Einen so turbulenten Start ins Amt des Fraktionschefs haben auch Landtagsinsider selten erlebt. Drei Wahlgänge waren im vergangenen Oktober nötig, ehe klar wurde, dass der Fürther Abgeordnete Horst Arnold (57) künftig die SPD-Landtagsfraktion führen wird. In zwei Wahlgängen war es zu einem Patt gekommen zwischen Arnold und seinem Herausforderer, dem Münchner Florian von Brunn (50) – der als eines der größten politischen Talente der Landtags-SPD gilt, aber eben auch als ausgeprägter Ehrgeizling.
So was schätzen sie gar nicht in der Bayern-SPD. Und von Brunn hatte in der Tat etwas überzogen, als er bereits kurz nach der für die SPD desaströsen Landtagswahl erklärt hatte, als Fraktionschef zu kandidieren. Zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal alle Stimmen ausgezählt waren. Gut möglich, dass ihn dieser Ehrgeiz den Chefposten kostete. Jedenfalls war es Horst Arnold, der im dritten Wahlgang mit 13 zu 8 Stimmen zum Vorsitzenden einer auf 22 Abgeordnete geschrumpften Fraktion bestimmt wurde – 20 weniger als in der vorangegangenen Legislatur. Mit unglaublichen 9,7 Prozent war die SPD zur Minifraktion mutiert. Ein Schock.
Warum er Fraktionschef werden wollte? Weil er Solidarität für eines der wichtigsten Elemente im Politbusiness halte, sagt Arnold, der seit 2008 im Landtag sitzt. „Und ich sah die Solidarität bei uns gefährdet, weil sich die Kritik am Wahlergebnis nur an einer Person festgemacht hat.“ Tatsächlich war Florian von Brunn einer derjenigen SPD-Leute, die der Spitzenkandidatin Natascha Kohnen einen suboptimalen Wahlkampf vorgeworfen hatten. Und der damit nicht hinterm Berg hielt. Arnold wiederum gilt als Kohnen-Anhänger – und überhaupt als einer, der die eigenen Leute ungern öffentlich kritisiert. Allerdings auch als jemand, der insgesamt eher zurückhaltend agiert. Selbst seine Anhänger in der Fraktion merken an, dass Arnolds PR-Qualitäten ausbaufähig sind. Das, knurrt Arnold, sei ihm wurscht: „Ich messe den Erfolg der SPD nicht daran, wie oft der Name Arnold in den Medien erscheint, sondern daran, wie oft unsere Anliegen auftauchen.“
Bei der CSU sehen sie Arnold nicht gerade als Angstgegner
Natürlich ist derlei Bescheidenheit sympathisch. Überhaupt ist Horst Arnold ein überaus angenehmer, kluger und unprätentiöser Mensch. Wahr ist aber auch, dass Wähler eine Partei gern mit einem Gesicht verbinden – und das ist in der bayerischen SPD jedenfalls nicht das Gesicht von Horst Arnold. Bei der CSU sehen sie Arnold auch deshalb nicht gerade als Angstgegner. Die Zusammenarbeit mit ihm sei „angenehm“, lobt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Die zwei, beide frühere Richter, kennen sich lange, haben sich im Untersuchungsausschuss Landesbank gegenübergesessen und respektieren einander.
Andere Christsoziale sind weniger freundlich. Ein CSU-Insider nennt Arnold „brav, profillos, staubtrocken, ohne Charisma.“ Wegen ihres überragenden Wahlergebnisses von 17,5 Prozent werden ohnehin die Grünen als die politischen Hauptgegner wahrgenommen, deren Fraktionschefs Ludwig Hartmann und Katharina Schulze im Landtag als Oppositionsführer agieren.
Seinen Neid auf den Erfolg der Grünen kleidet Arnold in den Vorwurf, diese ließen bei ihren Initiativen die soziale Verantwortung vermissen. Klimaschutz, Ökologie – das müsse man sich auch leisten können, sagt Arnold. „Im Bioladen einkaufen ist teuer.“ Er verweist auf das von der SPD erarbeitete Klimaschutzgesetz, das unter anderem vorsieht, für einkommensschwache Bürger den Kauf von umweltfreundlichen Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Kühlschränken zu bezuschussen.
