Susann – wer? Selbst Landtagsabgeordnete müssen beim Namen Susann Enders erst mal überlegen. Okay, die 53-jährige Freie-Wähler-Abgeordnete aus Weilheim sitzt erst seit Oktober 2018 im Landtag. Allerdings fungiert sie seit Mai 2019 auch als Generalsekretärin ihrer Partei – ein Job, der normalerweise eine gewisse Außenwirksamkeit sichert. Oft sind es die Generalsekretär*innen der Parteien, die als Erste lautstark lospoltern, wenn es darum geht, eigene politische Vorhaben zu verteidigen beziehungsweise Ideen der anderen niederzumachen.
Nur: Als Lautsprecherin ist Enders völlig ungeeignet. „Ich bin nicht der Typ, der schrille Überschriften formuliert, um in die Medien zu kommen“, sagt Enders über sich. Was die Position der Generalin angeht, „hab ich ein anderes Verständnis“, erklärt die frühere OP-Schwester. Sie will „inhaltlich etwas erreichen“ – ohne großes Gezeter. Die anderen Aufgaben einer Generalsekretärin – Parteitage organisieren, Wahlkämpfe planen – werden ohnehin im Hintergrund erledigt.
Wahr ist natürlich auch, dass die Freien Wähler mit Parteichef Hubert Aiwanger und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion Fabian Mehring bereits zwei ausgesprochen mitteilungsfreudige Alphatiere haben, deren Omnipräsenz wenig Raum für andere lässt. In der CSU sorgt das mitunter für Mitgefühl. Er könne Enders „nur bedauern“, lästert ein prominenter CSUler: „Neben Aiwanger und Mehring bleibt wenig Luft.“ Sodass die Generalsekretärin „keine Chance“ habe, sich zu profilieren – und eher Sekretärin sei als Generalin.
Hinzu kommt: Eigene Erfolge mag Enders nicht besonders hochjubeln. Dabei hat sie durchaus einiges erreicht in ihrer Landtagsarbeit. Ihre Spezialgebiete im Parlament sind die Sozial- und die Gesundheitspolitik, Enders gehört beiden Fachausschüssen an. Die Einführung eines 500-Euro-Pflegebonus für Menschen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für Alte und Kranke da waren – das, sagt Enders, „war ursprünglich meine Idee“. Der Vorstoß wurde im Frühjahr von der schwarz-orangen Koalition beschlossen, verkündet wurde er, wie das in Regierungen nun mal so ist, vom Ministerpräsidenten.
Bis zur ihrer Wahl arbeitete Enders als OP-Schwester
Dass Markus Söder (CSU) und nicht sie selbst dabei groß rausgekommen ist, scheint Enders nicht zu bedrücken. Was sie aber wirklich verdrießt, ist, dass sie die Prämie an viel mehr Menschen zahlen wollte. Nämlich an alle Pflegekräfte. Tatsächlich bekommen haben die 500 Euro aus Bayern aber nur diejenigen, die laut Jobbeschreibung „direkt“ mit den Patienten zu tun hatten. Zum Beispiel erhielten OP-Schwestern die Zahlung, OP-technische Assistentinnen aber nicht. „Dabei machen sie die gleiche Arbeit, die allerdings zum technischen Bereich zählt“, ärgert sich Enders. Ihr Resümee zum Pflegebonus: „Dafür, dass laut geklatscht wurde, ist relativ wenig rübergekommen.“
Auf Wohlwollen bei der CSU stieß auch Enders’ Wunsch, ein Gehörlosengeld einzuführen analog zum bayerischen Blindengeld. Das war allerdings vor der Corona-Pandemie. Die CSU, entsinnt sich die FW-Frau, „fand das gut“. Jetzt aber hängt das Projekt in der Warteschleife. Enders hofft, dass es im kommenden Jahr umgesetzt werden kann. Wenn die Corona-Folgen im bayerischen Haushalt noch Spielräume erlauben.
