Die Münchnerin Katja Weitzel (SPD) hat die sitzungsfreie Zeit im Landtag für eine Reise durch ihre Stimmkreise in der Landes- und Kommunalpolitik genutzt. Ziel der Sommertour war es, ein Gespür für die Stimmung in den Kommunen zu bekommen. „Und um herauszufinden, wie diese für eine Neuorientierung der Bayern-SPD genutzt werden kann“, ergänzt die 51-Jährige. Denn das politische Klima habe sich verschärft. Insbesondere, so Weitzel, bei den Themen Fachkräftemangel, Daseinsversorgung, Konjunktur und Migration – letzteres vor allem durch den Anschlag in Solingen.
„Die Migrationsfrage muss man natürlich lösen“, sagt die Juristin. Aber vor Ort laufe die Integration insgesamt gut, es gebe mehr positive Beispiele als negative, glaubt sie. „Leider neigen wir dazu, immer nur über die Fälle zu sprechen, in denen es nicht funktioniert hat.“ Die seit dieser Woche laufenden Grenzkontrollen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält sie für falsch. „Da werden Hoffnungen geschürt, die sich nicht einhalten lassen.“ Grenzen ließen sich nie lückenlos kontrollieren. Sie hält es für wichtiger, die Radikalisierung in den sozialen Netzwerken zu bekämpfen. „Aber davon höre ich gar nichts.“
Der Kampf für soziale Gerechtigkeit wurde Weitzel in die Wiege gelegt, schon ihr Großvater war Mitglied der SPD – während der Nazizeit. Sie selbst stammt aus einem klassischen Beamtenhaushalt, der Vater war bei der Bundesbahn und in der Gewerkschaft aktiv, die Mutter ein Flüchtlingskind aus dem Sudetenland. Das Geld war immer knapp. Ihre Lehrer prophezeiten ihr, sie werde es nie zu etwas bringen. Doch als Erste in der fünfköpfigen Familie studierte Weitzel: Jura an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht.
Nach ihrem Referendariat am Landgericht Mühlhausen in Thüringen und in der Rechtsabteilung des Deutschen Tierschutzbunds wurde Weitzel 2005 selbstständige Fachanwältin für Sozialrecht. „In eine Wirtschaftskanzlei wollte ich nie“, betont sie. Schon immer sei es ihr wichtiger gewesen, den Menschen zu helfen. Nebenbei studierte sie Betriebswirtschaftslehre an einer Fernfachhochschule und wurde auch wegen ihrer frühen Erfahrungen als Betriebsrätin 2012 Referentin beim Institut zur Fortbildung von Betriebsräten. Seit 2017 ist sie zudem Referentin der Augsburg Business School.
SPD-Mitglied ist Weitzel seit 1998. Erste Wahlkampferfahrungen sammelte sie bereits während ihrer Zeit in Thüringen, aufstellen ließ sich die gebürtige Mainzerin aber erst nach ihrem berufsbedingten Umzug nach München. 2002 wurde sie in den Bezirksausschuss Laim gewählt, 2013 in den oberbayerischen Bezirksrat. Seit 2012 ist sie Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Jurist*innen in Bayern, seit 2014 deren Vizebundesvorsitzende. Dort werden geplante Gesetzesänderungen diskutiert, ein besonderes Anliegen war ihr die Einführung des Bürgergelds.
Eine Karriere als Landtagsabgeordnete war bei ihrem politischen Lebenslauf nicht zwingend absehbar – das räumt die 51-Jährige selbst ein. Normalerweise sollte man schon vorher im Stadtrat gesessen haben, sagt sie und lacht. „Aber den habe ich einfach übersprungen.“ Nachdem der langjährige Münchner Abgeordnete Florian Ritter sein Mandat zur Verfügung gestellt hatte, warf sie ihren Hut in den Ring. Zuerst seien alle irritiert gewesen, weil bisher immer nur Männer kandidiert hatten, erinnert sich Weitzel. Doch dann fiel die Wahl schnell auf sie. Ihre nichtbayerische Herkunft sei dabei nie ein Thema gewesen. „Ich weiß schon, dass man eine Weißwurst nicht wie eine Bockwurst schneidet“, sagt sie augenzwinkernd.
Den Landtagsbetrieb kannte Weitzel schon durch ihre Tätigkeit als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin für die SPD bei den Untersuchungsausschüssen Modellbau und Nationalsozialistischer Untergrund. Seit dieser Legislatur sitzt sie im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Nicht ihre erste Wahl, gibt sie zu. Aber da sie viele Jahre Vorsitzende des Münchner Mieterbeirats war, gebe es beim Thema studentisches Wohnen Überschneidungen mit ihrer bisherigen Arbeit. „Bei dem Thema werde ich dranbleiben und Wissenschaftsminister Blume auf die Nerven gehen“, betont sie. Viele junge Leute lebten am Existenzminimum.
Entspannung im Kirchenchor
Nicht nur im Hochschulbereich möchte die Münchnerin außerdem das Thema Digitalisierung in der Verwaltung anpacken. „Gerade die Bearbeitung der Anträge muss deutlich schneller gehen“, ist sie überzeugt. Daher passt es gut, dass sie auch Mitglied in der Enquete-Kommission des Landtags zum Bürokratieabbau ist. Als Sprecherin für Kulturpolitik ihrer Fraktion will sie den Bau des Münchner Konzerthauses voranbringen. „Für mich ist der Bau trotz der vielen Versprechen noch lang nicht sicher“, klagt sie.
Wichtig ist der Abgeordneten das Thema Kirche und Politik, für das sie in der Fraktion ebenfalls zuständig ist. „Man sollte Herrn Söder ins Stammbuch schreiben, dass die Abschaffung der Staatsleistungen an Kirchen seit 1949 als Auftrag in der Verfassung steht“, sagt sie. Die Beträge sollten dringend heruntergefahren werden – allerdings verteilt auf mehrere Jahrzehnte, damit nicht etwa soziale Einrichtungen der Kirchen in Schieflage geraten.
In ihrer Kindheit war sie Mitglied der evangelischen Jugendgemeinde und bis heute nimmt sie viele verschiedene kirchliche Ämter wahr – unter anderem im Kirchenvorstand der Stephanuskirche München-Nymphenburg oder im Forum Kirche und SPD. Seit 2011 ist sie obendrein Mitglied im Nymphenburger Kantatenchor.
Für weitere Hobbys bleibt Weitzel keine Zeit. „Ein Tag in der Woche ist reserviert für die Arbeit in der Kanzlei, damit ich keine Fristen versäume“, sagt sie. Lücken im Terminkalender nutzt sie für Schwimmen oder Flanieren. „Nichts geht über das Lebensgefühl von München im Sommer“, schwärmt sie. In der kälteren Jahreszeit hört sie zu Hause Jazz und liest ein gutes Buch. Ultimatives Entspannungshighlight: ein Buch am Stück zu lesen. Das ist ihr aber seit dem Landtagseinzug nicht mehr gelungen. (David Lohmann)
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