Früher trank er zu viel Alkohol, jetzt sehr viel Kaffee
Er selbst hält sich durchaus für klimabewusst, verzichtet so oft es geht aufs Auto und geht zu Fuß. In München zum Beispiel den Weg zum Müllerschen Volksbad, wo er sich fit hält. Jeden Tag, den er in München verbringt, schwimmt Arnold dort 2200 Meter, das sind 88 Bahnen. Kein Wunder, dass er nicht zu den Politikern zählt, die wegen der vielen Arbeitsessen jedes Jahr fülliger werden. Er achte auf seine Gesundheit, sagt Arnold.
Das war nicht immer so. Im Jahr 2013 machte er seine Alkoholabhängigkeit öffentlich. Als Richter, erzählte er damals einer Zeitung, habe er ein geregeltes Leben geführt, als Berufspolitiker war vieles anders. Wenn man in der Öffentlichkeit stehe, sei Trinken „salonfähig, um nicht zu sagen: gewünscht. Daraus entsteht eine gewisse Lässigkeit, sodass man irgendwann die Grenzen nicht mehr kennt." Arnold hörte von einem Tag auf den anderen auf, stellte seine Ernährung um, nahm ab. Heute sagt er: „Alkohol ist ein Feind der Leistung und des klaren Verstands.“ Auch die Fähigkeit zur Selbstkritik lasse nach – Alkohol fördere narzisstisches Verhalten. Inzwischen ist Kaffee seine Droge, er konsumiert das braune Gebräu literweise.
Als Ministrant wurde er geohrfeigt, weil er sich für die SPD gefreut hatte
Als Fraktionschef setzt Arnold auf Teamplay, aber auch auf Disziplin. Zu seinen ersten Amtshandlungen zählte die Einführung von Strafgebühren für SPD-Kollegen, die in fraktionsinternen Sitzungen fehlen. Wer unentschuldigt abwesend ist, berappt 25 Euro; das Geld bekommt der Landtag. Klar: Wenn bei einer nur 22-köpfigen Fraktion ständig Leute nicht erscheinen, fällt das mehr auf als bei einer großen Truppe. Oft gibt es jetzt nur noch einen SPD-Fachmann für bestimmte Fachgebiete; früher waren es mehrere, die dann jeweils einen Arbeitskreis bildeten.
Weil eine einzelne Person kein Arbeitskreis sein kann, musste sich die SPD-Fraktion nach der Wahl auch organisatorisch neu aufstellen. Statt der früheren Fraktionsarbeitskreise gibt es jetzt drei Arbeitsforen, in denen Abgeordnete, die sich mit verwandten Themen befassen, gemeinsam über neue Initiativen nachdenken.
Ob er sich selbst als Themensetzer sieht oder eher als Moderator? „Als moderierenden Themensetzer“, antwortet Arnold. In der Fraktion wird er als kollegial wahrgenommen, als Mann des Ausgleichs. Was nach dem schwierigen Start auch eine Leistung ist.
Dass er mal in die Politik wollte, war dem Vater dreier Kinder (26, 22 und 14) früh klar. Bereits als Bub war er politisch interessiert. Als zehnjähriger Ministrant kassierte der Katholik eine Ohrfeige vom Prälaten, weil er sich so sakrisch über den Sieg der SPD bei der Bundestagswahl gefreut hatte. Mit 16 trat er in die SPD ein. „Ich wollte Richter werden, und ich wollte in den Landtag“, erzählt Arnold. Beides hat geklappt.
Was noch nicht geklappt hat: Die bayerische SPD nach dem Wahlschock zu reanimieren, was natürlich nicht allein Arnolds Aufgabe ist. Nach den unfassbaren 9,7 Prozent beim Urnengang im Oktober ist die SPD in landesweiten Umfragen weiter abgestürzt: Zuletzt erreichten die weißblauen Sozis nur mehr 6 Prozent. Eine Zahl, die sogar den einstigen SPD-Hauptgegner CSU betroffen macht.
(Waltraud Taschner)
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