Jutta Widmann ist von ansteckender Fröhlichkeit. Wahrscheinlich braucht man so ein sonniges Gemüt in ihrem Job. Widmann ist Festwirtin. Noch heute ist die Abgeordnete der Freien Wähler oft mit der Familie unterwegs, wenn diese mit dem großen Bierzelt über die bayerischen Volksfeste tingelt. „Im Bierzelt habe ich die meisten Bürgersprechstunden“, erzählt sie. „Ich schnaufe die gleiche Luft, ich habe die gleiche Lautstärke wie die Festgäste im Ohr“, berichtet die 60-jährige Landshuterin so beschwingt, als ob sie gleich wieder losziehen möchte.
Dabei ist Widmann eigentlich Lehrerin für Sport und Wirtschaft. Doch die sichere Beamtinnenplanstelle am Gymnasium in Dingolfing gab sie bald für den Festzeltbetrieb ihres Mannes auf. „In meiner Beurteilung zum Zweiten Staatsexamen war gestanden, dass ich extrem belastbar bin – das hat meinem Mann offenbar gefallen“, schildert sie mit einem herzhaften Lachen ihren Einstieg in das harte Geschäft der Volksfestbranche. In der Hochsaison sind 16-Stunden-Tage keine Seltenheit, jede Woche wird der komplette Betrieb mit großen Lastwagen an einen anderen Ort verlegt. Man muss das mögen, was bei Widmann offensichtlich der Fall ist. Zum mittelständischen Betrieb der Widmanns gehört seit rund 20 Jahren auch ein schmuckes Hotel in der Landshuter Innenstadt und seit Neuestem ein kleiner Öko-Bauernhof.
Widmann kann aber auch ernst und nachdenklich sein. Zum Beispiel wenn man sie auf die Corona-Zeit anspricht. Hart sei die gewesen für den Familienbetrieb, von dem inzwischen auch die Familien ihrer beiden Kinder leben. Mehr ins Detail will sie nicht gehen. Nur so viel: „Es gab früher schon mal schlechte Phasen, weil das Wetter nicht passte oder gerade Fußball-WM war – aber direkt ein Berufsverbot, das war schon heftig.“ Auch ihren lockeren Abgeordneten-Blog im Internet stellte sie damals ein, weil es nicht mehr in die Zeit passte. Stattdessen kümmerte sie sich um die vielen Bürgeranliegen, versuchte, besorgte Menschen zu beruhigen und Mut zu machen.
Der Einstieg in die Politik war nicht geplant. „Eigentlich bin ich über den Ärger in die Politik gekommen“, erzählt sie. Sie und ihr Mann hatten einen Hausbau in Landshut vor, aber die Genehmigung dafür zog sich über drei Jahre hin. Genervt wandte sie sich an alle politischen Gruppierungen im Stadtrat. Bei den Freien Wählern schließlich stieß sie auf Zeit und Interesse für ihr Anliegen. Das imponierte ihr. Auf die Frage, ob es die Abgeordnete Widmann heute nicht gäbe, wenn die Baugenehmigung damals schneller gekommen wäre, antwortet sie erneut mit einem herzhaften Lachen: „Dann hätte ich mich halt über was anderes aufgeregt!“
Ihr Schritt in die Landshuter Kommunalpolitik, entsinnt sie sich, war „nicht lustig“. Die absolute CSU-Mehrheit im Stadtrat unter dem Langzeit-Oberbürgermeister Josef Deimer hatte die Geschicke der Stadt fest im Griff und dies die anderen Gruppierungen auch spüren lassen. Rückblickend war’s eine gute Schule für den Sprung in den Landtag 2008. Auch da wurden die Freien Wähler als neue Fraktion argwöhnisch beäugt und auch geschnitten, sagt Widmann. So kam sie schnell „in den Kampfmodus“.
Überhaupt machten ihr die ersten Jahre in der Opposition viel Spaß. Man konnte frei arbeiten und experimentieren, ohne Fraktionszwang eigene Ideen voranbringen. „In der Regierung werden einem ja gleich die Flügel gestutzt“, schildert Widmann den Wechsel 2018 in die Koalition mit der CSU.
Opposition hat auch ihre Reize: Man muss weniger Kompromisse eingehen
Als Koalitionspartner, sagt Widmann, müsse man viele Kompromisse eingehen und manche Kröte schlucken. Immerhin aber gibt es mehr Möglichkeiten, Akzente zu setzen und eigene Anliegen umzusetzen. Wichtig sei, seinem Politikstil treu zu bleiben.
Genau das praktiziert Widmann in ihrer Heimatregion. Denn keine 15 Kilometer vor den Toren Landshuts wohnt Hubert Aiwanger. Der FW-Chef ist auch dort omnipräsent. Widmann sagt, sie verstehe sich mit „dem Hubert“ sehr gut, es gebe „viel gleiche Wellenlänge“. Fast täglich stehen sie in Kontakt – und lernen voneinander. So stecke in Aiwangers Einsatz für die bayerische Gastronomie und Hotellerie sehr viel Widmann, sie wiederum habe sich beim gelernten Landwirt Aiwanger Tipps für ihren kleinen Bauernhof geholt.
Im Landtag hatte Widmann ihren Schwerpunkt zunächst in der Wirtschaftspolitik gesetzt. Als im Fachausschuss nach Fukushima allerdings Energiethemen immer wichtiger wurden, schied sie aus und konzentrierte sich voll auf die Bearbeitung von Bürgeranliegen im Petitionsausschuss. Hier glaubt sie, ihre pädagogischen und kommunikativen Fähigkeiten am besten zur Geltung bringen zu können. Vor allem Ortstermine sind ihr Terrain. „Da kann man gemeinsame Lösungen für die Anliegen der Menschen finden“, schwärmt sie. Inzwischen hat sie da mehr Erfolgs- als Frusterlebnisse. Denn sie hat gelernt, Spielräume in Gesetzen zu finden und zu nutzen. „Da habe ich mittlerweile den Dreh heraus, wie manchmal doch noch was geht“, freut sie sich beinahe diebisch. Mehr verraten will sie nicht.
In ihrer wenigen Freizeit treibt Widmann gern Sport. Im Sommer joggen, im Winter Ski fahren. „Ich brauche die Glückshormone“, sagt sie und lacht. Ihr größtes Hobby sei inzwischen aber die kleine Hofstelle in der Nähe von Landshut, die sie und ihr Mann nach Öko-Standards im Nebenerwerb betreiben. Schweine, Enten, Gänse, Hühner und ein paar frei laufende Kühe leben dort. Anders als viele Bürger*innen ihrer Stadt ist Widmann keine Teilnehmerin am Mittelalter-Spektakel „Landshuter Hochzeit“. „Ich genieße es, auf der Tribüne zu sitzen und den Bankdirektor oder den Handwerksmeister im Kostüm und mit langen Haaren an mir vorbeiziehen zu sehen“, amüsiert sie sich.
Ambitionen, selber als Burgfräulein dabei zu sein, hat sie nicht. Viele täten sich schwer, nach vier Wochen als Baron wieder ins normale Leben zurückzukehren, hat sie festgestellt. Aber bei der Landshuter Hochzeit sei es wie in der Politik. „Man hat dort nur ein Mandat auf Zeit, dessen muss man sich immer bewusst sein.“ Daran erinnert sie auch manchmal ihr Mann. Wenn mal dicke Luft herrscht im Hause Widmann, warnt er sie: „Ich weiß nicht, ob ich dich das nächste Mal wieder wähle!“ Widmann erzählt das, na klar, mit einem ansteckenden Lachen. (Jürgen Umlauft)
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