Überhaupt, Corona. Enders und mit ihr die Freien Wähler werden nicht müde, die aus ihrer Sicht oft überzogenen Beschränkungen für Wirtschaft und Bürger zu geißeln. Noch mehr Maskenpflicht? Markus Söder hält das für eine gute Idee. Enders indes stöhnt auf. Ein Mund-Nasen-Schutz in der Fußgängerzone, also bitte. „Das ist unverhältnismäßig“, stellt sie klar. Ebenso das Starren auf Inzidenzwerte. „Wir dürfen uns nicht nur danach richten“, glaubt Enders.
Vielmehr müsse man auch sehen, wie viele Menschen tatsächlich erkrankt seien, wie viele Corona-Patienten in Kliniken lägen und wie viele an dem Virus sterben. Verharmlosen mag sie die Krankheit keinesfalls. „Ich will, dass man von der Hysteriewelle runterkommt und Vernunft walten lässt.“ Das will Hubert Aiwanger auch. Bei Markus Söder hat er sich mit seinen Forderungen jedoch schon oft die Zähne ausgebissen. Wobei die FW – wohlgemerkt: Fabian Mehring, nicht Susann Enders – nicht müde werden, diverse Corona-Lockerungen als eigene Erfolge zu verbuchen. Die Wirtshaus-Wiesn in München etwa oder die Schaffung einer Kommission zur Bewertung von Corona-Beschränkungen.
Ein Kinderbuch hat sie auch schon geschrieben
Innerhalb der FW-Fraktion zählt Enders zur sehr überschaubaren Gruppe der weiblichen Mitglieder. Lediglich sechs der 27 Abgeordneten sind Frauen. Parteichef Aiwanger stand deshalb nach der Wahl unter Druck und war bemüht, zumindest bei der Postenvergabe auch Frauen zu berücksichtigen. Eine Frauenquote, die inzwischen selbst von der CSU befürwortet wird, lehnt Enders aber genauso ab wie ihre Partei. Sie wolle „keine Quotenfrau sein“, argumentiert sie. Frauen sollten halt „zeigen, was sie können“, und sie müssten bestimmte Karriereschritte auch tatsächlich machen wollen.
Sie selbst hat bislang eher selten „hier“ gerufen, als es um Posten ging. So legt sie Wert darauf, dass sie sich nicht aktiv um den Posten der Generalsekretärin bemüht habe. Und ihre Mitgliedschaft bei den FW lief so, dass die Partei auf sie zukam, sie bat mitzumachen, weil sie sich in Weilheim immer mal wieder für dies und das engagiert hatte. So trat Enders vor zehn Jahren in die Partei ein, wurde auch gleich in den Vorstand gewählt. Auch wenn sie bescheiden wirkt, sei sie eine Kämpferin, sagt Enders. Und erwähnt, dass Hubert Aiwanger sie mal als „Schlachtross der FW“ bezeichnet habe. Was sie einerseits gefreut, andererseits aber auch irritiert hat. Weil das, wie sie andeutet, halt doch ein mittelcharmantes Kompliment sei.
In Bayern lebt die aus Sachsen-Anhalt stammende Mutter dreier Kinder im Alter von 15, 19 und 34 Jahren seit 1996. Sie kam aus beruflichen Gründen nach Weilheim, verliebte sich in ihren jetzigen Mann, einen Musikprofessor – und blieb.
Enders arbeitete bis kurz vor der Wahl als OP-Schwester, ein Job, den sie, wie sie sagt, geliebt hat. Wenn auch nicht so sehr wie ihren jetzigen. Sie habe noch nie so viel gearbeitet und dabei so glücklich gewirkt wie derzeit – sagte ihre 15-jährige Tochter neulich.
Öffentlich bekannt wurde Enders übrigens bereits vor ihrer Zeit als Politikerin: als Autorin eines Kinderbuchs. Piepsi, die Waldmaus beschreibt die Abenteuer einer Maus in der Weilheimer Gegend. Noch heute würden fremde Menschen sie auf der Straße darauf ansprechen, erzählt Enders. Das findet sie rührend. An ihrer Popularität als Generalin muss die Bescheidene halt noch ein wenig feilen.
(Waltraud Taschner)
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