Wenn es ums Image geht, sind Politiker*innen ähnlich unbeliebt wie Presseleute oder Angestellte der Steuerverwaltung. Dabei sind natürlich keineswegs alle Politprofis eitel, nichtsnutzig und nur auf ihren Vorteil erpicht. Ein besonders gutes Beispiel fürs Gegenteil ist die Erlanger SPD-Abgeordnete Alexandra Hiersemann. Die 61-jährige Juristin sitzt seit 2013 im Landtag und agiert dort als Volksvertreterin im besten Wortsinn.
Das beginnt schon mal damit, dass sie nie auf die prestigeträchtigsten Posten spechtete. Sondern darauf guckte, wo sie am besten helfen konnte. Vor allem ist das der sehr unspektakuläre Bereich Petitionen. Seit ihrer Wahl in den Landtag ist Hiersemann Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, zwei Jahre lang fungierte sie als Vizechefin. Ein Posten, den sie nach den geänderten Mehrheitsverhältnissen bei der Wahl 2018 an die CSU abtreten musste. Seitdem ist sie wieder einfaches Mitglied im Petitionsausschuss.
Die Arbeit in diesem Gremium ist alles andere als glamourös. Der Großteil der Bürgereingaben besteht aus Bau- und Asylangelegenheiten. Das entsprechende Aktenstudium ist langwierig und oft kompliziert. Und die wenigsten Petitionen sind erfolgreich in dem Sinn, dass sich für die Betroffenen konkret etwas ändert. Aber für die Menschen, die sich mit einer Eingabe an den Landtag wenden, ist es oft der letzte Strohhalm in einer für sie ausweglosen Situation.
Am Petitionsausschuss, sagt Alexandra Hiersemann, „hängt wirklich mein Herz“. Weil es „um ganz viele Einzelschicksale“ gehe. Vor allem die Asyleingaben sind ihr ein Anliegen. Auch wenn man in Fällen der Aufenthaltserlaubnis nur sehr selten etwas ändern könne – „manchmal“, sagt Hiersemann, „ist es doch möglich, eine Lösung zu finden, sodass es dann nicht zur Abschiebung kommt.“ Das ist dann immer ein sehr guter Tag im Leben der Abgeordneten und bekennenden Protestantin Hiersemann.
In der SPD-Fraktion sorgt ihr uneitles Engagement für Respekt. Hiersemann, sagt ein langjähriger Sozialdemokrat, sei überaus gründlich, kollegial – und „sie hätte mehr aus ihren Fähigkeiten machen können“. Wenn sie um den einen oder anderen Job gekämpft und sich ein bisschen mehr nach vorn gedrängt hätte. Aber das ist eben so gar nicht ihr Ding. Und so dürfte es kein Zufall sein, dass sie nicht zum Fankreis des überaus selbstbewussten und medienaffinen SPD-Fraktionschefs Florian von Brunn zählt, der sein Führungsamt im Mai per Kampfabstimmung erobert hatte. Dass Hiersemann eines derjenigen Fraktionsmitglieder ist, die den damaligen Amtsinhaber Horst Arnold unterstützten, ist kein Geheimnis.
Zur SPD fand Hiersemann als Studentin. Die gebürtige Kölnerin war zum Jurastudium nach Würzburg gekommen. Durch eine Kommilitonin lernte sie die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen kennen, wo sie dann mitarbeitete. Nach Abschluss ihres Studiums ging sie für ein Jahr nach Oxford, um dort bei einer englischen Kanzlei zu arbeiten. Zurück in Franken war sie bei einer Suchthilfeeinrichtung tätig.
Im Jahr 1990 übernahm die Juristin die Stelle der Referentin für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen der SPD-Landtagsfraktion. Eine Entscheidung, die in jeder Hinsicht ihr Leben veränderte. Im Landtag lernte sie den Mann ihres Lebens kennen: Karl-Heinz Hiersemann, damals SPD-Fraktionschef. Die beiden verliebten sich, heirateten 1993 und wurden 1994 Eltern eines Sohnes.
Witwe mit 38 Jahren
Das Glück der beiden währte nur kurz. Karl-Heinz Hiersemann, ein charismatischer Politiker und glänzender Redner, starb 1998 an Krebs. Von der Diagnose bis zu seinem Tod vergingen nur zehn Monate. Für Alexandra Hiersemann, die nach der Geburt ihres Sohnes ihren Job aufgegeben hatte, um für den Kleinen da zu sein, bedeutete das neben dem persönlichen Schmerz und Verlust auch existenzielle Not. Das Haus, das die Eheleute gekauft hatten, war nicht abbezahlt. Und die Witwenpension allein reichte für die Verbindlichkeiten keineswegs aus. Ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Mannes machte sie sich deshalb in Erlangen als Rechtsanwältin selbstständig. Es sei ihr damals nicht nur darum gegangen, für sich und ihren Sohn das Haus zu erhalten, sagt Hiersemann. Sondern auch darum, „von meinem Kind als berufstätige Mutter wahrgenommen zu werden“. Sie habe dem Kleinen vorleben wollen, „dass Arbeit Freude macht“.
Inzwischen ist der Bub erwachsen, hat ebenso wie seine Eltern Jura studiert, vor einem halben Jahr das Zweite Staatsexamen bestanden – und ist, wie auch die stolze Mama findet, seinem berühmten Papa wie aus dem Gesicht geschnitten.
Bereits während ihrer Zeit als Rechtsreferentin der Landtags-SPD war Alexandra Hiersemann für den Bereich Untersuchungsausschüsse zuständig; sie kannte sich also gut aus mit der diffizilen Materie. Und so hatte es sich ergeben, dass sie die Fraktion hier auch ab 1999 wieder beriet. Insgesamt sieben Untersuchungsausschüsse hat Hiersemann bislang begleitet, einen davon, den Modellbau-Ausschuss um die damalige Ministerin Christine Haderthauer (CSU), als Landtagsabgeordnete.
Wie es zu ihrer Landtagskandidatur 2013 kam? Jedenfalls war es nicht so, dass die zurückhaltende Hiersemann sich die Kandidatur gegen irgendwelche Alphatiere erkämpfte. Es war einfach niemand da, der sich im Stimmkreis Erlangen-Höchstadt engagiert hätte.
Natürlich zählt sie im Landtag nicht zu denjenigen, die ihre Heldentaten täglich per Pressemitteilung rausposaunen. Tatsächlich muss man überlegen, wann man zuletzt eine Pressemeldung von ihr gelesen hat. Facebook oder Twitter sind erst recht nicht ihr Ding. „Ich arbeite einfach gern an Inhalten“, sagt Hiersemann. „Ich möchte die Möglichkeit haben, etwas Sinnvolles im Kontext zu sagen.“ Klar, das geht oft nicht in zehn Worten. Auch klar: So kommt man nicht in die Medien.
Was, gerade mit Blick aufs schlechte Image der Politik, ziemlich schade ist. Deren Aufgabe definiert Alexandra Hiersemann ganz schlicht als Dienst am Menschen: „Wir wollen die Gesellschaft besser machen.“ Ein Satz, der bei ihr überhaupt nicht abgedroschen daherkommt. (Waltraud Taschner)
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