Landtag

Christian Klingen (AfD). (Foto: dpa/Hase)

24.02.2023

Der Vielseitige

Im Porträt: Christian Klingen, fraktionsloser Abgeordneter, der früher bei der AfD war

Für einen späteren AfD- und nun fraktionslosen Abgeordneten ist der politische Werdegang von Christian Klingen (58) eher ungewöhnlich. Sein Engagement in der Politik startete der Unterfranke nämlich an der Seite der ÖDP. Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie hätten ihn schon immer interessiert, erzählt Klingen. Als die ÖDP dann 2009 das Nichtraucher-Volksbegehren eingereicht hatte, wurde er zum Aktivisten für die konservative Ökopartei. Er habe Flyer verteilt, in Gesprächen mit den Menschen für den Nichtraucherschutz geworben und die Initiative auch finanziell unterstützt. Mehr wurde daraus aber nicht, obwohl Klingen auch aktiver Natur- und Tierschützer ist.

Parteimitglied wurde Klingen erst vier Jahre später, allerdings bei der AfD. Schon kurz nach deren Gründung war er eingetreten. Wie viele AfD-Mitglieder der ersten Stunde hatte ihn AfD-Gründer Bernd Lucke überzeugt, der mit Volksbegehren auf Bundesebene mehr Mitsprache der Bürger bei der Euro-Rettung und Währungsunion eingefordert hatte und eine konservative Alternative für Deutschland aufbauen wollte. Obwohl die AfD zusehends nach ganz rechts abgedriftet ist, blieb Klingen dabei. Er wurde Vorsitzender des Kreisverbands Kitzingen-Schweinfurt und 2016 für zwei Jahre Bezirkschef in Unterfranken. Er habe gehofft, dass sich die Flügel in der AfD „austarieren“, sagt er. Er habe versucht, mit seinen Gästen auf Veranstaltungen das ganze Spektrum der AfD abzudecken. Deshalb sei er auch bei Terminen von Björn Höcke aufgetreten, dem Gründer des inzwischen formal aufgelösten rechtsextremen Flügels innerhalb der AfD.

Klingen räumt ein, 2015 die von Höcke mitinitiierte „Erfurter Erklärung“ unterschrieben zu haben, die als eine Art Gründungs-Charta des Flügels gilt. Er habe die Intention der Erklärung geteilt, die sich gegen Bestrebungen des Parteichefs Lucke gewandt habe, mit grundlegenden AfD-Prinzipien wie Mitgliederparteitagen zu brechen. Auf die Frage, ob er sich rückblickend als „Flügel-Mann“ bezeichnen würde, antwortet Klingen ausweichend. Natürlich sei es beeindruckend gewesen, wie Höcke mobilisiert habe „und die Leute auf die Straße bringt“. Aus heutiger Sicht seien Höckes Parolen für ihn „nicht mehr so toll, das geht in die falsche Richtung“. Der endgültige Bruch mit Höcke kam laut Klingen auf einer „Flügel-Veranstaltung“ 2019 in Greding, als dort ungeniert alle drei Strophen des Deutschlandlieds gesungen wurden. „Damals bin ich aus dem Saal raus, da war für mich Feierabend“, berichtet Klingen.

Im September 2021 hat sich Klingen gemeinsam mit Ulrich Singer zum AfD-Fraktionschef im Landtag wählen lassen. In der in zwei Lager gespaltenen Fraktion gehörten sie zu den Kritikern der bisherigen Führungsriege um die als Höcke-Vertraute geltende Katrin Ebner-Steiner. Kaum ein halbes Jahr später aber trat Klingen schon wieder zurück und aus Partei und Fraktion aus. Es habe „gewisse Tendenzen“ gegeben, die er nicht mehr habe mittragen können. Konkreter wird Klingen nicht, zu internen Vorgängen will er sich öffentlich nicht äußern.

In Migrationsfragen ist er aufseiten der CSU

Wie hoch Klingens Brandmauer zur AfD als Fraktions- und Parteiloser heute ist, lässt sich im Gespräch nicht genau feststellen. Auf der einen Seite gibt es die von Klingen geteilte und in AfD-Kreisen verbreitete Sympathie mit der Querdenker-Szene. Zudem bediente er als Fraktionschef das typische AfD-Narrativ. Nicht radikal, aber unverwechselbar. Auf der anderen Seite vertritt er in Fragen der Migration offizielle CSU-Positionen, also geregelte Fachkräftezuwanderung, aber konsequentes Vorgehen gegen illegale Einreisen und rasche Abschiebung Ausreisepflichtiger.

Seine Homepage wiederum ist voll von Texten, wie sie auch auf AfD-Seiten zu finden sind. Es geht um Ausländerkriminalität, Islamisierung, den „links-grünen Zeitgeist“, Gender-Sprache und Kritik an den Hilfen des Westens für die Ukraine bei gleichzeitiger Sanktionierung Russlands. Klingen sagt dazu, dass er nach wie vor einzelne Punkte im AfD-Programm teile. „Mir gefällt aber nicht, wie Themen von manchen AfD-Politikern intoniert werden.“ Die Argumentation sei ihm oft zu wenig differenziert. In der AfD wird auch geraunt, dass Klingen nur deshalb die Partei verlassen habe, weil er um seine Wiederanstellung im öffentlichen Dienst gefürchtet habe, nachdem die AfD Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes geworden war. Klingen weist das zurück.

Klingen hat aber auch eine „grüne“ Seite. Er ist im Tierschutz engagiert, seit er als Kind eine Kreuzotter davor bewahrt hat, von Bauern erschlagen zu werden. Heute unterstützt er mehrere lokale Tierschutzvereine, kümmert sich um streunende Katzen und hat aus seinem weitläufigen Gartengrundstück ein vorbildliches Biotop geschaffen. Naturnah sei alles angelegt mit heimischen Obstbäumen, Sträuchern und Hecken samt einem Tümpel für Kröten und Molche. „Für all das wird man damit belohnt, dass die Nachtigall bei mir brütet“, schwärmt Klingen. Sogar ein Biber habe sich an einem Bachlauf an der Grundstücksgrenze angesiedelt – bis der benachbarte Landwirt dessen Damm habe entfernen lassen. Zu Klingens Verdruss. Auch die Forderung, Wölfe konsequent zu bejagen, lehnt er ab.

Mit dem Austritt aus der AfD ist auch der Wiedereinzug in den Landtag passé. Eventuell will sich Klingen aber über 2026 hinaus im Kitzinger Kreistag engagieren. Er liebäugelt mit dem Eintritt in eine regionale freie Wählerliste. „Das könnte eine Option sein, wenn man mich fragt“, sagt Klingen. Beruflich wird er im Herbst vermutlich wieder auf seinen Posten an der Universität Würzburg zurückkehren, wo er vor seiner Abgeordnetenzeit für die Verwaltungsverfahren rund um die Anlagen zur gentechnischen Forschung zuständig war. Ursprünglich wollte Klingen nach dem Abitur wie sein Vater und sein Opa Polizeibeamter werden. Doch nach der Ausbildung lockte ihn das Angebot zum Studium und zur heimatnahen Verwendung im gehobenen Dienst an der Uni Würzburg. In seiner Freizeit wandert und reist Klingen gern. (Jürgen Umlauft)
 

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