Ein Scharfmacher ist Johannes Hintersberger nicht. Der 67-jährige CSU-Landtagsabgeordnete wählt seine Worte in der Regel mit Bedacht. Als er in seiner Zeit als Staatssekretär im bayerischen Sozial- und Integrationsministerium zur Hochzeit der Flüchtlingskrise die Einquartierung einer gewaltigen Zahl von Migrant*innen managte, passte zwischen ihn und die Parteiführung inhaltlich kein Blatt. Doch der schrille Ton, den einige Christsoziale damals an den Tag legten, missfiel dem gläubigen Christen. Da war von „Asyltourismus“ die Rede – als ob die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer ein Traumschiff-Trip wäre. „Manche Begriffe, die damals verwendet wurden, waren grenzwertig“, erinnert sich Hintersberger.
In der Sache hätten Staatsregierung und CSU damals aber sehr viel auf den Weg gebracht. „Für die geflüchteten Menschen hat unsere Gesellschaft viel getan, um deren Integration zu gewährleisten“, sagt der 67-Jährige, der im Maximilianeum den Stimmkreis Augsburg-Stadt-West, Neusäß und Gersthofen vertritt. Dabei habe man aber auch die Interessen der heimischen Bevölkerung nicht außer Acht gelassen. Kein leichter Job: Wurden Flüchtlinge etwa in neuen Häusern untergebracht, konnte dies leicht zu Missgunst bei jenen im Ort führen, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen.
Gutes Verhältnis zur Truppe
Die drei Jahre als Staatssekretär im Sozial- und Arbeitsministerium von 2015 bis 2018 seien seine wohl spannendste Zeit in seiner politischen Karriere gewesen, sagt Hintersberger rückblickend: „Es war eine sehr intensive Zeit, dichtes Arbeitspensum und die ständige Beobachtung durch die Öffentlichkeit waren schon eine Hausnummer.“ Als 2015 und 2016 innerhalb kürzester Zeit Hunderttausende Menschen über die offene Grenze nach Bayern strömten, kamen dem langjährigen Vorsitzenden des Fraktions-Arbeitskreises Wehrpolitik auch seine Erfahrungen und Kontakte bei der Bundeswehr zugute. Als junger Mann hatte er als Zeitsoldat gedient. Und als Oberstleutnant der Reserve und Wehrpolitik-Experte ist er bis heute eng mit der Truppe verbandelt. „Damals musste es auf Zack gehen, so wie eben auch bei der Bundeswehr“, erinnert sich Hintersberger. Im Eiltempo wurden Busse organisiert und Zeltstädte hochgezogen oder Aufnahmeeinrichtungen in ehemaligen Kasernen eingerichtet. „Und die Unterbringung musste ja finanzierbar bleiben“, sagt der Unternehmensberater und Betriebswirt.
Die Anfeindungen rechter Asylgegner und linker Flüchtlingsaktivisten seien „schmerzliche Erfahrungen“ gewesen, sagt der Politiker, der vor seiner Zeit im Sozialministerium drei Jahre lang Staatssekretär beim damaligen Finanzminister Markus Söder (CSU) war.
Bis heute achtet er auf seine Wortwahl. Statt von einer Flüchtlingskrise spricht er lieber von „einer herausfordernden Flüchtlingssituation“. Auch CSU-Kollegen schätzen seine unaufgeregte und ausgeglichene Art. Nur selten wird er emotional, etwa wenn er auf die hohe Zahl an Abtreibungen in Deutschland angesprochen wird. „Das tut mir sehr weh“, sagt er dann. Es widerspreche seinem christlichen Weltbild, sagt der Schwabe, der seit 2003 im Landtag sitzt. Fast zwei Jahrzehnte vertrat er seine Partei zudem ehrenamtlich im Augsburger Stadtrat. Für Hintersberger ist das Wort „christlich“ nicht einfach nur eine Worthülse, die zum Parteinamen gehört. „Das C ist Wesenskern unserer Partei“, sagt er. Der Schwabe wurde katholisch erzogen. „Ich bin in der Sakristei fast aufgewachsen, weil mein Vater hauptberuflicher Mesner war.“
"Familie ist Keimzelle der Gesellschaft"
Der Parlamentarier, der aktuell dem Haushaltsausschuss angehört, bezeichnet sich als wertkonservativ. Die christliche Soziallehre sei ihm wichtig. Sein Vater habe Ende 1945 die Augsburger CSU mitgegründet. Sein Ziel sei es gewesen, nach der NS-Terrorherrschaft, christliche Grundwerte in der Politik zu manifestieren.
Für Johannes Hintersberger ist die Familienpolitik zentral. „Die Familie ist die Keimzelle gesellschaftlichen Lebens“, sagt der CSU-Mann. Familien seien „die echten Existenzgründer“. Wenn diese Gemeinschaft nicht wertgeschätzt werde, „dann haben wir ein Problem“. Als Staatssekretär im bayerischen Sozial- und Familienministerium setzte er sich dafür ein, dass, nachdem das Bundesverfassungsgericht das deutschlandweite Betreuungsgeld gekippt hatte, diese Leistung bayernweit erhalten blieb. Seit 2018 als „Familiengeld“. Sowohl Eltern, die ihre Kleinkinder in Krippen schicken, als auch jene, die sie zu Hause betreuen, bekommen mehrere Hundert Euro pro Monat. „Die Menschen sollen eine echte Wahlfreiheit haben“, findet Hintersberger.
Für die Hintersbergers selbst fiel die Entscheidung auf das klassische Hausfrauenmodell. Die Betreuung der fünf Kinder lag bei seiner Frau, einer Juristin und Wirtschaftsmoderatorin. „Meine Frau hat mir den Rücken für mein politisches Engagement immer frei gehalten“, sagt Hintersberger, der vor seinem Einzug in den Landtag für die Handwerkskammer Schwaben sowie als Wirtschaftsreferent der Stadt Augsburg gearbeitet hatte.
Die Hintersbergers sind durch und durch eine politische Familie. „Alle meine fünf Kinder sind in der CSU oder der Jungen Union“, sagt er stolz. Tochter Ruth sitzt im Stadtrat. Hintersberger legt großen Wert auf einen Ausgleich zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Dass die CSU Anfang der 2000er-Jahre bei der Sozial- und Jugendpolitik massiv einsparte, sei in Teilen falsch gewesen. „Das war mitunter ein Kahlschlag.“ Doch klar sei auch: „Soziale Fürsorge muss solide finanziert werden.“ Es müsse daher auch auf die Interessen der Wirtschaft geachtet werden, sagt der Finanzpolitiker.
Im Haushaltsausschuss kümmert er sich zurzeit vor allem um Wissenschaft und Kunst. Besonders geschätzt wird über Fraktionsgrenzen hinweg seine wehrpolitische Expertise. Nicht zuletzt auf Hintersbergers Betreiben wurde der Erhalt der Luftlandeschule in Altenstadt erreicht. Dass er 2018 von Ministerpräsident Markus Söder aus dem Kabinett abberufen wurde, weil die Regierung jünger und weiblicher werden sollte, hat ihn „schon geschmerzt“.
Ob er 2023 noch einmal antreten will? „Ausschließen will ich eine erneute Kandidatur nicht.“ Doch auch ohne Politik hat Hintersberger ein volles Programm. Seit vielen Jahren sitzt er im Aufsichtsrat des FC Augsburg, dessen Jugendleiter er einst war. „Der Weg in die Bundesliga war lang. Und dort wollen wir auch weiter bleiben“, sagt der 67-Jährige.
(Tobias Lill)
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