Landtag

Mia Goller. (Foto: BSZ)

01.03.2024

Die Bilderbuch-Bayerin

Im Porträt: Die Grünen-Abgeordnete Mia Goller

Das Gespräch mit Mia Goller dreht sich schon eine Weile um den Begriff Heimat, das Leben und Wirken in einer Dorfgemeinschaft und die Bedeutung des Glaubens. Irgendwann stellt sich fast zwangsläufig die Frage, was die von Ober- nach Niederbayern übergesiedelte Grüne von der im Wahlkampf von CSU-Chef Markus Söder oft wiederholten Botschaft hält, die Grünen hätten „kein Bayern-Gen“. In Kenntnis ihrer eigenen Biografie und der Einschätzung, dass „Hochdeutsch nicht so meine Stärke ist“, sagt die 46-Jährige zunächst: „Da muas i schmunzeln.“ Um dann mit einigem Ernst anzufügen: „Des is a bleeds Daherschmatzn!“ Dummes Gerede also. Söders Aussage sei „spalterisch“. Was sei das für eine Logik, jemandem die Zugehörigkeit zu Bayern abzusprechen, nur weil er oder sie Grüner sei. Und was sie persönlich betreffe: Markus Söder habe sie 2017 mit dem Bayerischen Heimatpreis ausgezeichnet. „Und dann soll Bayern nicht meine Heimat sein?“

Goller lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren in Diepoltskirchen im Landkreis Rottal/Inn, wo sie gerne reitet, gartelt und das erworbene 200 Jahre alte Wohnhaus herrichtet. Das Dorfwirtshaus ein paar Meter weiter ist für sie der „Ankerpunkt für Heimat“. Abends setzt sie sich gerne an den Stammtisch, bestellt sich einen „Pfiff“ – ein kleines Absackerbierchen – „und dann sitzen wir beisammen“. Sie lauscht gern den neuen und alten Geschichten aus dem Ort, aber diskutiert auch gerne. Der Stammtisch, ist für sie Austausch, man lernt, auch mal andere Meinungen auszuhalten. Sie findet das bereichernd. Wenn es mal hoch hergeht, also nicht am Stammtisch sondern im Wirtshaus, dann stellt sich Goller aushilfsweise hinter den Tresen oder bedient.

Bei der Feuerwehr ist Goller aktives Mitglied, im örtlichen, nach ihrer Darstellung „megakatholischen“ Frauenkreis ist sie im Vorstand. Sie liest die Fürbitten im Weihnachtsgottesdienst, schmückt den Altar in der Kirche und bereitet den Fronleichnams-
umzug mit vor. Ihr gefällt es, Traditionen zu lernen und weiterzutragen. „Ich werde immer katholischer, je älter ich werde“, sinniert Goller. Das Jahr im Rhythmus der kirchlichen Feste zu begleiten, der Glaube insgesamt „tut mir in der aktuellen Krisensituation sehr gut“. Ein bisschen staunt sie da über sich selbst: „Vor 20 Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können.“

Der Einsatz für die ländlichen Regionen und die Heimat begleitet Goller schon ihr ganzes Berufsleben. Nach dem Fachabitur und einem Jahr als Arbeiterin in einem Industriebetrieb – „ich habe mir Geld verdient, weil ich mir ein Pferd kaufen wollte“ – war sie erst Praktikantin, dann Volontärin bei der örtlichen Regionalzeitung, wo sie schnell für Agrarthemen zuständig wurde. Immerhin ist Goller auf einem Bauernhof aufgewachsen, ihr Vater leitete eine Bullenmast. Später arbeitete sie freiberuflich als Agrar-Fachjournalistin. 

Aus den dabei gemachten Erfahrungen heraus gründete sie 2013 den Einfraubetrieb „Dorfratschen“. Der Begriff mit der Nähe zum Dorftratsch war bewusst gewählt, es ging Goller aber um mehr. Ihre kleine Firma sei ein „Büro für ländliche Kommunikation und Vernetzung“. Als „Expertin für ländliche Dinge“ beriet sie bis zum Einzug in den Landtag – dort ist sie nun agrarpolitische Sprecherin der Grünen – bäuerliche Direktvermarkter in Sachen Marketing.

„Ich werde immer katholischer, je älter ich werde“

Außerdem begleitete sie Projekte der ländlichen Entwicklung und knüpfte lokale und regionale Netzwerke für kleine Unternehmen und Selbstständige. Daneben ist Goller Vorsitzende im Verein Heimatunternehmen zwischen Isar und Inn, der sich der Förderung und dem Rückhalt von Unternehmen verschrieben hat, „die den ländlichen Raum bereichern“. Es geht um Nachhaltigkeit und den Erhalt eines in jeder Hinsicht attraktiven Lebensraums auf dem Land.

Zu den Grünen ist Goller erst 2011 gekommen. Sie hatte ihre Tätigkeit als Journalistin nicht mit einer Parteimitgliedschaft für vereinbar gehalten. Zwei Ereignisse waren laut Goller für den Eintritt ausschlaggebend: zum einen der Tod von Sepp Daxenberger aus dem benachbarten Waging, damals bayernweit bekanntester Grüner und Inbegriff des urbairischen Grünen vom Land. Da wollte Goller in der Region mithelfen, die von ihm hinterlassene Lücke als grüne Stimme des ländlichen Raumes zu schließen. Und zweitens die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Auf Demos gegen die Atomkraft war sie mit vielen Grünen in Kontakt gekommen. Entscheidend war aber die Heimfahrt von einer Kundgebung. Da hatten ihre Kinder am Rücksitz insistiert, es müsse doch jemand was tun, damit die Reaktoren in Deutschland abgeschaltet würden. Mit dem „jemand“ hat sie sich angesprochen gefühlt, sagt Goller.

Aufgewachsen ist sie allerdings in einem alles andere als grünen Umfeld. Der Opa war über Jahrzehnte CSU-Bürgermeister – inklusive Franz-Josef-Strauß-Fotos in der Stube. Und ihr Vater war CSU-Kreisrat im Landkreis Traunstein. Trotzdem hat immer eine offene Debattenkultur geherrscht zu Hause, erzählt Goller. Auch später gab es nie Konflikte wegen der konventionellen Bullenmast auf dem Hof und dem agrarpolitischen Ansatz der Grünen. Goller sieht das ohnehin unideologisch. Klar, die Grünen wollten 30 Prozent Biolandwirtschaft in Bayern. „Aber die übrigen 70 Prozent der Bauern haben auch ihre Berechtigung, auch ihnen soll es gut gehen“, betont sie. Natürlich sei es ihr Ziel, dass die konventionelle Landwirtschaft nachhaltiger und mit weniger Dünger und Pflanzenschutz arbeite.

Mit dieser Haltung geht sie auch in die aktuellen Diskussionen mit Bauern. Mal abgesehen von den Fehlern, die in Berlin beim Agrardiesel gemacht worden seien, verliefen ihre Gespräche mit Bauern auf dieser Basis sachlich und konstruktiv. Sie sieht sich in der Rolle einer Vermittlerin, die beide Welten im Sinne einer gesicherten Zukunft für die Landwirt*innen zusammenbringen will. (Jürgen Umlauft)

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