Eine von Steffen Vogels Hauptbeschäftigungen derzeit? Er spielt Sandsack für seinen sechsjährigen Sohn, der unbedingt Karatekämpfer werden möchte. Seit der Kleine den Film Karate Kid gesehen hat, muss der CSU-Abgeordnete jeden Tag mit ihm trainieren. „So viel Zeit wie in der Corona-Krise habe ich noch nie mit der Familie verbracht“, sagt der 45-jährige Unterfranke und flachst: „Ich hab festgestellt, das sind ja ganz nette Leut’, gar ned so verkehrt.“
Vogel, Partner einer Anwaltskanzlei, ist ein Mann mit viel Humor. Den lässt er sich auch in Krisenzeiten nicht nehmen. Und er pfeift auf Konventionen. Im Landtag erscheint der Unterfranke schon mal mit einer auffallenden lila Cordhose oder im blau-rosa Anzug, worüber sich die anderen dann lustig machen. „Mit Trachtenjanker und bierernst“ – diesem weitverbreiteten Bild eines Abgeordneten will er nicht entsprechen, sagt Vogel. Viel zu spießig.
Die Auflockerung des Landtags-Alltags – sei es durch Vogels Klamottengeschmack oder seine Späßchen – schätzen viele Abgeordnete. Parteiübergreifend. Vogel sitzt im Haushaltsausschuss, wo es derzeit wenig zu lachen gibt. „Mit Corona sind alle Sparbemühungen und Ideen vom ausgeglichenen Haushalt dahin“, sagt er. „In Zukunft werden wir uns weniger darüber unterhalten, was wir Neues auf den Weg bringen können, sondern vielmehr darüber, wo Einsparungen möglich sind.“ Vogels große Sorge: „dass die Bevölkerung diese Einschnitte deutlich zu spüren bekommen wird“.
Vogel zog 2013 das erste Mal für den Stimmkreis Haßberge in den Landtag ein. Vergangene Legislaturperiode saß er im Sozial- sowie im Gesundheitsausschuss und war in seiner Fraktion für den Bereich Kindertagesstätten zuständig – ein Politikfeld, um das sich CSU-Männer sonst eher selten reißen. „Ich wollte das ganz bewusst“, betont Vogel. „Ich kannte die Vatersicht, die Gemeindesicht und die Trägersicht mit ihren manchmal unterschiedlichen Interessen.“ Der dreifache Vater, zwei Kinder stammen aus erster Ehe, ist seit acht Jahren Vorsitzender des örtlichen Kindergartenvereins. Nur eines der vielen Ehrenämter von Vogel, der seit Anfang 2019 die Arbeitsgemeinschaft Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in der Fraktion führt.
Als JU-ler lud er zu Poolpartys mit Dessous-Modenschauen
Kitas, aber auch die Ärzteversorgung auf dem Land sind Themen, die Vogel noch immer wichtig sind. Er bedauert deshalb, dass er seit seinem Wiedereinzug in den Landtag 2018 nicht mehr in den entsprechenden Ausschüssen sitzt. „Mein größter politischer Erfolg war, die Initiative für das Geburtshilfe-Förderprogramm ins Rollen gebracht zu haben“, sagt er. Das Defizit der Geburtshilfestation der Klinik in Haßfurt war so groß, dass der Landkreis sie schließen wollte. Vogel kämpfte um eine Sonderförderung des Freistaats – erfolgreich. Nicht nur Haßberge, sondern über 20 weitere Landkreise werden seither mit jeweils bis zu einer Million Euro unterstützt, damit die Geburtshilfe im ländlichen Raum nicht verschwindet. „Wir haben etwas bewegt“, freut sich Vogel. „Für daheim und für ganz Bayern.“
Der Unterfranke lebt in einem Dorf mit 190 Einwohner*innen in der Gemeinde Theres. Ganz in der Nähe, unweit der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, ist er auch aufgewachsen. Politik interessierte Vogel früh. Geschichte, Sozialkunde sowie Wirtschaft und Recht waren seine Lieblingsfächer. Und so klingelte er einfach mal an der Haustür des damaligen Bürgermeisters seines Heimatmarktes Maroldsweisach, um ihm zu verkünden: „Ich möchte in die CSU eintreten.“ Da war er 19 Jahre alt.
