für den Gemeinderat kandidieren wolle, hätten ihn die örtlichen Freien Wähler gefragt. Glauber ließ sich überreden, 2002 bei der Kommunalwahl wurde er gewählt. Zu mehr wollte er sich nicht verpflichten, weil er sich mitten im Aufbau seines eigenen Architekturbüros befand.

Gemeinderat und eigenes Architekturbüro – so hätte es bleiben können für Thorsten Glauber. Doch dann suchten die Freien Wähler im Landkreis Forchheim 2008 einen Kandidaten für den Landtag. Seine Chancen hielt er für überschaubar, denn bis dahin waren die Freien Wähler stets deutlich an der Fünfprozenthürde gescheitert. Konnte ja keiner ahnen, dass die CSU ihr Nach-Stoiber-Trauma mit dem Verlust der absoluten Mehrheit würde bezahlen müssen.

Als Voraussetzung für seine Kandidatur habe er sich ausbedungen, seinen Wahlkampf selbst zu organisieren, berichtet Glauber. Also kein Material, keine Vorlagen vom Landesverband. „Ich wollte es so machen, wie ich geglaubt habe, dass es gut ist.“ Aus der Erfahrung der Wahlkämpfe für seinen Vater beschritt Glauber unkonventionelle Wege. Statt durchgestylter Kampagnen irgendwelcher Strategen setzte er auf hausgemachte Konzepte. Und auf einmal war er Abgeordneter.

Auf einmal war er Minister

In der Landtagsfraktion machte sich Glauber als Sprecher für Wirtschaft und Energie, später als Fraktionsvize einen Namen. Im heimischen Stimmkreis war er 2018 nah dran, das Direktmandat zu holen. Immerhin reichte es bei den Erststimmen zum landesweit besten Ergebnis für einen Freien Wähler – also besser noch als Hubert Aiwanger. Ein kritischer Fakt, denn zum Alphatier der Partei hat Glauber ein ambivalentes Verhältnis. In der Sache sind beide nicht immer einer Meinung, Aiwangers Hang zum Populistischen und Hemdsärmeligen lässt Glauber öfter mal tief durchschnaufen. Er macht daraus keinen Hehl, sagt aber auch, „dass wir miteinander können“. Entscheidend sei, dass sie ihre Meinungsunterschiede öffentlich austrügen: „Wir verstehen uns, auch wenn wir intern manchmal hart diskutieren.“

Der Wechsel 2018 auf die Regierungsbank bedeutete für Glauber eine ziemliche Umstellung. Denn er gehörte zu den FWlern, für die Opposition zur CSU erste Abgeordnetenpflicht war. In der Koalition musste Glauber nun gerade in Sachen Energiewende einige Abstriche von seinen Wünschen machen und zum Beispiel den Fortbestand der 10H-Abstandsregel bei Windrädern akzeptieren, auch wenn er weiter für deren Aufhebung wirbt. Ganz verloren hat Glauber seine oppositionelle Aufmüpfigkeit ohnehin nicht. Als die CSU in der Debatte um die Düngeverordnung anmahnte, der Umweltminister solle doch endlich die Zahl der Nitratmessstellen erhöhen, erinnerte Glauber trocken daran, dass sein Ministerium zuvor 48 Jahre lang von der CSU geführt worden sei. Und das mit den Messstellen habe er längst angeleiert.

Ein kleiner Glücksfall für Glauber war das erfolgreiche Bienen-Volksbegehren. Es rückte nicht nur den Kabinettsneuling ins Rampenlicht, es war auch die Chance, eigene Ideen zu verwirklichen. So setzte Glauber bei der Ausweisung ökologisch wertvoller Gewässerrandstreifen mehr durch, als das Volksbegehren gefordert hatte. Seine Grenzen bekam er dafür bei den Streuobstwiesen aufgezeigt. Dass die zu Biotopen aufgewertet werden sollten, kam in seiner Heimat nicht so gut an. Die Fränkische Schweiz ist immerhin eines der bedeutendsten Obstanbaugebiete Bayerns.

Überhaupt, die Obstbäume. „Heimat ist da, wo die Kirschen blühen“, hat Glauber einmal gesagt. Er kann gar nicht verstehen, warum so viele Menschen zur Kirschblüte nach Japan reisen würden. „Ich muss im Frühjahr nur das Fenster aufmachen und den Duft der Blüten einatmen“, schwelgt er. Mehr Einblicke ins Private lässt Glauber nicht zu. Höchstens noch, dass er es gerne fröhlich hat und ein sportlicher Naturmensch ist mit Joggen und Radfahren. Am liebsten würde er wieder Fußball spielen, beim Jahn Forchheim hatte er es vor Jahren bis in die Landesliga-Mannschaft geschafft. Dazu bräuchte er zehn Mitspieler, die sich an seinen engen Terminkalender halten müssten. Illusorisch. Aber deswegen verbreitet die Frohnatur Thorsten Glauber noch lange keine schlechte Stimmung. (Jürgen Umlauft)

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