Doris Rauscher (SPD) ist mit Leib und Seele Sozialpolitikerin. Die Themen, die sie bewegen, haben meist einen persönlichen Hintergrund. „Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben“, sagt sie. Natürlich lasse sich kritisieren, dass sie sich vor allem um Politikfelder kümmert, die sie selbst bewegen, räumt sie ein. Andererseits engagiert sie sich dafür mit umso mehr Leidenschaft und Herzblut. „Alles, was ich mache, tue ich aus Überzeugung“, erläutert die 53-Jährige. Zum Beispiel im Bereich Kitas. Anfang Dezember forderte sie als sozialpolitische Sprecherin der SPD, diese trotz Corona geöffnet zu lassen.
Denn wie es ist, keinen Kita-Platz zu haben, weiß die zweifache Mutter aus eigener Erfahrung. 1993 stand sie nach der Geburt ihrer Tochter ohne da. Zu dieser Zeit waren Betreuungsplätze in ihrer Heimat Ebersberg noch rar. Rauscher, damals 26 Jahre, war verzweifelt. Ein Freundin überredete sie, zu einer SPD-Veranstaltung zum Thema Kinderbetreuung mitzukommen. Widerwillig sagte die gestresste junge Mutter Ja. Und war am Ende des Abends Teil einer Elterninitiative, die den Bau einer Kita vor Ort selbst in die Hand nahm. Bis heute ist sie Vorstandsmitglied des Vereins Kinderland Poing.
„Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich gemerkt habe: Wenn man sich engagiert, kann man etwas bewegen“, erzählt Rauscher. Kurz darauf wurde ein SPDler Bürgermeister in Ebersberg und die Partei für sie „greifbar“. Als ihre Kinder in die Schule gingen, kandidierte sie erfolgreich für die SPD als Stadträtin. Parteimitglied war sie zu dieser Zeit immer noch nicht. Erst eine Rede von SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel im Jahr 2003 überzeugte sie endgültig.
Das Soziale lag Rauscher schon immer. Bereits als Kind setzte sie sich gern für andere ein, ab der ersten Klasse war sie Klassensprecherin. Als Jugendliche demonstrierte sie für bessere Arbeitsbedingungen. 1984 absolvierte sie eine Ausbildung zur Erzieherin an der Fachakademie für Sozialpädagogik, ab 1988 arbeitete sie als Erzieherin in einer kirchlichen Kindertageseinrichtung. „Ich habe nie überlegen müssen, was ich werden möchte“, sagt sie. Schon mit Anfang 20 engagierte sie sich vor Ort in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Für den Landtag zu kandidieren kam für Rauscher ursprünglich „null Komma null“ infrage. Nachdem sie in München Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands war und sich nebenher zur Sozial- und Gesundheitsfachwirtin weitergebildet hatte, übernahm sie 2008 die pädagogische Leitung der gemeinnützigen Paritätischen Kindertagesbetreuung GmbH Südbayern mit 28 Kindertageseinrichtungen. „Job, Familie – es hat alles gepasst“, sagt sie. Doch durch ihre Arbeit sah Rauscher, wo die Kitas Probleme hatten. Und ließ sich 2013 zu einer Landtagskandidatur überreden.
Gleich nach ihrem Einzug in den Landtag wurde sie zur Vizevorsitzenden des Sozialausschusses gewählt – und kämpfte sogleich für bessere Kitas. Viel verändert hat sich seither nicht. Ihre Forderungen von damals sind fast wortgleich mit denen von heute: mehr Plätze, mehr Personal, längere Öffnungszeiten. „Die Bretter, die man bohren muss, sind sehr dick“, räumt sie ein. Für Oppositionsabgeordnete waren die Gestaltungsmöglichkeiten geringer, als sie zu Beginn dachte. Doch Rauscher sieht es positiv: „Ich muss wohl noch ein paar Jahre hierbleiben“, sagt sie und lacht.
Nach der Landtagswahl 2018 avancierte Rauscher zur Vorsitzenden des Sozialausschusses. Das gibt ihr zwar nicht mehr Macht, aber mehr Möglichkeiten, Themen zu platzieren und zu steuern. „Ich versuche immer im Rahmen der Möglichkeiten die Spielräume auszunutzen“, betont sie. Das scheint ihr zu gelingen. Eine CSU-Kollegin bestätigt ihr „sehr gute“ Arbeit, schildert Rauscher als „ruhig, sachlich und sympathisch“. Spekulationen um eine Kandidatur zur SPD-Landesvorsitzenden erteilt Rauscher eine Absage. „Ich sehe mich als Ausschussvorsitzende am richtigen Platz“, sagt sie. Beides zusammen sei zu zeitintensiv. „Das heißt aber nicht, dass ich auf Landesebene nicht mehr Verantwortung übernehmen möchte“, ergänzt sie schnell.
Landesvorsitz-Kandidatur? „Mein Platz ist im Landtag“
Neben dem Kampf für mehr Kita-Plätze begleitet Rauscher auch das Thema „seltene Krankheiten“ in ihrer politischen Arbeit. Diese werden häufig nicht erkannt, Betroffene entsprechend mit ihren Leiden nicht ernst genommen. Zu dieser Problematik gab es letztes Jahr auch eine Anhörung samt Ausstellung im Landtag. Darauf aufmerksam wurde Rauscher wieder einmal durch eine persönliche Erfahrung: Ihre Tochter (27) leidet seit ihrem zehnten Lebensjahr an einer seltenen Autoimmunerkrankung. Mit deren Erlaubnis spricht sie das Thema jetzt offen an, um dafür zu sensibilisieren und für mehr Forschungsarbeit zu werben. Auch das Thema psychische Krankheiten treibt sie um, da ihr Bruder davon betroffen ist.
Als zweifache Mutter passt die Kinderkommission (KiKo) des Landtags, in der sie Mitglied ist, natürlich auch gut in ihr Portfolio. Sie ist dort Sprachrohr für die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Im parlamentarischen Betrieb gilt die KiKo zwar als zahnloser Tiger. Aber durch die Arbeit dort könne man Themen platzieren und „meinungsbildend in die Fraktionen hineinwirken“, ist die Abgeordnete überzeugt.
In ihrer Freizeit kocht Rauscher gern. „Das hat für mich meditativen Charakter“, sagt sie. Die Feiertage will sie nutzen, um auch wieder häufiger joggen zu gehen. Das kommt während der Sitzungswochen regelmäßig viel zu kurz. Weihnachten feiert die Sozialexpertin im kleinen Kreis mit ihrer Mutter, dem Sohn (25) und der Tochter, die extra aus Stockholm nach Ebersberg kommt. Nach dem Lockdown möchte sie sich auch wieder mehr um ihre Freunde kümmern. Denn aus einschlägiger Erfahrung mit ihrem Garten weiß die Sozialpolitikerin: „Wenn man etwas nicht richtig pflegt, droht es kaputtzugehen.“ (David Lohmann)
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