Simone Strohmayr (55) hat in der SPD eine Turbokarriere hingelegt. Die Rechtsanwältin aus Augsburg war gerade mal vier Jahre Parteimitglied, als sie im Jahr 2003 in den Landtag gewählt wurde. Üblich ist eigentlich, dass man sich in den Parteigremien jahrelang nach oben arbeiten muss, um eine Landtagskandidatur zu ergattern. Diese Ochsentour blieb ihr erspart. Grund: Die Partei, sagt Strohmayr, „suchte damals junge Frauen“.
Die waren und sind tatsächlich rar gesät, was nach Strohmayrs Ansicht vor allem an den äußerst ungünstigen Terminplänen der – männerdominierten – Parteigremien liegt. Nach wie vor, klagt die SPD-Frau, dauern etwa Plenarsitzungen im Landtag oft bis Mitternacht. Ziemlich blöd, wenn man nicht in München wohnt, nach der Sitzung noch heimfahren will und am anderen Morgen um neun Uhr bereits wieder in einem Landtagsausschuss sitzen muss. Natürlich gilt das auch für politisch aktive Väter. Nur schaffen es die eben immer noch viel zu oft, das Thema Kinder und Familie an die Frau abzugeben.
Strohmayr selbst hat drei Kinder im Alter von 13, 22 und 30 Jahren. Bei deren Betreuung war Kreativität gefragt, denn Kinderkrippen waren auch zur Jahrtausendwende noch keineswegs ausreichend vorhanden.
Strohmayr kommt aus einem sozialdemokratisch geprägten und kirchennahen Elternhaus, ihr Vater entstammt der 68er-Generation. Zu Hause, erinnert sie sich, „gab es viele politische Diskussionen“. Auch Strohmayrs Ehemann, ein Architekt, ist SPD-affin, ebenso wie dessen Familie. Da lag es nahe, dass Simone Strohmayr bei ihrem Wunsch, sich politisch zu engagieren, in der SPD landete.
Schon damals engagierte sie sich in Sachen Kinderbetreuung – konkret dafür, dass Krippenplätze staatlich gefördert werden. Ein entsprechendes Gesetz hat der Landtag auf CSU-Initiative im Jahr 2005 beschlossen.
Ihr Mann steht dem Politikbetrieb recht kritisch gegenüber was Debatten daheim spannend macht
Drei Jahre nach Strohmayrs Parteieintritt trat die SPD an sie heran und fragte, ob sie nicht Lust habe, als Landrätin in Augsburg zu kandidieren. Sie sagte Ja. Gewählt wurde sie zwar nicht, der Amtsinhaber von der CSU behielt seinen Posten. Aber sie erzielte ein für SPD-Verhältnisse ziemlich gutes Ergebnis von 34 Prozent. Danach bot man ihr die Landtagskandidatur an.
2013 avancierte Strohmayr zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden; seit Mai 2021 fungiert sie außerdem als Parlamentarische Geschäftsführerin – ein äußerst stressiger Job.
Es ist kein Geheimnis, dass Strohmayr bei der Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz den jetzigen Chef Florian von Brunn unterstützt hat. Von Brunn ist in der Fraktion umstritten, vielen geht sein Sendungsbewusstsein zu weit. Seine Gegner*innen unterstellen ihm außerdem, auf die schnelle Schlagzeile aus zu sein und dabei inhaltliche Tiefe vermissen zu lassen. Strohmayr sagt über von Brunn: Er ist der Richtige für den Fraktionsvorsitz und für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl, denn: „Man muss das mit Leidenschaft wollen.“
Sie selbst ist alles andere als aktionistisch, eitel oder auf Eigenwerbung aus. Die 55-Jährige agiert eher als Sacharbeiterin im Hintergrund. Als Parlamentarische Geschäftsführerin muss sie dafür sorgen, dass der Laden läuft, dass bei Abstimmungen im Plenum alles klappt, die richtigen Leute rechtzeitig präsent sind und so abstimmen, wie es zuvor besprochen wurde.
