Rumgetrödelt, so viel ist klar, hat diese Frau nie. Mit 18 geheiratet, drei Kinder bekommen, als junge Mama auf dem Abendgymnasium das Abitur nachgeholt, mit 39 Jahren ein Jurastudium begonnen ... Roswitha Toso (60), die seit Oktober für die Freien Wähler im Landtag sitzt, fällt in die Rubrik Powerfrau. Sie selbst sagt: „Das hat sich alles so ergeben.“ Und dass sie in ihrem Leben noch nie etwas groß geplant hat.
Entschieden hat sie aber sehr wohl. Das Abendgymnasium zum Beispiel wollte sie unbedingt. Damals saß Toso mit ihrem Nachwuchs daheim und dachte, „mir fällt die Decke auf den Kopf“. Immer nur kochen, Windeln wechseln und Geschichten vorlesen – so richtig erfüllend war das nicht. Sie erinnerte sich dran, dass ihr das Lernen immer leichtgefallen war. Und fasste den Entschluss, wieder zur Schule zu gehen. Ihr Mann, ein IT-Unternehmer, bestärkte sie. Das Ganze wurde allerdings anstrengender, als sie angenommen hatte. „Es war schon heftig“, gesteht Toso. Aber sie zog es durch.
Abitur am Abendgymnasium, und das mit drei kleinen Kindern
Bis zum Jurastudium dauerte es dann aber noch neun Jahre. Nach bestandenem Abitur arbeitete Toso in ihrer alten Stelle als Tourismusleiterin der Gemeinde – das war erst mal familienfreundlicher als ein Vollzeitstudium. Bei der Gemeindeverwaltung in Tittling bei Passau hatte sie nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert. Was sie letztlich zum Jurastudium führte. Sie hatte viel mit Gesetzen und Verordnungen zu tun. Und merkte, „dass mir das voll liegt“. Praktisch war natürlich, dass Jura an der Universität Passau auch angeboten wurde. Mit 46 Jahren gründete sie ihre eigene Kanzlei.
Zur Politik kam Toso ebenfalls eher spät. In ihrem Heimatort Tittling gab es im Jahr 2011 einige Turbulenzen, man suchte jemanden, der gegen den amtierenden CSU-Bürgermeister antreten würde. Toso wollte und trat für die „Freien Bürger“ an. Gewonnen hat die Wahl dann ein anderer – ein Kandidat, den die CSU überraschend aus dem Hut gezaubert hatte. Toso war angefixt und blieb politisch aktiv. Im Jahr 2013 gründete sie in Tittling einen Freie-Wähler-Ortsverband. 2014 zog sie in den Gemeinderat und den Kreistag ein, seit 2020 fungiert sie als stellvertretende Landrätin. 2017 wagte sie erneut die Bürgermeisterkandidatur, sie blieb erfolglos. Frustriert wirkt sie deshalb nicht. „Ich war nie Bürgermeisterin“, sagt Toso, „dafür bin ich jetzt im Landtag.“
Wobei: Als Bürgermeisterin könnte man sich die unkomplizierte und überaus kommunikative Juristin gut vorstellen. Auf Leute zugehen, Probleme ausfindig machen, nach praktikablen Lösungen suchen – das sind Dinge, die der Freie-Wähler-Politikerin leichtfallen. Wenn sie über ein Thema spricht, das sie beschäftigt, sprudelt es nur so aus ihr heraus. Auch deshalb vermittelt sie den Eindruck: Ich bin ein Mensch wie du und ich.
Vor ihrer Zeit bei den Freien Wählern war sie Wechselwählerin. Schlussendlich merkte sie, dass ihr die Freien Wähler mit ihrem pragmatischen und ideologiefreien Ansatz am meisten liegen.
Was dürfen Transfrauen? Toso will das nun klären
Im Landtag gehört sie den Ausschüssen für Hochschule und Kunst sowie für Soziales an. Außerdem fungiert sie als frauenpolitische Sprecherin der Freie-Wähler-Fraktion – das war ihr Wunsch.
Wahr ist: Frauenpolitisch haben die Freien Wähler Nachholbedarf. Nur sieben von 37 Landtagsabgeordneten sind weiblich. Wie man das ändern kann, dafür hat Toso jedoch noch kein Rezept. Sie selbst sagt, „ich hatte als Frau nie einen Nachteil“. Mit Blick auf Frauenrechte verfolgt sie derzeit das Ziel, Frauen vor Gewalt besser zu schützen. Die Freie-Wähler-Fraktion arbeitet an einer Initiative, die männliche Gewalttäter, die Frauen wiederholt und trotz Gerichtsbeschluss bedroht haben, mit einer Fußfessel bändigen will. Zu oft komme es hier zu Übergriffen, klagt Toso.
Ein Anliegen ist ihr auch das Thema Schutzräume für Frauen. Das neue, von der Berliner Ampel-Regierung erarbeitete Selbstbestimmungsgesetz hat hier tatsächlich Fragen aufgeworfen. Vor allem: Welche Rechte haben Fitnessstudios, Saunen oder andere Einrichtungen, wenn es darum geht, wer diese betreten darf?
Bereits im Lauf der Gesetzesberatungen hatten verschiedene Verbände die Befürchtung geäußert, dass Transfrauen, also Personen, die als Buben geboren wurden, sich aber später als Frauen empfinden, in weibliche Schutzräume eindringen. Es war offen, ob das Hausrecht Unternehmen dazu berechtigt, Personen, die nach den äußerlichen Merkmalen beurteilt eben Männer sind, abzuweisen. Die ersten Konflikte gab es schon, und darum will sich Roswitha Toso nun kümmern.
In Bayern wurde ein Fall bekannt, in dem die Betreiberin eines Fitnessstudios für Frauen einen Mann abwies, der erklärte, sich als Frau zu fühlen. Das Ganze schlug hohe Wellen und ist nicht geklärt. Die betreffende Transfrau verlangt 2500 Euro Schmerzensgeld und außerdem freien Zutritt zum Studio. Die Betreiberin fürchtet um ihre Existenz, weil die Kundinnen sich unwohl fühlen könnten. Toso sagt: „Das muss jetzt gerichtlich ausgefochten werden.“ Inzwischen wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen, die der Studiobetreiberin helfen will. Toso sagt: „Wir werden diese Frau unterstützen.“
Politisch gesehen hat Toso jedenfalls noch viel vor – dafür lässt sie es privat ruhiger angehen. Mit Sport hat sie nix am Hut, und auch große Reisen sind nicht ihr Ding. Am liebsten fährt sie mit ihrem Mann in dessen italienische Heimat: Caorle. Bei der nächsten Landtagswahl will die FW-Politikerin wieder antreten – dann ist sie 65. Andere gehen da in Rente. Toso stellt klar: „Ausruhen ist nicht so meins.“
(Waltraud Taschner)
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