Und dann ging es schnell: Auf der ersten Versammlung der örtlichen Jungen Union (JU), die Vogel besuchte, wählten ihn die Burschen gleich zu ihrem Vizechef. „Na, wenn schon einer mal freiwillig kommt“, hieß es. Später führte er die JU Haßberge und die JU Unterfranken. „Für mich war das auch eine Art Jugendclub, in dem man Freundschaften pflegen konnte“, sagt Vogel. Man habe gemeinsame Fußballfahrten gemacht. Und Partys geschmissen.
Auch Markus Söder erinnert sich heute noch an die etwas peinlichen Partyideen der Haßberger, wie er kürzlich selber sagte. Denn er war es, der sich als damaliger JU-Chef mit Beschwerden über diesen „Sittenverfall“ herumplagen musste. Die schlüpfrigen Plakate, mit denen Vogel und Co zu Pool- und Dolce-Vita-Partys sowie Dessousmodeschauen einluden, hatten auch CSU-Granden zu Gesicht bekommen. Die spätere Landtagspräsidentin Barbara Stamm schrieb einen bösen Brief. Gewissensbisse plagten Vogel deswegen nie. „Es war cool, dabei zu sein – und wir hatten dadurch großen Zulauf.“
„Facebook-Vogel“ nennt ihn seine Heimatzeitung
Vogels Polit-Karriere tat’s auch keinen Abbruch. Mit 22 Jahren wurde er in den Gemeinderat von Maroldsweisach gewählt, mit 27 Jahren zum Zweiten Bürgermeister. Seit 18 Jahren sitzt Vogel im Kreistag, vor zwei Wochen wählten ihn die CSU-Räte dort zu ihrem Fraktionschef. Seinen ersten Anlauf für ein Landtagsmandat nahm Vogel 2008 – und scheiterte knapp. Er wurde erster Nachrücker für den Fall, dass ein CSU-Abgeordneter aus dem Landtag ausgeschieden wäre. Was nicht passierte. „Im Nachhinein bin ich darüber gar nicht so böse“, sagt Vogel, Fachanwalt für Arbeits- , Verkehrs- und Strafrecht. Weil er sich dadurch ein noch stärkeres berufliches Fundament habe aufbauen können. „Das ist kein Nachteil für einen Politiker.“
Tatsächlich schätzt man im Landtag nicht nur Vogels Humor, sondern auch seine Kompetenz, wie ein Fraktionskollege betont. Auch aus der Opposition kommt Lob: „Man kann sich mit ihm durchaus einen Schlagabtausch liefern, er ist aber jemand, mit dem man gut reden kann, wenn es um komplizierte Dinge geht“, sagt einer, der ebenfalls im Haushaltsausschuss sitzt. Vogel zeige sich in Sachfragen konziliant – ungewöhnlich für ein Mitglied der Regierungsfraktion, die Vorschläge aus der Opposition normalerweise erst mal ablehnt. „Das irritiert mich manchmal“, bekennt Vogel, „dass man nicht sagen kann, dass Vorschläge vernünftig sind, auch wenn sie nicht von uns selbst kommen.“
Ungewöhnlich ist auch Vogels große Offenheit in den sozialen Netzwerken. Dort gibt er viel Privates über sich preis; auf einem Foto beispielsweise sitzt die gesamte Familie in der Badewanne. „Facebook-Vogel“ nannte ihn seine Heimatzeitung mal – angelehnt an „Twitter-Trump“ –, weil Vogel auch immer wieder schräge Sachen postet. Sogar die Abspaltung Bayerns forderte er mal. Ernst war das nicht gemeint, hatte aber den ernsten Hintergrund, dass Horst Seehofer Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik verklagen wollte. Auch Vogel ging Merkels Politik gegen den Strich. Kritik flapsig verpacken, das liegt ihm – kommt in der Öffentlichkeit und bei Parteikollegen aber nicht immer gut an. „Die Bevölkerung aber will doch wissen, was für ein Mensch hinter dem Politiker steckt“, meint Vogel dazu.
Und so lässt er seine Facebook-Freunde zum Beispiel am Erstaunen seines Sohnes teilhaben, als der im Schwimmbad entdeckt: „Papa, du hast ja Brüste!“ Auch hier gilt Vogels Maxime: „Man muss auch über sich selbst lachen können.“ Nicht die schlechteste Eigenschaft, vor allem für die oft selbstgerechten Politiker.
(Angelika Kahl)
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