2016, am Ende ihrer Ausbildung zur Realschullehrerin teilte Anna Schwamberger das Schicksal vieler Absolvent*innen ihrer Generation: Der Freistaat hatte keine Planstelle für sie. Um für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können, unterschrieb sie bei der Schulbehörde einen befristeten Angestelltenvertrag und tingelte als mobile Reserve durch ihren Heimatlandkreis Tirschenreuth. Weil das aber auf Dauer keine Perspektive war, nahm sie das Angebot zur Weiterqualifikation als Mittelschullehrerin an. Für diese Schulart wurden schon damals händeringend Lehrkräfte gesucht. Doch als Schwamberger endlich ihre Stelle als Beamtin zur Probe hätte antreten können, kam die Politik dazwischen. Auf Platz 2 der Grünen-Liste in der Oberpfalz zog sie 2018 in den Landtag ein.
Dass Schwamberger mit damals erst 27 Jahren den Sprung ins Maximilianeum schaffte, und das für die Grünen, war nicht vorgezeichnet und die Folge mehrerer Fügungen. Denn in die Partei eingetreten war sie erst ein Jahr davor. „Es war Glück, ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, rekapituliert sie. Ihr eigentliches Ziel waren die Kommunalwahlen 2020, ein Amt als Kreisrätin hätte ihr da vorgeschwebt. Um dafür bekannter zu werden, habe man ihr im Kreisverband der Grünen angeboten, die eigentlich aussichtslose Direktkandidatur im Stimmkreis Tirschenreuth zu übernehmen. Bei der Listenaufstellung für die Oberpfalz war sie dann aber die einzige Frau unter den Direktkandidaten. „Damit war die Tür offen für einen vorderen Listenplatz“, erzählt Schwamberger.
Weniger geradlinig verlief vorher ihr Weg zu den Grünen. Denn als Jugendliche war sie Mitglied der Jungen Union, später auch der CSU. Ihre Mutter war seinerzeit in der CSU des Landkreises Tirschenreuth aktiv, da ist sie mit in die Partei gerutscht. Die Entfremdung von der CSU setzte ein, als bei der Mutter parteiintern „einiges schief gelaufen“ sei. In dieser Zeit lernte sie auch ihren späteren, inzwischen aber wieder geschiedenen Ehemann kennen, einen Flüchtling aus dem Irak. Dessen Schicksal und seine Schwierigkeiten, als Geflüchteter in Bayern Fuß zu fassen, hatten sie zunehmend politisiert und letztlich – über den Zuspruch einer Kollegin – zu den Grünen gebracht. Die standen für sie für eine humanere, den Menschen zugewandtere Asylpolitik. „Mein damaliger Mann hatte zwei Ausbildungsbildungsangebote, die er nicht annehmen konnte weil er keine Arbeitserlaubnis hatte“, sagt Schwamberger im Rückblick auf die von der CSU-Staatsregierung exekutierte Gesetzeshärte.
Im Landtag wurde Schwamberger gleich schulpolitische Sprecherin der Fraktion. Fragt man sie nach ihrer Wunschschule, spricht sie nicht zuerst über Strukturen und den Lehrkräftemangel, sondern malt in Gedanken das Bild von hellen, freundlichen Schulgebäuden mit viel Grün drumherum. Eine einladende Lernumgebung sei schon die halbe Miete, meint sie. Deshalb müssten Schulen mehr vom Kind her geplant werden. Als nächstes würde Schwamberger gern die Noten abschaffen, weil diese den Kindern „das Lernen vermiesen“, wie sie glaubt. Wichtiger sei, die natürliche Neugier von Kindern zu nutzen, ihnen Sozialkompetenz zu vermitteln und durch gezieltes und individuelles Fördern an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten, anstatt ständig auf den nächsten Test hinzuarbeiten. So sähe Schwambergers „Schule 2030“ aus.
An den grundsätzlichen Debatten zum Schulsystem will sich die Grüne dagegen nicht beteiligen. Sie würde gerne Öffnungsklauseln ins Schulgesetz schreiben, die Schulträgern die Möglichkeit geben würden, neue moderne Schulformen einzuführen. „Aber alle in eine neue Struktur zu zwingen, das bringt uns nicht weiter“, betont sie. Man wäre damit nur die kommenden 20 Jahre ohne Nutzen für die Schüler*innen beschäftigt.
Handlungsbedarf sieht Schwamberger allerdings beim Übertritt nach der 4. Klasse. „Da muss der Druck raus aus dem Verfahren“, erklärt sie, noch ohne dafür eine abschließende Lösung zu haben. Gerne bestätigt Schwamberger, dass ihre Ideen doch recht unideologisch klingen. „Ideologie – das ist ein Pickerl, das uns Grünen gerne aufgeklebt wird“, sagt sie. Sie wolle aber eine Politik machen, die umsetzbar sei. „Mit dem Versprechen von Wolkenkuckucksheimen kommt man nicht weiter“, davon ist Schwamberger überzeugt und fügt mit Bestimmtheit an: „Wir Grüne können Realpolitik!“
Ihr Ziel: Listenführerin der Grünen in der Oberpfalz für die Landtagswahl werden
In ihrer Freizeit betätigt sich die 31-Jährige als Pferdezüchterin, wenn auch nur im kleinen privaten Stil. Im Stall der Eltern in Bärnau, die diesen seit rund 40 Jahren im Nebenerwerb führen, hat sie eine Stute stehen. Deren erstem Nachwuchs bringt Schwamberger gerade das Reiten bei. „Ja, das ist wirklich eine Leidenschaft“, schwärmt sie. Und mit leuchtenden Augen verkündet sie, dass die Stute heuer noch einmal „Mama werden“ dürfe. Ansonsten liest Schwamberger gerne Krimis, die „möglichst blutig und spannend“ sein sollten. Aufgegeben hat sie dagegen das Bogenschießen. Als Schülerin und Juniorin habe sie zu den „Top Ten in Deutschland“ gehört, ihr größter Erfolg war die Deutsche Vize-Meisterschaft bei den Schülerinnen. „Für ganz vorne hat es leider nie gereicht“, sagt sie in einem Tonfall, der darauf schließen lässt, dass sie dieser Makel noch immer wurmt.
Nun will Schwamberger politisch ganz vorne stehen. „Ich möchte für die Landtagswahl die Liste der Grünen in der Oberpfalz anführen“, sagt sie selbstbewusst in Richtung der Aufstellungsversammlung Anfang Februar. Mit dem Listenführer der vergangenen Wahl, dem Regensburger Jürgen Mistol, sei ihre Spitzenkandidatur im Bezirk abgesprochen, nun haben die Delegierten das Wort. Mit dem Listenplatz 1 wäre der Wiedereinzug Schwambergers in den Landtag praktisch sicher. Sieht so aus, als ob die Mittelschüler*innen in der Oberpfalz noch länger auf eine engagierte Lehrkraft verzichten müssten. (Jürgen Umlauft)
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