Mit dem bisher erfolgreichsten bayerischen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ waren 2019 große Hoffnungen verknüpft. Auf Antrag von Grünen und SPD debattierten zwölf Sachverständige im Umweltausschuss darüber, wie es um Bayerns Artenvielfalt und Naturschönheit steht. Fazit: Viele Maßnahmen sind umgesetzt, positive Auswirken sind aber noch nicht messbar.
Für Nicolas Liebig, Landessprecher der Bayerischen Landschaftspflegeverbände, war das Volksbegehren ein „Booster“. Die Zahl der Verbände stieg in den letzten fünf Jahren auf 72, wodurch man in 90 Prozent der Landesfläche aktiv sei. Verbesserungsbedarf sieht er bei der Finanzierung: Verbände müssten oft in Vorleistung gehen, was besonders kleinere belaste.
Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz und Mitinitiator des Volksbegehrens, begrüßt die gestiegenen Finanzmittel. Er kritisiert jedoch, dass das Artensterben ungebremst voranschreitet: Über die Hälfte der 3000 Arten sei gefährdet, und der tägliche Flächenverbrauch von 12 Hektar behindere einen funktionierenden Biotopverbund. Auch im Ökolandbau sieht er noch Defizite.
Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz in Bayern, hat die Umsetzung anhand wissenschaftlicher Indikatoren untersucht. Sein Fazit: Maßnahmen wie der Streuobstpakt oder Gewässerrandstreifen tragen Früchte. Doch die Wiederherstellung der Artenvielfalt benötige noch Zeit, weshalb die finanzielle Unterstützung nicht nachlassen dürfe.
Martin Sommer, Projektleiter beim Deutschen Verband für Landschaftspflege, sieht das Volksbegehren als Erfolg, da „noch nie so viele förderliche Gesetze und Fördermittel für die Artenvielfalt bereitgestellt“ wurden. Sommer wünscht sich neben dem quantitativen auch ein qualitatives Monitoring. Auch der Rückgang des Mähgrünlands und der Ackerwildkräuter sei besorgniserregend.
Landwirtschaftliche Vertreter zeigen gemischte Reaktionen. Der Europaparlamentabgeordnete Stefan Köhler (EVP) und Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbands, spricht von „vielen Wunden“, die das Volksbegehren hinterlassen habe. „Viele Grundeigentümer haben Angst, dass bei Naturschutzmaßnahmen eine Schutzkulisse über ihr Land gezogen wird“, sagte er.
Bernhard Breitsameter, Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbands, sieht ebenfalls Probleme: Der Wald war beim Volksbegehren nicht im Fokus, dennoch gebe es nun Vorgaben für Waldbesitzer. Besonders dringend ist für ihn die Synchronisierung der Bejagungszeiten.
Die Europaparlamentabgeorndete Christine Singer (Freie Wähler) und Bayerische Landesbäuerin warnt davor, bäuerliche Betriebe für den Rückgang des Artenschutzes verantwortlich zu machen. Sie fordert mehr Unterstützung im Verkauf regionaler und ökologischer Produkte, betont aber, dass Menschen derzeit immer mehr sparen. Positiv sieht sie die Vermittlung von Alltagskompetenz in Schulen, etwa beim Verhalten in der Natur.
Werner Kuhn, Landwirtschafts- und Gärtnermeister, berichtet von einem nachlassenden Interesse an Biodiversitätsprojekten. „Bei den Blühpatenschaften gab es einen regelrechten Hype“, sagt er. Auch das Interesse an Energiegewinnung aus Wildpflanzen („Bienenstrom“) sei fast erloschen.
Alexander Stärker, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst Bayern, betont, dass Land- und Forstwirte von ihrem Eigentum leben müssen. „Wenn wir im Wald zeitlich und örtlich begrenzt nicht einschlagen dürfen, bedeutet das Einkommenseinbußen, die wir uns nicht leisten können.“ Er fordert mehr staatliche Unterstützung oder öffentlich-private Partnerschaften.
Grüne: "Sobald sich die Kassenlage eintrübt, geraten Naturschutzziele ins Hintertreffen"
Landwirt Werner Kriegl berichtet, dass er zunächst ein Gegner des Volksbegehrens war. Durch das Begleitgesetz seien jedoch viele Maßnahmen umsetzbar. Allerdings müsse jede Maßnahme auf Sinnhaftigkeit geprüft werden. „Grünland muss nicht per se ein Vorteil für die Biodiversität sein.“
Aus wissenschaftlicher Sicht hat sich der anfängliche Enthusiasmus etwas gelegt, meinte Christoph Moning, Vizepräsident des Zentrums für Forschung und Wissenstransfer an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. „Mit Verboten kommen wir nicht mehr weiter.“ Er plädiert für eine bessere Nutzung von Flächen rund um Windräder und Solaranlagen.
In der Fragerunde hob Petra Loibl (CSU) hervor, dass 90 Prozent der 140 Maßnahmen des Volksbegehrens umgesetzt seien. Im Ökolandbau bestehe noch Potenzial, was jedoch auch an Marktbedingungen liege. Marina Jakob (Freie Wähler ) plädierte dafür, die Menschen wieder von der Bedeutung des Artenschutzes zu überzeugen, da andere Themen in den Vordergrund gerückt seien. Gerd Mannes (AfD) meinte, das Volksbegehren sei schon 2018 unnötig gewesen, da Landwirte am besten wüssten, wie sie Biodiversität schützen könnten. Patrick Friedl (Grüne) kritisierte, dass sich beim 30-Prozent-Ziel für Ökolandbau kaum etwas bewege. „Sobald sich die Kassenlage eintrübt, geraten Naturschutzziele ins Hintertreffen.“ Ruth Müller (SPD) forderte, Natur- und Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft stärker zu honorieren und in grünen Berufen sowie Studiengängen zu verankern. (David Lohmann)
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