Puh. Begeisterung kann ganz schön anstrengend sein. Für die betreffende Person selbst – aber auch für diejenigen, die diese Begeisterung aushalten müssen. Wenn die Grüne Claudia Köhler (54) erst mal loslegt mit ihrer politischen Agenda, dann findet sie so schnell kein Ende. Vor allem wenn’s um Bildungs- oder Sozialthemen geht, ist die Betriebswirtin kaum zu bremsen, Kritik und Verbesserungsvorschläge sprudeln nur so aus ihr heraus. Dabei ist die Oberbayerin im Landtag eigentlich für ein recht prosaisches Politikfeld zuständig: die Haushalts- und Finanzpolitik.
Tatsächlich fungiert Köhler hier als zentrale Exponentin ihrer Fraktion; im mächtigen Haushaltsausschuss hat sie den Posten der Vizechefin inne. Ein Job, für den man sich normalerweise jahrelang warmlaufen muss – viele Abgeordnete streben in den Haushaltsausschuss, denn dort werden zentrale politische Weichen gestellt.
Haushaltsausschuss? Da wollte sie hin, unbedingt
Köhler ergatterte den Posten sofort nach ihrer Wahl in den Landtag 2018. „Ich wollte da unbedingt hin“, erzählt sie. Denn: „Im Haushaltsausschuss schlägt alles auf“, so Köhler. Klar: Alle politischen Vorhaben kosten Geld. Und stehen deshalb früher oder später auf der Tagesordnung des zuständigen Ausschusses. Dessen Mitglieder haben schon so manches Vorhaben gekillt, das andere Gremien bereits beschlossen hatten. Doch wenn die Mitglieder des Haushaltsausschusses den Kopf schütteln, weil das Ganze zu teuer kommt, war es das eben.
Zupass kam Köhlers Wunsch sicher ihre Vorbildung als Betriebswirtin. Von Zahlen versteht sie genug, um sich im Dickicht der Haushaltspläne zurechtzufinden. Was nicht für alle Abgeordneten immer ganz leicht ist. Viele sind froh, dass sie auf wissenschaftliche Zuarbeit zurückgreifen können. Köhler aber, attestiert ihr ein erfahrener Haushaltspolitiker, besitze „ein einwandfreies Verständnis vom Staatshaushalt“. Wobei sich der Mann den Hinweis nicht verkneifen kann, dass die Grüne ihr Wissen gern äußerst wortreich unter Beweis stellt: „Zu ihren Kernkompetenzen gehört, flächendeckend zu reden.“
Mitglied bei den Grünen wurde Köhler erst im Jahr 2011. Damit ist sie eine politisch Spätberufene. Es sei ursprünglich nicht ihr Wunsch gewesen, Landtagsabgeordnete zu werden, erzählt Köhler. Sie wollte einfach nur was verändern – vor Ort, in ihrer Heimatgemeinde Unterhaching bei München. Dort ist Köhler geboren und dort lebt sie seither. Von Kindesbeinen an ist sie im örtlichen Vereinsleben verwurzelt, außerdem ehrenamtlich für zahlreiche Verbände tätig: Die Freiwillige Feuerwehr zählt ebenso dazu wie die Alzheimer Gesellschaft, der Elternbeirat oder der Asylhelferkreis. Köhler ist außerdem in der evangelischen Kirche verankert, fungiert seit über 30 Jahren als Kirchenpflegerin in Unterhaching.
Und weil sie dort jeweils wirklich etwas bewegen wollte und das ebenso wortreich wie tatkräftig unter Beweis stellte, wurde man auf sie aufmerksam. Die Grünen fragten sie, ob sie sich kommunalpolitisch engagieren, sprich für den Gemeinderat kandidieren wolle. Köhler wollte.
Kam auch die SPD infrage? „Die hat mich nicht gefragt“
Ob auch eine andere Partei für sie infrage gekommen wäre, die SPD zum Beispiel? „Kann schon sein“, sagt Köhler. „Aber die SPD hat mich nicht gefragt.“
2014 kandidierte sie also für den Unterhachinger Gemeinderat – und zugleich als Bürgermeisterin. Sie erzielte aus dem Stand ein achtbares Ergebnis von gut 10 Prozent. Im Gemeinderat startete sie dann gleich durch, wurde sofort zur Fraktionsvorsitzenden gewählt.
2017 dann die nächste Anfrage: Ob sie für den Landtag kandidieren wolle. Köhler wollte auch das. Und schaffte 2018 auf Anhieb den Sprung ins Parlament. Geholfen hat natürlich auch das für die Grünen fulminante Wahlergebnis von 17,6 Prozent. Die Ökopartei war erstmals zweitstärkste Kraft im Maximilianeum. Und konnte deshalb auch auf Posten zugreifen, die ihr zuvor verwehrt geblieben waren. Den Vizevorsitz im Haushaltsausschuss beispielsweise – den Claudia Köhler ergatterte.
Der Posten verheißt indes nicht nur Macht und Einfluss, er ist auch äußerst zeitaufwendig. Die Arbeitsbelastung, bekennt Köhler, „ist schon höher, als ich es mir vorgestellt hatte“. Plötzlich war es so, dass sie keinen Abend mehr zu Hause war. Das war doppelt ungewohnt, denn Köhler hatte jahrelang von zu Hause aus gearbeitet, als Inhaberin einer PR-Agentur für Kinomarketing. Verheiratet ist sie mit einem IT-Experten, die beiden haben drei erwachsene Söhne.
Neben den für die Opposition üblichen Frusterlebnissen im Landtag erlebte Köhler auch Erfolge. Besonders gefreut hat sie, dass die sogenannte Berufseinstiegsbegleitung erhalten geblieben ist. Dabei geht es darum, dass Jugendlichen, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, geholfen wird, einen Schulabschluss zu machen und beruflich Fuß zu fassen. Das Kultusministerium, empört sich Köhler, wollte das zu Jahresbeginn einfach auslaufen lassen. Köhler protestierte – erst mal vergeblich. Doch dann griffen CSU und Freie Wähler das Thema nach kurzer Zeit selbst auf. Und sorgten für die Fortsetzung des überaus sinnvollen Programms.
Dass nicht der ursprüngliche Grünen-Antrag beschlossen, sondern, wie Köhler spottet, „im CSU-Logo recycelt“ wurde – sei’s drum. So sei das eben in der Opposition, seufzt die Grüne. Wenn sie mal total genervt ist von der CSU und alles hinschmeißen will, baue die Familie sie wieder auf, erzählt Köhler. „Mama, du darfst nicht aufgeben“, heißt es dann.
Ihre rare Freizeit verbringt Köhler am liebsten mit Mann und Kindern, beim Radeln und Wandern – oder auch gern auf Volksfesten. „Ich liebe die Wiesn“, schwärmt die Grüne, die sich gern mal im Dirndl fotografieren lässt.
Tracht, kirchliches Engagement, Freiwillige Feuerwehr – das einst klassische CSU-Zubehör spricht durchaus auch grünes Wahlvolk an. Claudia Köhler ist dafür der beste Beweis.
(Waltraud Taschner)
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