Strohmayr ist weder Ideologin noch Parteisoldatin, die prinzipiell das super findet, was die Mehrheit beschlossen hat. „Mit manchen Dingen hadere ich“, gibt sie zu. Dazu zählen die Waffenlieferungen an die Ukraine.
Beim Thema Ukraine-Krieg ist sie näher bei Sahra Wagenknecht als bei der SPD
Bei diesem Thema ist sie näher an Sahra Wagenknechts Kriegsskepsis. Was auch an ihrer Verwurzelung in der evangelischen Kirche und der Friedensbewegung liegt.
Auch beim Thema Bürgergeld findet Strohmayr nicht alles richtig. Ihr missfällt, dass noch zu wenig dafür getan wird, Menschen dazu zu bringen, in Bereichen zu arbeiten, die dringend Fachkräfte suchen. Strohmayr sagt: Man muss stärker differenzieren zwischen denen, die nicht arbeiten können, und denen, die nicht arbeiten wollen. Doch das, räumt sie ein, sei eben „unheimlich schwierig“.
Vorbehalte hatte sie auch bei der rigiden Corona-Linie ihres Parteifreunds Karl Lauterbach. Dieser, sagt sie, sei „getrieben von der Idee, gute Regeln zu finden“. Doch manchmal sei er eben auch „zu vorsichtig“ gewesen. Zum Beispiel beim Thema Schul- und Kitaschließungen. Strohmayr fand das damals übertrieben und war gegen die Schließungen. Sie betont: „Das darf nicht mehr passieren.“
Dass sie vieles ein bisschen anders sieht als der SPD-Mainstream, liegt wohl auch an ihrem sehr diskussionsfreudigen Mann. Strohmayr sagt: „Er ist sehr kritisch gegenüber dem politischen Betrieb.“ Doch statt das Thema um des lieben Friedens willen daheim einfach auszublenden, reden die beiden viel über Politik. Das prägt. Und so sagt Strohmayr den erstaunlichen Satz: Meinungsfreiheit „ist schwierig geworden“. Man könne inzwischen „nicht mehr so offen reagieren“ wie einst – „das hat sich geändert“. Sie spricht von „Denkverboten“. Und die dürfe es in einer Demokratie eben nicht geben.
Ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hat Strohmayr inzwischen auf ein Minimum heruntergeschraubt, aus Zeitgründen. Gelegentlich übernimmt sie noch Mandate aus den Bereichen Bau- und Mietrecht.
Zu ihren politischen Schwerpunkten zählt neben der Familien- die Frauenpolitik. Strohmayr ist seit 2004 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Schwaben. Ihr Wunsch: ein Paritätsgesetz, das Parteien verpflichtet, mit quotierten Listen an Wahlen teilzunehmen. So sollen mehr Frauen in die Parlamente kommen. Auch die Genderfrage beschäftigt sie. Strohmayr verfolgt die aufgeheizte Debatte darüber mit Staunen. Gendergerechte Sprache ist für sie ein Muss. Doch das ist noch ein weiter Weg; selbst in der SPD-Fraktion gibt es darüber keinen Konsens. „Bei uns macht das jeder so, wie er will“, seufzt sie. Und wünscht sich eine einheitliche Regelung. „Da gäbe es Redebedarf.“
Bei der Landtagswahl 2023 wird Strohmayr erneut antreten. Abgeordnete zu sein, sagt sie, sei zwar „unheimlich fordernd“. Aber es sei eben auch „so interessant wie kein anderer Beruf“. Sie spricht vom „Suchtpotenzial“, das die Politik zweifellos birgt.
Wenn nachdenkliche, kritische Politiker*innen wie sie im Parlament landen, muss Sucht jedoch nichts Schlechtes sein.
(Waltraud Taschner)
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