Landtag

Andrea Behr (Foto: Tobias Koch)

17.05.2024

Die Rastlose

Im Porträt: Die Würzburger CSU-Abgeordnete Andrea Behr

Alles an dieser Frau ist dynamisch. Wie sie hereinspurtet. Wie sie gekleidet ist – grasgrüne Jogpants. Wie sie spricht – viel, aber ohne unnötiges Gelaber. Und dann bestellt sie tatsächlich: Espresso UND Cola. Ihr Energielevel soll ja nicht abstürzen.

Die CSU-Abgeordnete Andrea Behr aus Würzburg sitzt seit der Landtagswahl im Oktober im Maximilianeum. Die 55-Jährige hat es geschafft, für ihre Partei das Direktmandat zurückzuerobern, das zuvor der Grüne Patrick Friedl innehatte – der zog über die Liste erneut in den Landtag ein. In den Schoß gefallen sei ihr die Kandidatur nicht, erzählt Behr. Im Gegenteil habe es allseits geheißen: „das schafft die doch nie.“

Aber mit Energie, einem starken Willen und genug Espresso kann man eben vieles schaffen. So war das schon immer im Leben von Andrea Behr.

Nach dem Abitur hatte sich die Zahnarzttochter in den Kopf gesetzt, die Familientradition fortzuführen und ebenfalls Zahnmedizin zu studieren. Voraussetzung war ein Abi mit 1,0. „Das hatte ich nicht“, bekennt Behr. Zahnärztin wurde sie dann trotzdem, auf Umwegen. Behr absolvierte eine Ausbildung zur Zahntechnikerin, bewarb sich danach fürs Zahnmedizin-Auswahlverfahren an verschiedenen Unis – und wurde in ihrer Heimatstadt Würzburg genommen. Sie betont: Azubi zu sein habe ihr nicht geschadet. Ebenso wenig wie spätere Jobs in der Gastronomie, wo sie als Studentin kellnerte.

Zahnärztin, das ist  "der absolute Traumberuf", schwärmt Behr


An der Uni lernte sie ihren späteren Mann kennen. Gemeinsam übernahmen die beiden später die Zahnarztpraxis von Andrea Behrs Familie – der Großvater hatte diese vor 100 Jahren gegründet. Zahnärztin, „das ist der absolute Traumberuf“, schwärmt Behr. „Man kann schnell jemandem helfen und schnell jemanden schön machen.“ Und „es geht nie um Leben oder Tod“. Behr ist auch in ganzheitlicher Zahnmedizin ausgebildet. Zum Beispiel testet sie mittels Elektroakupunktur aus, welche Materialien als Zahnfüllungen für die jeweilige Person am geeignetsten sind.

Seit der Wahl arbeitet sie allerdings nicht mehr in der Praxis. Als Neuling will sie erst mal vertraut werden mit den Abläufen im Parlament und sich in alles einarbeiten. Ein Jahr hat sie sich dafür Zeit gegeben. Ihr ist wichtig, unabhängig zu bleiben und jederzeit wieder in den Beruf einsteigen zu können.

Politisch aktiv ist Behr seit 1997. Damals trat sie in die CSU ein – eine andere Partei wäre nicht infrage gekommen, sagt sie. Sie komme aus einem christlich geprägten, CSU-nahen Elternhaus und sah keinen Grund zur Rebellion. Wozu auch, die Eltern ließen ihr genug Freiraum. Dass man als Mädchen oder Frau Nachteile hat, musste sie nie erleben. Bis sie in die Politik kam. Da erlebte sie erstmals, wie Männer sich Posten zuschanzen und Frauen außen vor bleiben. Behr spricht von „Männerseilschaften“. Früher lehnte sie Frauenquoten ab, jetzt ist sie dafür.

Einige Jahre lang war Behr in Würzburg kommunalpolitisch aktiv, fungierte sechs Jahre als Stadträtin. Begeistert hat sie das nicht. Die Mutter dreier Kinder war genervt davon, wie wenig bei den äußerst zeitintensiven Sitzungen herauskam, wie lang man sich wegen Petitessen streiten konnte und wie wenig Zeit wiederum für die wirklich wichtigen Anliegen verwendet wurde. Sie entschied: „Das will ich nicht mehr.“ Behr beschloss, sich stattdessen beim Förderkreis Clinica Santa Maria (FCSM) zu engagieren, einer Zahnärzteorganisation, die gemeinnützige Arbeit in Lateinamerika leistet. In Ecuador und Bolivien half Behr fortan der indigenen Bevölkerung bei Zahnproblemen. „Ich hab dort Wurzelbehandlungen eingeführt“, erzählt sie. Zuvor seien den Leuten kaputte Zähne einfach gezogen worden.


Motorrad fahren, Pole Dance, Halbmarathon: Behr ist super sportlich


Die Corona-Pandemie setzte Behrs Engagement in Lateinamerika ein jähes Ende. Wie so viele andere saß sie zu Hause und fragte sich, was sie mit dem plötzlichen Zeitloch anfangen sollte. Damals beschloss sie, für den Landtag zu kandidieren. Um in der Gesundheitspolitik etwas zu verändern.

Im Landtag arbeitet sie in den Ausschüssen für Gesundheit und für Umwelt mit, beides waren ihre Wunschgremien. Ihr Ziel: den Numerus clausus in der Medizin zu Fall bringen. Denn der Nachwuchsmangel im medizinischen Bereich ist gewaltig. 80 Prozent der Ärzt*innen seien über 60 Jahre alt, sagt Behr. Es sei hier nicht fünf vor zwölf, stöhnt die CSU-Politikerin, „sondern eine halbe Stunde nach zwölf“.

Der Gesundheitsausschuss hat das Thema bereits auf die Agenda gesetzt. Um den NC abzuschaffen, müssen allerdings an den Universitäten ausreichend Studienplätze vorhanden sein – das kostet Geld und dauert. Weil das also nicht von heute auf morgen geschehen wird, plädieren Behr und der CSU-Arbeitskreis Gesundheit für ein Stipendiensystem, das es bayerischen Studierenden erlaubt, an ausländischen Unis Medizin zu studieren. Wer ein solches Stipendium ergattert, muss sich im Gegenzug verpflichten, zehn Jahre lang in Bayern zu praktizieren.

Neben Familie, Beruf und Politik nimmt der Sport eine große Rolle in Behrs Leben ein. Vermutlich ist sie die sportlichste Abgeordnete im Landtag: Behr praktiziert seit zehn Jahren Pole Dance (siehe Foto), joggt, übt Yoga und ist eine der wenigen Abgeordneten, die begeistert das landtagseigene Fitnessstudio nutzen. Gerade trainiert sie für den Halbmarathon. Auch Motorradfahren zählt zu ihren Hobbys. Gemeinsam mit ihrem Mann kurvt sie auf einer Honda Clubman durch die Gegend. Natürlich mit eigener Maschine. Selbst ist die Frau!
(Waltraud Taschner)

(Foto: Millie Robson)

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