Landtag

Sylvia Stierstorfer. (Foto: privat)

03.01.2020

Die Brückenbauerin

Im Porträt: Sylvia Stierstorfer, CSU-Abgeordnete und Beauftragte der Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene

Vertriebenenpolitik: Da stöhnen viele auf. Ob man das Thema nicht mal ruhen lassen könne, wird oft gefragt – das sei doch alles schon so lang her. Vor allem junge Leute reagieren genervt, wenn Oma und Opa von Flucht und Vertreibung erzählen. Immer wieder konfrontiert zu werden mit den Schrecknissen der Vergangenheit, das ist halt nicht jedermanns Sache.

Und doch ist es wichtig, sich mit der Vergangenheit, mit der (Familien-)Geschichte zu befassen. Auch deshalb, um mehr Verständnis zu entwickeln für die vielen Opfer aktueller Vertreibungen. Und um zu begreifen, „welch hohes Gut Frieden, Freiheit und Sicherheit sind“, sagt die CSU-Politikerin Sylvia Stierstorfer. Die 56-jährige Regensburger Landtagsabgeordnete fungiert als Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene. Sie ist damit Ansprechpartnerin für Vertriebenenverbände und zuständig dafür, Verständnis für die Belange Betroffener zu wecken. Auch und vor allem bei jungen Menschen.

Dazu geht die frühere Bankkauffrau beispielsweise in Schulen, um dort im Rahmen des Sozialkundeunterrichts mit Schülern zu sprechen, und setzt sich für den Schüleraustausch zwischen Bayern und Tschechien ein. Für den 6. März hat sie zudem im bayerischen Landtag ein Jugendforum zum Thema Vertreibung geplant. Ziel ist es, „eine Arbeitsplattform zu schaffen für junge Leute, die sich für das Thema interessieren“, erklärt Stierstorfer. Es geht darum, wie man das schwierige Thema so aufbereiten kann, dass sich junge Menschen angesprochen fühlen. Eingeladen sind unter anderem Vertriebenenlandsmannschaften. Aber für die Veranstaltung anmelden, sagt Stierstorfer, „kann sich jeder“.

Jeder dritte Bayer stammt von Vertriebenen ab

Tatsächlich stammt laut Stierstorfer jeder dritte Bayer von Heimatvertriebenen ab – als Randthema kann man das Ganze schon deshalb nicht abtun. Auch Stierstorfer selbst hat sudetendeutsche Wurzeln: Ihr Großvater kommt von dort.

Neben den Heimatvertriebenen leben in Bayern seit 1990 Hunderttausende Russlanddeutsche. Fakt sei, dass sich die Vertriebenen und Aussiedler häufig nicht akzeptiert fühlen, so Stierstorfer. Daneben haben Betroffene ganz praktische Probleme; so werden etwa im Ausland erworbene Berufsabschlüsse hier oft nicht anerkannt, und auch bei der Anrechnung von Rentenanwartschaften gibt es Probleme. All das sind Baustellen, um die sich Stierstorfer kümmern will – teilweise gemeinsam mit ihrem Kollegen auf Bundesebene, Bernd Fabritius (CSU).

Abgesehen von Bayern und dem Bund gibt es Vertriebenenbeauftragte in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. In Bayern wurde das Amt der Vertriebenenbeauftragten im März 2018 neu geschaffen, zusammen mit einer Reihe weiterer Regierungsbeauftragter. Die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) initiierte Aktion wurde von der Opposition damals als unnötig und teuer kritisiert.

Politische Auftritte mit dem Gatten: lieber nicht

Ergänzend zu der schon seit mehreren Jahrzehnten tätigen, inzwischen hauptamtlichen Behindertenbeauftragten und den von Horst Seehofer (CSU) eingeführten Integrations-, Entbürokratisierungs- sowie Pflege- und Patientenbeauftragten gibt es in Bayern vier weitere Beauftragte: den Bürger-, den Ehrenamts- und den Antisemitismusbeauftragten sowie die Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene. Die Beauftragten erhalten eine Aufwandsentschädigung von 2000 Euro pro Monat, sie verfügen über eine Geschäftsstelle plus Personal. Stierstorfer hat drei Mitarbeiter.

Dass sie in die Politik will, wusste die Mutter einer inzwischen 26-jährigen Tochter früh. Bereits in der Klosterschule fiel sie wegen ihres politischen Interesses auf. „Du wirst mal Bürgermeisterin“, prophezeite eine ihrer Lehrerinnen damals. Tatsächlich kam es so: Mit 33 Jahren wurde sie stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Pfatter, sechs Jahre später stellvertretende Landrätin von Regensburg, im Alter von 40 schaffte sie den Sprung in den Landtag – im Vorfeld hatte sie vier parteiinterne Mitbewerber um den Posten hinter sich gelassen.

Ihr Mann, der in der Verwaltung einer Klinik arbeitet, hat sie dabei stets unterstützt – ohne sich selber groß einzumischen in die Politik. Das in der CSU übliche Auftreten im Doppelpack zählte nie zu den Usancen im Hause Stierstorfer. „Ich habe einen selbstbewussten Mann“, betont Sylvia Stierstorfer. Als solcher sehe er seine Aufgabe nicht darin, bei politischen Veranstaltungen der Gattin aufzukreuzen. Schön, den typischen Männer-Karriere-Satz mal aus dem Mund einer CSU-Frau zu hören: „Mein Mann“, freut sich die Abgeordnete Stierstorfer, „hat mir immer den Rücken frei gehalten“.

Frauenpolitik ist nicht unbedingt ihr Steckenpferd

Im Landtag sitzt sie seit 2003. Vor ihrer Zeit als Vertriebenenbeauftragte fungierte sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses. Auch um Frauenpolitik hat sie sich gekümmert – wenngleich das nicht ihre oberste Priorität war. „Als Frau habe ich immer das erreicht, was ich erreichen wollte“, sagt Stierstorfer. Beim Thema Frauenquote fiel sie bislang nicht als Vorkämpferin auf. Es klingt ein bisschen pflichtschuldig, wenn sie Söders Scheitern bei dessen Quotenvorstoß kommentiert. „Natürlich hätte ich mir mehr gewünscht“, erklärt Stierstorfer mit Blick auf das Votum des Parteitags. Und dass die Frauenquote „eine Daueraufgabe“ sei – so ähnlich würden das auch CSU-Männer formulieren.

Allerdings: Schaum vorm Mund hat die Oberpfälzerin auch bei anderen Themen nicht. Ihre Anliegen im Landtag vertritt sie stets mit freundlichem Nachdruck. Das Miteinander ist ihr näher als das Gegeneinander. So auch beim Thema Flüchtlingspolitik. Als einzelne in der CSU sich hier mit schrillen Tönen bemerkbar machten, setzte Stierstorfer auf Versöhnung, packte Thermoskannen mit Kaffee ein und besuchte Flüchtlingsunterkünfte in ihrem Stimmkreis. „Man kann etwas befeuern, oder man kann versachlichen“, sagt die CSU-Frau und lächelt.
(Waltraud Taschner)

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