Landtag

Julia Post. (Foto: BSZ)

08.05.2024

Die Selber-Macherin

Im Porträt: Die Grünen-Abgeordnete Julia Post

Das erste Wort, das Julia Post als kleines Kind über die Lippen gekommen sein soll, war „selber“. So steht es auf der Homepage der heutigen Grünen-Abgeordneten aus München, so bestätigt sie es im Gespräch. Selber, im Sinne von „Ich will das selber machen!“. Es sei schon immer ihr Wille gewesen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, auszuprobieren, eigene Erfahrungen zu machen, Projekte anzuschieben. Und so ist Julia Post, 34 Jahre alt und verheiratet, auch heute noch eine Macherin, eine Selber-Macherin.

Schon nach dem Abitur wollte sie gleich etwas „machen“. Nicht an die Uni und studieren, sondern eine „grundsolide Ausbildung“, Geld verdienen, auf eigenen Beinen im Leben stehen. Also startete Post eine Lehre zur Hotelfachfrau im Bayerischen Hof in München. „Das beste Haus am Platz – wenn Ausbildung, dann da“, formuliert Post ihren damaligen Anspruch. „Wirklich von der Pike auf“ habe sie das Geschäft dort gelernt. Wichtig sei ihr gewesen, dass der Bayerische Hof – Achtung! – „alles selber macht“ und nicht wie andere Häuser diverse Dienstleistungen an Fremdfirmen vergebe. Sie sei dort als Auszubildende von Anfang an Teil des Teams gewesen, habe Verantwortung übernehmen dürfen und „nicht nur Servietten falten“. Als wichtigste Erfahrung ihrer Lehrzeit nennt Post die Erkenntnis: „Stell mich irgendwo hin, ich werde schon klarkommen.“

Einen tieferen Blick hinter die Nobelhotel-Kulissen lässt Post nicht zu. „Man ist verschwiegen und diskret im Hotel“, betont sie. Also kein Tratsch über prominente Gäste und deren Vorlieben und Macken. Nur so viel: „Ich habe viel über den Umgang mit den verschiedensten Menschen gelernt.“ Das Branchen-Credo, wonach der Gast im Mittelpunkt steht, nahm sie sich mit in die Politik. Bei ihrer Arbeit als Abgeordnete, sagt Post, stehe nun der Mensch im Mittelpunkt. Studiert hat sie übrigens trotzdem. Neben der Ausbildung im Hotel absolvierte sie erst einen Politik-Bachelor an der Fernuni Hagen, später sattelte sie noch den Master drauf. Es war ihr ein Anliegen, ihr Interesse an Politik mit Fachwissen zu vertiefen.

Ein Leben lang im Hotel war Posts Sache nicht. Mit Ende 20 gründete sie ihr eigenes Unternehmen, machte also wieder etwas selber. Post folgte ihrem Drang, die Kaffeebecherflut auf den Straßen Münchens zu stoppen. Mit ihrer Firma „Coffee To Go Again“ hat sie Stiftungen und Sozialeinrichtungen beraten, wie man von Einweg- auf Mehrwegbecher umstellen kann. Über sie hätten sich auch die Gründer des heute bundesweit verbreiteten Pfandbechersystems „reCup“ kennengelernt, berichtet Post nicht ohne Stolz. „Wenn man selber etwas anschiebt und Ideen verwirklicht, kann etwas Großes daraus werden“, folgert sie.

Zu den Grünen kam Post 2015 über die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Zwei Jahre später war sie schon Kreisvorsitzende von Giesing/Harlaching, 2020 zog sie in den Münchner Stadtrat ein. Für die frühere Schachspielerin, die mit ihrer Mädchenmannschaft auf Deutschen Meisterschaften war und auch im Leben gerne ein paar Züge vorausdenkt, ein fast zwangsläufiger Schritt.

Post findet: „Politik hat Nachholbedarf in Sachen Kommunikation“

Denn sie wollte nicht nur Ideen in den politischen Betrieb einbringen, sondern „selber Entscheidungen treffen“. Und dafür braucht es halt ein parlamentarisches Mandat. Trotz einiger Erfolge, zum Beispiel in Sachen Mehrwegverpackungen in der Landeshauptstadt, merkte sie aber schnell, dass sie im Stadtrat an legislative Grenzen stieß. Wer wirklich etwas verändern will, stellte sie fest, müsse dahin gehen, wo die Gesetze gemacht würden.

Also kandidierte Post 2023 für den Landtag. Dort arbeitet sie im Ausschuss für den öffentlichen Dienst. Am Herzen liegt ihr die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Verwaltungen und damit auch eine für Bürger*innen und Unternehmen effizientere Verwaltung. Außerdem gehört sie dem Sozialausschuss an, in dem sie als frauen- und jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion die in Bayern aus ihrer Sicht ausbaufähige Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die frühkindliche Bildung voranbringen will.

Aus der Kombination ihrer beruflichen und politischen Erfahrungen heraus plädiert Post für einen den Menschen zugewandteren Politikstil. „Politik hat Nachholbedarf in Sachen Kommunikation“, sagt sie. Als Beleg nennt sie das Heizungsgesetz der Berliner Ampel-Regierung, „da haben wir als Grüne eins auf den Deckel bekommen“. Allerdings hätten die Grünen solche Probleme nicht allein, denn Politik sei über Parteigrenzen hinweg „sehr sendungsbewusst“. Sie habe gelernt, sagt Post, dass Zuhören und der Versuch, die Beweggründe andersdenkender Menschen zu verstehen, wichtig sind. So lasse sich oft ein gemeinsamer Nenner für ein zielführendes Gespräch finden. Als Beispiel nennt Post die Debatte um die Migration. Viele Menschen stünden Zuwanderung skeptisch gegenüber, aber fänden auch, dass man Flüchtende nicht einfach im Mittelmeer ertrinken lassen dürfe. „Das ist dann schon mal die gemeinsame Basis für die Suche nach Lösungen“, sagt Post. Ähnlich könne das auch beim Klimaschutz funktionieren.

Um lebensnah arbeiten zu können, hält es Post für essenziell, dass Politiker*innen Freundschaften auch außerhalb der Politik pflegen. „Mir tut das gut, auch mal eine andere Sicht auf die Welt zu bekommen als nur die aus der Perspektive der Politik“, erklärt sie. Zudem braucht sie es für ihre innere Ausgeglichenheit, auch als Mensch wahrgenommen zu werden und nicht nur als Politikerin. „Ich kann jedem nur empfehlen, der in die Politik gehen will, weiter private Kontakte zu pflegen“, sagt Post. Ein „normales Leben neben der Politik“ müsse einfach sein. Post versucht das hinzukriegen, indem sie Zeit reserviert für Freundschaften, Familienleben, ein wenig Sport und Bewegung sowie ab und zu für etwas Kultur. (Jürgen Umlauft)
 

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